Die Weltwoche - 05.09.2019

(ff) #1
Weltwoche Nr. 36.19 65

M


ein erster Gedanke ist: «Ich sitze in einem
wohlgeformten Monster.» Dann drücke
ich den pulsierend rot aufleuchtenden Start­
knopf in der Mittelkonsole und entfessle die
Höllenmaschine unter der edel weinrot lackier­
ten Motorhaube. 725 PS oder 900 Newtonmeter
leistet das neue Flaggschiff des legendären bri­
tischen Sportwagenherstellers Aston Martin.
Der DBS Superleggera – ich komme auf diese
Bezeichnung gleich noch zu sprechen – ist der
Traum jedes Autoreisenden, ein eleganter,
kraftvoller Gran Turismo, der von der Land­
strasse bis zur Rennstrecke jedes Terrain be­
herrscht.
Es ist nicht der erste DBS in der langen, ereig­
nisreichen Aston­Martin­Geschichte, James
Bond fuhr schon Autos dieses Namens. Die Be­
zeichnung «Superleggera» (superleicht) hin­
gegen ist nicht so einfach zu erklären; an den 72
Kilogramm weniger Gewicht, die der neue DBS
im Vergleich mit dem Grundmodell DB11 auf
die Waage bringt, kann es nicht liegen. Tatsäch­
lich erinnert Superleggera an legendäre Leicht­

bauwagen des italienischen Produzenten Tou­
ring aus den sechziger Jahren. Der heutige DBS
wiegt mit Fahrer und Flüssigkeiten allerdings
über 1800 Kilogramm, das fällt zwar angesichts
der üppigen Leistung sprichwörtlich kaum ins
Gewicht, ist aber dennoch eine ordentliche
Masse.
Denn auch wenn er es zweifellos kann, der
DBS Superleggera ist für die grosse Ausfahrt
gedacht, nicht für schnelle Rundenzeiten. Die
Kabine ist üppig mit Leder ausgekleidet, ein
Bang & Olufsen­Soundsystem mit ausfahrba­
ren Hochtönern auf dem Armaturenträger
sorgt für wohlklingende Unterhaltung, und
bei Bedarf kann auf den hinteren Notsitzen
auch Gepäck deponiert werden.
Während ich die ersten Meter fahre und die
Vereinigung von Mensch und Maschine anstre­
be, grollt böse vor mir der Motor, ein Genie­
streich der Ingenieurskunst: zwölf Zylinder,
5 ,2 Liter Hubraum, zwei Turbos, 340 km/h
Spitzengeschwindigkeit und ein Sprintwert
von 3,4 Sekunden bei der Beschleunigung von

0 auf 100 km/h sind nur einige der messbaren
Fakten des britischen Maschinenbaus.
Meine Fahrt mit dem Aston Martin geht über
Land, kleine Passstrassen – und bald stelle ich
fest, dass der DBS tatsächlich ein Monster sein
kann, aber wahlweise auch ein gutmütiger
Riese. Die beiden trennt ein dünner Firnis, der
je nach Gaspedalstellung schnell aufplatzt.
Solange ich den Super­GT wohldosiert fahre, ist
er fast schon bequem und überaus souverän.
Gehe ich aber zu forsch in die Kurve, braucht es
beide Hände am Lenkrad, um das lebendige
Heck stabil zu halten. Denn die ganze Kraft
des Motors wird über die Hinterräder auf die
Strasse gebracht, eine Differenzialsperre hilft,
die schiere Gewalt zu bändigen.
Im kleinen Feld der leistungsstarken GTs wie
Bentley Continental, Ferrari GTC4 Lusso oder
Rolls­Royce Wraith fällt der Aston Martin DBS
Superleggera durch diese Kombination von
Reisefahrzeug und Supersportwagen auf. Den
Briten gelingt der fast unmögliche Kompro­
miss ausgezeichnet – mal Monster, mal gut­
mütiger Riese.

Auto


Mal Monster, mal gutmütiger Riese


Der Aston Martin DBS Superleggera ist zwar nicht besonders leicht,
aber unglaublich stark. Von David Schnapp

Aston Martin DBS Superleggera
Leistung: 725 PS /533 kW, Hubraum: 5204 ccm
Max. Drehmoment: 900 Nm bei 1800 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 340 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h: 3,4 sec
Verbrauch: 12,4 l /100 km (NEFZ)
Preis: ab Fr. 308 900.–
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