Tanja Meyer ist Bordellwirtin – und möchte Oberbürgermeisterin der niedersäch-
sischen Küstenstadt Emden werden. Im Fall eines Wahlsiegs will sie im Nachtklub
„Cheri“ wohnen bleiben. Das hohe Amt jagt ihr keine Angst ein: „Der Mensch
wächst mit seinen Aufgaben.“ Neben ihr bewerben sich um das Amt des Stadtober-
haupts: ein Döner-Verkäufer, ein Ex-Boxer, die Mitarbeiterin eines Discount-Su-
permarktes, ein politisch engagierter Sparkassenmitarbeiter – und SPD-Kandidat
Manfred Eertmoed. Emden ist eine sozialdemokratische Hochburg, die Partei
stellt seit 1956 den Rathauschef. Doch diesmal ist die Wahl kein Selbstläufer. Der
Beifall für Eertmoed bleibt so zurückhaltend wie für seine Konkurrenten, es sind
harte Zeiten für die SPD. Ein Ortsbesuch. Seite 8
„DER MENSCH
WÄCHST MIT
SEINEN AUFGABEN“
LARS BERG
1
07.09.19 Samstag, 7. September 2019DWBE-HP
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Zwei Herzen. Eine Liebe.
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DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen
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B
undestagspräsident Wolfgang Schäuble
(CDU) hat das Vorgehen der deutschen
Politik beim Erdgas-Pipeline-Projekt
Nord Stream 2 kritisiert. „Die Sichtweise unserer
östlichen Nachbarn übergangen zu haben gehört
nicht zu den Glanzpunkten deutscher Politik und
hat viel Vertrauen zerstört“, schreibt Schäuble in
einem WELT-Gastbeitrag.
Dennoch warnt der Bundestagspräsident die
osteuropäischen Partner davor, nun im Nachhin-
ein gegen Nord Stream 2 zu arbeiten. „Das Pro-
jekt auf Umwegen zu sabotieren ist aus gesamt-
europäischer Sicht trotzdem keine vernünftige
Lösung“, so Schäuble.
Das Erdgas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2
wurde im April 2005 von Bundeskanzler Gerhard
Schröder (SPD) und Russlands Präsident Wladi-
mir Putin maßgeblich vorangetrieben. Es sieht ei-
ne Röhrenverlegung von Russland nach Deutsch-
land auf dem Meeresboden der Ostsee unter Um-
gehung der Ukraine und Polen vor und stößt seit-
her auf erhebliche Vorbehalte der europäischen
und amerikanischen Verbündeten.
Die europäische Einigung sei „kein westeuro-
päisches Projekt mehr“, schreibt Schäuble. „Für
das gemeinsame Europa tragen wir alle Verant-
wortung: in Berlin und Paris ebenso wie in War-
schau und Budapest.“ Seite 2
Schäuble: Kritik an Nord Stream 2
A4,00 &/ B 4,00 &/ CH 5,50 CHF /
CY 4,00 &/ CZ 116 CZK / DK 33,00 DKK /
E4,00 &(Cont.) / I.B. 4,00 &/ I.C. 4,00 &/
F4,30 &/ GB 3,60 GBP / I 4,10 &/ L 4,00 &/
NL 4,00 &/ P 4,00 &/ PL 18,00 PLN / SK 3,60 &
ISSN 0173-8437 209-36 ZKZ 7109
KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9358537 SAMSTAG,7.SEPTEMBER
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D
ie Deutschen sind
mehrheitlich unzufrie-
den mit der Arbeit der
GroKo, aber sie wünschen kei-
nen Regierungswechsel. Wie
soll man das interpretieren? Die
Bürger wollen anscheinend
verhindern, dass die Regierung
sich vorzeitig aus dem Staub
macht. Das ist eine strategisch
vollkommen richtige Über-
legung. Wahrscheinlich will
man die Regierung einfach
bestrafen, indem man sie nicht
durch Neuwahlen vorzeitig in
Urlaub schickt, sondern weiter-
arbeiten lässt. Viele empfinden
wohl auch ein gewisses per-
verses Vergnügen dabei, Angela
Merkel zu beobachten, wie sie
immer lustloser und mürrischer
regiert. Denn eigentlich hatte
die Kanzlerin ja geplant, Anne-
gret Kramp-Karrenbauer vor-
zeitig die Regierungsgeschäfte
zu übergeben, um anschließend
endlich ein paar neue Kartoffel-
suppenrezepte auszuprobieren.
