Süddeutsche Zeitung - 07.09.2019 - 08.09.2019

(Rick Simeone) #1

E


s war sein letzter großer Auftritt
an jenem Tag im Juli 2018.
Robert Mugabe hatte ein paar
Journalisten eingeladen in sein
Anwesen, das jeder in Harare als
das „Blaue Dach“ kennt, weil die 25-Zim-
mer-Residenz eben mit einem blauen
Dach ausgestattet ist. Mugabe saß in einer
Pagode im Garten auf einem Stuhl, einer
Mischung aus Thron und Drehsitz. Seine
Helfer hatten ihm ein riesiges Tigerfellkis-
sen hinter den Rücken gelegt. Er lag mehr
in diesem Stuhl, als dass er saß. Sein Kör-
per schien keine Knochen mehr zu
besitzen, keinerlei Spannung. Manchmal
döste er einfach weg, manchmal gab ihm
seine Ehefrau Grace eine Karte, auf der ein
paar Stichworte zu stehen schienen. Muga-
be holte also tief Luft und begann einen
Vortrag, der von der gegenwärtigen politi-
schen Lage bis zum Zustand seines blauen
Dachs führte, das aus Sicht von Mugabe in
einem beklagenswerten Zustand war.
Das ganze Anwesen ist vom Stil her chi-
nesisch inspiriert, gebaut wurde es aller-
dings von einer jugoslawischen Bautrup-
pe, die er nicht noch mal nehmen würde,
wie Mugabe an jenem Tag im Juli 2018 sag-
te. Dann nickte er wieder weg. Es war der
Tag, an dem viele Millionen Fernseh-
zuschauer in Simbabwe verstanden: Auch
Robert Mugabe ist nicht unsterblich.
Mugabe regierte Simbabwe nach der
Unabhängigkeit 37 Jahre lang, er war der äl-
teste Präsident der Welt, er wollte noch mit
über 100 Jahren im Amt sein, wie er sagte.
Er schien immer da zu sein, in seiner Mut-
tersprache Shona gibt es kein Wort für Ru-
hestand. Nicht die Briten, nicht die Opposi-
tion, nur Gott kann mich zurückrufen, hat
Mugabe einmal gesagt. Nun hat ihn Gott zu-
rückgerufen – vielleicht war es aber auch
einfach nur die Prostata. Am Freitag ist er
im Alter von 95 Jahren in einem Kranken-
haus in Singapur gestorben, zur Todesursa-
che machte die Regierung keine Angaben.
Sie preist den früheren Präsidenten als
den Vater der Nation.


