Die Welt - 07.09.2019

(Axel Boer) #1

Provokation


mit Folgen


D


icht an dicht stehen Hun-
derte knallig bunte Fla-
schen im Smoothie-Regal
im Eingangsbereich des
Rewe-Markts im Düssel-
dorfer Stadtteil Unterbilk. Über sechs
Reihen verteilen sich die Fruchtmixge-
tränke, akkurat geordnet nach Größe
und Marke. Mit dabei auch etliche Sor-
ten des Herstellers True Fruits – gut
sichtbar, weil auf Augenhöhe postiert,
noch dazu im Angebot und deswegen
mit einem Extrahinweis versehen.

VON CARSTEN DIERIG

Was den Hersteller freuen dürfte, ist
für Gegner der zunehmend umstritte-
nen Marke ein Gräuel. Und gerade die-
ser Tage häufen sich wieder Kritik und
Boykottaufrufe. Prominente fordern so-
gar dazu auf, Hand anzulegen und die
Regale im Supermarkt umzuräumen.
Die Autorin und Schauspielerin Char-
lotte Roche gibt dafür gleich mal eine
Anleitung: In einem kleinen Video, zu
sehen auf ihrem Instagram-Account,
stellt sie Produkte anderer Hersteller
vor die Smoothies von True Fruits. Und
damit nicht genug: „Sei Teil der Bewe-
gung“, ruft Roche ihre rund 110.000 Fol-
lower auch noch zur Nachahmung auf.
Im Rewe-Markt in Düsseldorf ist dieser
Appell ganz offensichtlich nicht ange-
kommen, andernorts indes schon, wie
es in den sozialen Netzwerken heißt.
Hintergrund der Aktion ist eine er-
neut provokante Werbung von True
Fruits auf Plattformen wie Instagram,
Facebook und Twitter. „Sommer, wann
feierst du endlich dein Cumback?“,
stand dort als Slogan über einem Bild,
das einen Frauenrücken zeigt mit einem
aus Sonnencreme aufgemalten ejakulie-
renden Penis. „Cum“ ist das englische
Wort für „Sperma“, und „back“ bedeu-
tet „Rücken“. Beworben wurde mit dem
Motiv, das es auch in einer Männerrü-
ckenversion gab, die neueste Kreation
des Bonner Unternehmens: der Smoot-
hie Sun Creamie mit Pfirsich-Maracuja-
Geschmack. Mittlerweile sind die Bilder
gelöscht – weil True Fruits gegen die
Vorschriften der zuständigen Bildagen-
tur verstoßen hat.

Der Deutsche Werberat hat das Motiv
trotzdem auch nachträglich noch bean-
standet. Aus Sicht der Kontrollinstanz
der Werbewirtschaft hierzulande hat
True Fruits sowohl die Grenze des gu-
ten Geschmacks als auch die Grenze
zum Vulgarismus überschritten. „Se-
xualität und sexuelle Spielarten sind
keineswegs tabuisierte Themen in unse-
rer Gesellschaft und auch nicht in der
Werbung“, kommentiert Julia Busse,
Geschäftsführerin des Deutschen Wer-
berats. „True Fruits sollte sich aber
schon fragen, ob die Obszönität und die
Tonalität der beanstandeten Motive
Gradmesser für legitime und gesell-
schaftlich akzeptierte Stilmittel zukünf-
tiger Werbemaßnahmen sein sollten.“

Bei True Fruits selbst sieht man das
anders, auch davon berichtet Busse. Das
Unternehmen habe in seiner Stellung-
nahme gegenüber dem Werberat die
Werbung als kindisch, albern und pu-
bertär, aber nicht als anstößig oder
übertrieben obszön eingeordnet.
Es ist nicht der erste Ärger, den der
gleichwohl mehrfach preisgekrönte
Mittelständler durch provokante Rekla-
me hervorruft. „Oralverzehr – schneller
kommst Du nicht zum Samengenuss“,
stand zum Beispiel neben einer Yellow-
Chai-Smoothie-Flasche. Oder „Schafft
es selten über die Grenze“ bei einer
schwarzen Flasche. Kritiker werfen der
Marke daher schon seit Jahren Sexis-
mus, Rassismus und Behindertenfeind-

lichkeit vor. Experten stellen sich nun
die Frage, wie lange diese Anfeindungen
noch an True Fruits abperlen können.
Klaus-Dieter Koch, Gründer und Ge-
schäftsführer der Markenberatung
Brandtrust, warnt bereits: „True Fruits
hat die zweideutige Werbung irgend-
wann mal ausprobiert und damit Erfolg
gehabt. Und nun ist das wie eine Droge:
Man will noch mehr Aufmerksamkeit
und muss dafür noch anzüglicher wer-
den.“ Doch mittlerweile sei eine Grenze
überschritten. „Man hat offenbar den
gesellschaftlichen Konsens unter-
schätzt“, erklärt Koch. „Bis zu einem
gewissen Punkt wird Provokation noch
geduldet, dann aber schlägt das Pendel
ins Gegenteil um. Und so langsam ist
dieser Wendepunkt bei True Fruits er-
reicht.“
Koch sieht das Unternehmen auf dem
Weg in eine Sackgasse. „Die Schlussfol-
gerung ‚Provokationen gleich Aufmerk-
samkeit‘ ist viel zu kurzfristig gedacht.
Denn eine Marke erzeugt immer Bilder
im Kopf. Und True Fruits läuft nun Ge-
fahr, dauerhaft mit dem Thema Sexis-
mus in Verbindung gebracht zu wer-
den“, sagt Koch. „Das aber kann und
wird auf Dauer kein Verkaufsargument
sein, vor allem nicht in Zeiten von Me-
Too und Female Empowerment.“ Noch
dazu stehe irgendwann auch der Kunde
selbst als Sexist da, wenn er zur Marke
True Fruits greife. Noch sei Zeit genug,
um gegenzusteuern, sagen Experten.
Denn es dauere viele Jahre, bis eine As-
soziation fest im Kopf der Verbraucher
verankert ist. Dann aber hält diese Vor-
stellung extrem lange.
Beispiel Beck’s: Die Mehrzahl der
Bundesbürger dürfte bei der Biermarke
aus Bremen noch immer zuerst an ein
großes Segelschiff denken – dabei
stammt dieses Motiv aus den 1990er-
Jahren, noch dazu gibt es etliche andere
TV-Spots von Beck’s. Wobei diese Asso-
ziation – das Schiff ist als Symbol für
Freiheit gedacht – positiv besetzt ist.
Anders sieht das beim Thema Sexismus
aus. „Für die langfristige Positionierung
wäre das ein Problem“, sagt Brandtrust-
Manager Koch. Die jüngsten Shitstorms
und Boykottaufrufe hält er aber noch
für verkraftbar.