AAAber dann musste sie AKK imber dann musste sie AKK im
VVVerteidigungsministerium zwi-erteidigungsministerium zwi-
schenlagern, damit sie da über
ihre Fehler nachdenken kann.
Jetzt wollen die Deutschen
sehen, wie Merkel die saarlän-
dische Suppe, die sie sich selber
eingebrockt hat, bis zum Ende
auslöffelt.
ZZZippert zapptippert zappt
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P
lastiktüten könnten in
Deutschland schon ab 2020
verboten sein. Das Bundes-
umweltministerium (BMU)
hat einen entsprechenden
Gesetzentwurf vorgelegt und zur Ab-
stimmung an die anderen Regierungsres-
sorts verschickt. Danach soll die Abgabe
von Tragetaschen aus Plastik nach einer
Übergangsfrist von sechs Monaten nicht
mehr erlaubt sein, auch wenn sie bioba-
siert oder biologisch abbaubar sind. Bei
Verstößen drohen Händlern Geldstrafen
von bis zu 100.000 Euro.
VON CARSTEN DIERIG
Der Handel reagiert mit Unverständ-
nis auf die Initiative der Ministerin Sven-
ja Schulze (SPD). „Das Verbot ist ein kla-
rer Vertrags- und Vertrauensbruch“, sagt
Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des
Handelsverbands Deutschland (HDE),
gegenüber WELT. „Der Handel mit sei-
nen drei Millionen Beschäftigten fragt
sich, ob man sich auf das Wort der Regie-
rung noch verlassen kann.“
Genth verweist dabei auf eine Verein-
barung mit dem BMU aus dem Jahr 2016,
damals noch geführt von Schulzes Vor-
gängerin Barbara Hendricks (SPD). Die
Händler hatten sich seinerzeit dazu ver-
pflichtet, Plastiktüten nicht mehr kos-
tenlos abzugeben, um den Verbrauch zu
senken. Etliche Geschäfte verzichten
mittlerweile sogar komplett auf die Ab-
gabe der Kunststoffbeutel. Seither ist die
Zahl der ausgegebenen Plastiktüten hier-
zulande pro Kopf und Jahr von 71 auf 20
gesunken. Damit liegt die Verbrauchs-
menge nicht mal mehr halb so hoch, wie
es die entsprechende EU-Richtlinie für
das Jahr 2025 vorsieht. „Diese Daten zei-
gen, dass der Handel Wort gehalten hat
und dass die Vereinbarung zwischen dem
HDE und dem Bundesumweltministeri-
um erfolgreich ist“, sagt Genth. Dass die
Ministerin nun trotzdem ein Verbot vor-
antreibt, bezeichnet er als „reine Sym-
bolpolitik“. Zumal sich die Frage nach
den Alternativen stelle.
Ähnliche Kritik kommt selbst von der
Umweltschutzorganisation WWF
Deutschland. Plastiktüten machten nur
einen sehr geringen Anteil am deutschen
Plastikmüllaufkommen aus. Deshalb
komme dem geplanten Verbot „eher
symbolische Wirkung zu“, sagte WWF-
Plastikmüll-Experte Bernhard Bauske.
„Wenn stattdessen der Verbrauch von
Papiertüten steigt oder die Verbraucher
auf die kostenlosen Hemdchenbeutel
von der Obsttheke ausweichen, ist aus
ökologischer Sicht nichts gewonnen.“
Tatsächlich zweifeln Expertenan, dass
Papiertüten und Baumwollbeutel um-
weltfreundlicher sind. Bei der Papiertüte
wird für die Herstellung fast doppelt so
viel Energie benötigt. Dazu kommt eine
deutlich höhere Belastung von Luft und
Wasser durch Stickoxide, Schwefeldioxi-
de und andere Chemikalien, mit denen
die Zellstofffasern behandelt werden
müssen. Noch dazu ist Papier nicht so
reißfest wie Plastik.