Robert Mugabe war ein großer Befrei-
ungskämpfer, der zu einem Tyrannen wur-
de, von dem sich das Volk lange nicht
befreien konnte. „Man darf nicht schlecht
über Tote sprechen, außer wenn sie so vie-
le Leute umgebracht haben wie Robert Mu-
gabe. Er ist ein Monster“, sagt der britische
Diplomat George Walden, der 1979 mit Mu-
gabe die Unabhängigkeit Simbabwes ver-
handelt hatte. Mugabe wirtschaftete das
einst reichste Land des Kontinents zu ei-
nem Bettelstaat herunter, die Inflation lag
zeitweise bei 230 Millionen Prozent. Das
muss man erst einmal schaffen.
Mit der selbstherrlichen Skrupellosig-
keit eines afrikanischen Machiavellisten
prägte Mugabe eine weitgehend düstere
Ära. Aber er hat sich einen Namen in der
Welt gemacht, was man nicht von allen afri-
kanischen Staatschefs sagen kann. Er über-
ragt damit viele andere Führer südlich der
Sahara – aber keineswegs als Lichtgestalt.
Mugabe war das augenfälligste Symbol für
einen unstillbaren, fast schon pathologi-
schen Willen zur Macht, der sich hinter der
Maske des afrikanischen Freiheitskamp-
fes verbarg. Wer in Afrika die weißen Kolo-
nialisten und Ausbeuter bezwang, konnte
selbst dann noch mit dem Respekt der
Menschen rechnen, wenn er sich später
selbst als gnadenloser Autokrat entlarvte.
Das mag aus der Ferne betrachtet seltsam
wirken, aber dieser Reflex zeugt von tiefen
und nur langsam heilenden Wunden, die
der Imperialismus auf dem Kontinent ge-
schlagen hat.
Unter den alternden Führern Afrikas
verkörperte Mugabe eine Art Anti-Mande-
la. Während der Südafrikaner Mandela
nach dem Ende der Apartheid hart daran
arbeitete, die Menschen in seinem Land zu
versöhnen, tat sein Nachbar Mugabe in
Simbabwe das Gegenteil. Zumindest war
das in seinen späteren Herrschaftsjahren
zu beobachten, als er den Hass auf die Wei-
ßen schürte und sie alle als Agenten des
Neoimperialismus verteufelte. Das war
das ideologische Werkzeug, mit dem er
den Erhalt seiner Macht erzwang.
Mandela wollte Misstrauen abbauen
und Gräben in der Gesellschaft zuschüt-
ten, um dem neuen demokratischen Süd-
afrika ein breites Fundament zu geben.
Mugabes Fleiß jenseits der Grenze richtete
sich darauf, alte Feindbilder auszugraben
und aufzupolieren. Die beiden einfluss-
reichsten Freiheitskämpfer im südlichen
Afrika haben sich auch deswegen nie be-
sonders gemocht.
Das Herrschen beherrschte Mugabe
weit besser als andere Despoten, er hatte
Simbabwe bis ins hohe Alter eisern im
Griff. Er war, wenn man so will, ein sehr
strategischer Diktator, der sich nach allen
Seiten und mit allen Mitteln akribisch ab-
zusichern wusste. Einer, der ihm früher
nahestand, erzählte einmal, wie Mugabe
schon früh über jeden seiner Gefolgsleute
Dossiers anlegte. Jedes Detail war ihm
wichtig, er wollte alles über jeden wissen.
So kannte er deren Schwächen – und das
war sehr nützlich, wenn einer mal auf-
muckte oder sich von ihm abwenden woll-
te. Kontrolle durch Wissen war für Mugabe
immer ein Schlüssel zur Macht.
Alles, was sich in der afrikanischen See-
le an Wut, an Demütigungen und Verlet-
zungen angesammelt hatte, lockte Muga-
be als gewandter Rhetoriker hervor und
machte es sich zunutze. Ohne die weißen
Siedler, die einst das Land besetzten, hätte
Mugabe nie genügend ideologische Muniti-
on besessen, um einen anderen Gegner zu
bekämpfen: die simbabwische schwarze
Opposition, die anfangs der städtischen Ar-
beiterschaft und den Gewerkschaften ent-
sprang und im Lauf der Neunzigerjahre
schnell an Gewicht gewann.
Diese Gegner stempelte Mugabe als
Handlanger der Imperialisten ab und ver-


suchte damit auch, die alleinige Deutungs-
hoheit über die Geschichte zu verteidigen.
Indem er seine Politik zum Überlebens-
kampf eines kleinen afrikanischen Landes
gegen die Übermacht perfider Neokolonia-
listen stilisierte, kaperte er die afrikani-
sche Leidensgeschichte. Es war sein Weg,
Herrschaft zu festigen.
Mugabe nährte mit seinen Reden das Ge-
fühl, dass man auch als geknechteter Afri-
kaner zu den Siegern der Geschichte gehö-
ren konnte. Man durfte eben nur nie aufhö-
ren zu kämpfen. Dafür stand die geballte
Faust, die Mugabe bei Parteiversammlun-
gen in die Höhe reckte, sie war im Alter nur
noch sehr schwach, als sie den Präsidenten
vor jedem Auftritt mit Medikamenten auf-
putschen mussten. Aber als Symbol taugte
seine Faust trotzdem noch sehr lange.
Mugabe wollte als einer in die Geschichte
eingehen, der sich niemals beugte.