Obszöne Werbung von True Fruits


könnte Kunden langfristig verschrecken


TRUE FRUITS

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07.09.19 Samstag, 7. September 2019DWBE-HP


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DWBE-HP

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DIE WELT SAMSTAG,7.SEPTEMBER2019 WIRTSCHAFT 11


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altbares Telefon, zweiter Ver-
such: Smartphone-Bauer Sam-
sung will am 18. September sein
„Galaxy Fold“ auf den Markt bringen.
Ursprünglich sollte das Smartphone
mit dem Knick-Bildschirm bereits im
April kommen. Doch als Tester die Ge-
räte ausprobieren durften, versagten
die ersten Bildschirme innerhalb weni-
ger Stunde und Tage.

VON BENEDIKT FUEST

Staub und Schmutz fanden den Weg
in das Bildschirmscharnier und zerstör-
ten dort die empfindliche Bildschirm-
elektronik. Zudem löste sich eine
Schutzfolie, die den Bildschirm elas-
tisch halten sollte. Augenscheinlich hat-
te sich Samsung übernommen bei dem
Versuch, möglichst noch vor dem Kon-
kurrenten Huawei ein Faltgerät in die
Händlerregale zu bringen.
Beim zweiten Versuch hat Samsung
gleich das ganze Telefon überarbeitet.
Nun ist auch ein Funkchip für den neu-
en, ultraschnellen 5G-Datenfunkan
Bord. Das Gerät wird deswegen noch
einmal 100 Euro teurer und kommt in
Deutschland für 2100 Euro auf den
Markt. Das Bildschirmscharnier wurde
grundlegend überarbeitet, ist nun an
beiden Seiten durch eine Endkappe ge-
schützt und soll deutlich langlebiger
sein. WELT konnte das neue Fold auf
der Elektronikmesse IFA in Berlin erst-
mals ausprobieren. Der erste Eindruck:
Das neue Scharnier hat den genau rich-
tigen Widerstand und dürfte auch im
harten Alltagseinsatz bestehen.
Das Gerät sieht weniger wie ein Pro-
totyp und mehr wie ein Premium-
Smartphone-Tablet-Mix für über 2000
Euro aus. Die Displayschutzfolie ist nun
bis über die Bildschirmkanten gezogen,
ein Übergang ist nicht mehr spürbar.
Das Fold hat zwei Bildschirme. Der vor-

dere ist nahtlos ins Gehäuse integriert
und taugt für Mails, Navigationsanwei-
sungen und schnelle Blicke in Nachrich-
ten oder Terminkalender.
Wird das Gerät aufgeklappt, ist der
große, fast quadratische Bildschirm für
ein Smartphone fast überwältigend. Die
Farben sind brillant, die Auflösung eben-
fffalls. Allerdings ist eine deutliche Knick-alls. Allerdings ist eine deutliche Knick-
fffalte in der Mitte zu erkennen. Die fälltalte in der Mitte zu erkennen. Die fällt
beim Ansehen von hellen Bildinhalten
wie etwa Google Maps oder Computer-
spielen nicht weiter auf, auf einem
schwarzen Hintergrund oder bei dunklen
Fotos dagegen ist sie deutlich sichtbar.
Bei Computerspielen dagegen kann
der Bildschirm seine ganze Stärke aus-
spielen. Mobiles Gaming sah nie zuvor
so gut aus. Auch Fotos wirken auf dem
großen Screen besser. Das Fold kann da-
mit durchaus mit einem kleinen Tablet
gleichziehen. Damit jedoch stellt sich
auch zugleich die Sinnfrage: Wer Geld
sparen will, kann auch einfach ein klei-
nes Tablet sowie ein 5G-Smartphone

kaufen, beide verbinden und hat dann
gegenüber der Fold-Option immer noch
500 Euro für weitere Gadgets übrig.
Damit ist das Fold interessant für
zwei Zielgruppen: Menschen, die sich
unbedingt und offensichtlich mit dem
neuesten und teuersten Smartphone
auf dem Markt zeigen wollen, und Nut-
zer, die den großen Bildschirm benöti-
gen, aber in der Tasche keinen Platz für
ein Tablet haben.

Samsung bringt faltbares


Smartphone auf den Markt


„Galaxy Fold“ punktet im Test mit großem Bildschirm


Probleme hat
das Gerät bei
dunklen Fotos

DPA-TMN

/ ZACHARIE SCHEURER

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