Am höchsten dürfte die Nutzungsrate
bei Beuteln aus Baumwolle sein. Den-
noch warnen Umweltschutzorganisatio-
nen. „Die Ökobilanz eines Stoffbeutels
ist 100-mal schlechter als die einer Plas-
tiktüte“, heißt es beim Naturschutzbund
(Nabu). Ein Baumwollbeutel müsse hun-
dertmal so oft genutzt werden wie eine
erdölbasierte Kunststofftüte, um die
schlechtere Klimabilanz auszugleichen.
Es ergebe keinen Sinn, für einen einzigen
Einkauf einen Stoffbeutel zu kaufen und
diesen dann zu Hause auf den Stapel dort
bereits lagernder Stoffbeutel zu legen.
„Der Stoffbeutel ist ökologisch nur bes-
ser, wenn er häufig zum Einsatz kommt.“
Gleiches gilt für Tragetaschen aus reiß-
festem Plastik, die in vielen Geschäften
als Alternative angeboten werden.
Verbieten will das BMU nun diejeni-
gen Plastiktüten, „die dazu bestimmt
sind, in der Verkaufsstelle mit Waren ge-
füllt zu werden“. Ausgenommen sind be-
sonders stabile Modelle und die kleinen
Tragetaschen für Obst und Gemüse, von
denen die Deutschen im vergangenen
Jahr mehr als drei Milliarden Stück ge-
nutzt haben, das sind im Schnitt 37 pro
Person. Siehe Kommentar
Plastiktüten-Streit: Handel
wwwirft Regierung Wortbruch vorirft Regierung Wortbruch vor
Die Deutschen haben ihren Verbrauch an Kunststoffbeuteln drastisch reduziert, EU-Vorgaben wurden
damit übererfüllt. Trotzdem plant Umweltministerin Schulze ein Verbot. Händler sind empört
D
as Leben ist voller Wider-
sprüche. Jahr um Jahr liest
der besorgte Konsument
über Probleme mit dem Plastikmüll –
und greift beim Bezahlen an der Su-
permarktkasse doch zur Plastiktüte.
Aus Eile, aus Bequemlichkeit, weil die
vielleicht extra angeschaffte Ein-
kaufstasche mal wieder zu Hause
liegt. Mehr als 37 Kilo Plastikmüll fal-
len hierzulande pro Kopf jährlich an,
damit liegt Deutschland deutlich
über EU-Durchschnitt.
Zur gleichen Zeit erschrecken Bil-
der und Zahlen von der anderen Seite
des Erdballs: 140 Millionen Tonnen
KKKunststoffabfälle schwimmen in denunststoffabfälle schwimmen in den
Ozeanen, ein riesiger Teppich hat sich
im Pazifik gebildet. Plastik findet man
inzwischen im Magen vieler Tiere.
Der Hauptteil davon stammt nicht aus
Europa, sondern aus Asien. Allerdings
wird auch in Deutschland Kunststoff
nur zu etwa einem Drittel recycelt.
Der Rest wird verbrannt – oder in an-
dere Länder exportiert. Seit China
weitere Müllimporte verweigert, lan-
det die Plastikflut der Industrieländer
in immer ärmeren Weltregionen,
letztlich schwimmt auch unser Müll
zum Teil im Meer. Nicht nur dort,
aaauch im hiesigen Kompost findet manuch im hiesigen Kompost findet man
inzwischen Mikroplastik. Bis in unse-
ren Körper sind die fein vermahlenen
Partikel bereits vorgedrungen, mit
noch unbekannten Folgen für die Ge-
sundheit.