Wer es wagte, sich ihm in den Weg zu
stellen, wurde gnadenlos attackiert.
Manchmal frontal, aber viel öfter aus dem
Hinterhalt. Politik bezeichnete Mugabe als
einen Boxkampf, bei dem der Gegner k. o.
zu Boden gehen müsse. So hatte der Macht-
haber auch seine letzten Wahlen bestritten
und den Gegner mit unfairen Mitteln zu
Boden gezwungen. Sein letzter Kampf al-
lerdings, der seiner Frau auf den Thron ver-
helfen sollte, ging verloren.
Eigentlich wollte Mugabe ja bis in alle
Ewigkeit selbst regieren, er musste dann
aber wohl irgendwann seine eigene End-
lichkeit akzeptieren. Die Macht sollte aber
weiter in der Familie bleiben, denn Macht

bedeutet Geld, das man braucht, um den
Clan zu versorgen, das verflixte blaue Dach
zu reparieren und für all die neuen Hand-
taschen und Sportwagen. Keine war dabei
so verschwenderisch und so protzend wie
Grace Mugabe, die schon mal die Freundin
ihres Sohnes verprügelte, weil sie ihr nicht
gefiel. Auch den greisen Mugabe soll die 40
Jahre jüngere Grace immer wieder ge-
schlagen haben. Womöglich konnte er gar
nicht anders, als sie zur Vizepräsidentin zu
machen. Er war wohl schon zu alt und se-
nil, um zu merken, dass das der Anfang
vom Ende war. Sein alter Weggefährte
Emmerson Mnangagwa putschte im No-
vember 2017 mit dem Militär und machte
sich selbst zum Präsidenten, in den Stra-
ßen von Harare jubelten Hunderttausende
und rissen die Straßenschilder der „Robert
Mugabe Road“ herunter.
Mugabe sah die Szenen im Fernseher
und wusste doch nicht, was da gerade pas-
siert. Er machte einfach weiter. Ein paar Ta-
ge nach dem Putsch tat er so, als sei nichts
geschehen, setzte sich ins Auto und fuhr
zur Abschlussfeier an einer Universität.
Die Autokolonne fuhr über Straßen mit
ausgewaschenen Schlaglöchern, vorbei an
verfallenen Fabrikhallen und vor sich hin
modernden Häusern. Es ging vorbei an Ver-
kaufsständen, an denen die Menschen das
Letzte zu Geld zu machen versuchten, das
sie hatten: Regenwürmer, Kompost und
zerlumpte Kleider. Es war eine Rundfahrt,
bei der er den Zustand seines Landes hätte
sehen können. Robert Mugabe hätte nur
die Augen öffnen müssen. In der Universi-
tät dauert es dann nur wenige Minuten, bis
ihm die Augen wieder zufielen. Er wirkte
zu müde, um zu kämpfen.
In der Sprache der Shona gibt es das
Wort „Chimurenga“, es bezeichnet den
Kampf. Mugabe hat diesen Begriff immer

dann gebraucht, wenn es darum ging, Ge-
folgschaft einzufordern oder Gegner einzu-
schüchtern. Chimurenga, so hieß schon
der erste Widerstand gegen die weißen
Siedler im späten 19. Jahrhundert. Und spä-
ter auch der zähe Guerillakrieg gegen das
rassistische Regime Rhodesiens. Es stürz-
te 1980. Und ein wichtiger Stratege der
schwarzen Rebellion war Mugabe.
Ian Smith, der Führer des rhodesischen
Regimes, nannte den Mann einen „Apostel
des Satans“. Dabei war Mugabe einst im
Schoß der katholischen Kirche groß gewor-
den, wie so viele andere Freiheitskämpfer
des Kontinents. „Ich wurde von den Jesui-
ten erzogen und dafür bin ich äußerst
dankbar“, sagte Mugabe. Er wurde am