Es gibt also gute Gründe, den Plas-
tikmüll zu reduzieren, so wie es das
Bundesumweltministerium nun an-
strebt. Die klassische Plastiktüte an
der Ladenkasse soll ab 2020 verboten
werden. Ausgenommen bleiben be-
sonders dicke Tüten, die zum vielfa-
chen Gebrauch einladen, sowie die
dünnen Plastikbeutel an der Gemüse-
theke. Das ist bereits ein zweiter
Schritt. Seit 2016 sind Plastiktüten in
Deutschland in vielen Geschäften
kostenpflichtig, der Verbrauch ist
seither deutlich zurückgegangen.
Eine messbare Entlastung der
Weltmeere dürfte das deutsche Ge-
setz allerdings kaum bewirken. Plas-
tiktüten machen gerade einmal ein
Prozent des deutschen Plastikmülls
aus. Und auch dem Klima wird das
Verbot von Plastiktüten nicht helfen.
Denn Kunststoff wird zwar aus Erdöl
gewonnen und verursacht daher
CO2-Emissionen, wenn es verbrannt
wird. Doch die Alternativen, zu de-
nen Verbraucher nun greifen könn-
ten, sind meist sogar schädlicher fürs
Klima. Ein Baumwollbeutel muss
mehr als 100 mal benutzt werden, bis
seine CO 2 -Bilanz so gut ist wie die ei-
ner Plastiktüte. Bei einer Papiertüte
immerhin noch zwei- bis viermal. Ob
mit oder ohne Gesetz – es bleibt in
der Verantwortung des Einzelnen,
die Einkäufe umweltschonend zu
transportieren, ob in Taschen, Beu-
teln oder Körben. Der menschliche
Erfindergeist hat bereits viele Lösun-
gen hervorgebracht.
KOMMENTAR
Bleiben wir
erfinderisch!
[email protected]
BIRGIT HERDEN
Bundesfinanzminister Olaf Scholz
(SPD) will Fahrer großer Gelände-
wagen stärker zur Kasse bitten.
„Wenn fabrikneue Autos mit ho-
hem CO 2 -Ausstoßverkauft wer-
den, muss sich das auch bei der
Kfz-Steuer deutlich niederschla-
gen“, sagte Scholz der „SZ“. Zu-
dem sprach sich Scholz für stren-
gere Standards bei Gebäudehei-
zungen aus. Die Bürger müssten
sich beim Klimaschutz auf „spür-
bare Auswirkungen“ einstellen.
Scholz will Fahrer großer
SUV zur Kasse bitten
MORGEN
AM KIOSK
30 JAHRE FREIHEIT
DDR-Bürgerrechtler
am Runden Tisch
der Redaktion
DIE WELT digital Lesen Sie DIE WELT digital
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I
m Auftrag der Nachrichten-
seite „CubaNet“ berichtete
der Journalist Roberto Jesús
QQQuiñonesuiñonesam 22. April dieses
Jahres aus einem kubanischen
Gerichtssaal, als er von Polizis-
ten abgeführt wurde. Dabei erlitt
er Gesichtsverletzungen. Fünf
Tage später wurde Quiñones
fffreigelassen, die Behörden leite-reigelassen, die Behörden leite-
ten aber ein Verfahren gegen ihn
ein. Die Anklage: Quiñones habe
in Gewahrsam „Widerstand“
geleistet. Da der Journalist seine
Geldstrafe nicht beglich, wurde
er am 7. August zu einer einjäh-
rigen Haftstrafe verurteilt. Das
Komitee zum Schutz von Jour-
nalisten (CPJ) kritisierte die
kubanischen Behörden: „Die
Tatsache, dass Roberto Quiño-
nes wegen der Nichtzahlung
einer Geldstrafe zu einer Haft-
strafe verurteilt wird, während
die Polizisten, die ihn tagelang
fffestsetzten und schlugen, ohneestsetzten und schlugen, ohne
Strafe bleiben, ist empörend“,
sagte Robert Mahoney, der stell-
vertretende CPJ-Exekutivdirek-
tor. Laut Reporter ohne Grenzen
werden unabhängige Journalis-
ten und Blogger in Kuba seit
Jahrzehnten „systematisch ein-
geschüchtert“.
#Free
them
all
Roberto Jesús Quiñones CUBANET
In Kooperation mit
„REPORTER OHNE GRENZEN“
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