  1. Februar 1924 nahe der Kutama Mission
    im Westen der Stadt Salisbury geboren,
    dem heutigen Harare, und fiel früh als ge-
    lehriger Schüler auf. Aber der Junge war
    auch sehr eigen und blieb für sich. „Die ein-
    zigen Freunde waren seine Bücher“, sagte
    einer seiner Brüder. Sein irischer Lehrer er-
    kannte in ihm einen „außergewöhnlichen
    Geist“. Das Wort Gottes studierte er so flei-
    ßig, dass Mugabes fromme Mutter hoffte,
    der Sohn werde vielleicht Priester.
    Doch es sollte anders kommen. Mugabe
    machte ein Lehrerdiplom, bekam ein Sti-
    pendium in Südafrika und zog später nach
    Ghana, das Ende der Fünfzigerjahre gera-
    de die Unabhängigkeit errungen hatte –
    als einer der ersten Staaten des Konti-
    nents. Mugabe genoss dort die Atmosphä-
    re des Aufbruchs, die Euphorie der Intellek-
    tuellen. Er verschlang die Bücher von Karl
    Marx und entdeckte schließlich auch noch
    eine zweite Liebe: Sally, seine spätere Frau.
    Mit ihr konnte er stundenlang politisieren.
    Lange Zeit danach erinnerte sich Sally,
    dass die beiden in zwanzig Jahren kein ein-
    ziges Mal zusammen ins Kino gegangen


waren. Politik war der Mittelpunkt ihres Le-
bens. Und Politik hieß für Mugabe vor
allem: Chimurenga.
Als er nach Rhodesien zurückging,
schloss er sich dort dem Freiheitskampf
an. Dafür bezahlte er einen hohen Preis.
Mehr als ein Jahrzehnt verbrachte Robert
Mugabe in den Kerkern des Minderheiten-
regimes. Vermutlich war das die Zeit, in
der sich der Hass auf die Weißen tief einge-
graben hat. Nelson Mandela war noch viel
länger eingekerkert, aber der Südafrika-
ner verarbeitete die Haft ganz anders als
Mugabe. Er war ohne Hass.

Die tiefste Narbe Robert Mugabes war
der Verlust seines ersten Sohnes. Er starb
in Ghana, während der Vater in Rhodesien
hinter Gittern saß. Der Gefangene flehte
damals, wenigstens am Grab des Kindes
trauern zu dürfen – vergeblich. In den Sieb-
zigerjahren kam Mugabe aus dem Gefäng-
nis und ging nach Mosambik, um dort Un-
tergrundkämpfer zu rekrutieren. Wilfred
Mhanda, ein Veteran des Befreiungskamp-
fes, erinnerte sich viele Jahre später, wie er
dem Aktivisten mit der dickrandigen Brille
zum ersten Mal begegnet war. Andere
Buschkämpfer lachten über den seltsa-
men Kerl, der nicht mal wusste, wie man
ein Gewehr richtig hält. Aber sie erkannten
schnell, dass man einen wie Mugabe nicht
unterschätzten sollte. Er hatte kein Pro-
blem damit, Kommandeure kaltzustellen,
wenn sie ihm zu unabhängig wurden. Er
war, das erkannte Mhanda schon damals,
ein Mensch, der „immer berechnend war
und nur auf eines fixiert: die Macht“.

Als die Guerilla-Truppen 1980 trium-
phierten, war Mugabe 56 Jahre alt. Er wur-
de Regierungschef, später Präsident. Sein
Erzfeind, der schottischstämmige Politi-
ker Ian Smith, war gerade erst geschlagen,
da wandte Mugabe sich schon dem nächs-
ten Feind zu: Joshua Nkomo. Er war die
eigentliche Vaterfigur des Widerstandes,
doch Mugabe betrachtete ihn nur als ge-
fährlichen Konkurrenten. Einer Kobra im
Haus müsse man den Kopf abschlagen, sag-
te er. Nkomo konnte sich ins Ausland ret-
ten, doch Mugabe hetzte seine Schlächter
auf dessen Anhänger. Tausende Menschen
kamen bei den Massakern in Matabele-
land ums Leben, als dort die berüchtigte
Fünfte Brigade aufmarschierte, ausgebil-
det in Nordkorea.
Die Welt schenkte den Massakern da-
mals wenig Aufmerksamkeit, viele waren
zu beeindruckt von dem wortgewandten
afrikanischen Führer, der so intelligent er-
schien und häufig versöhnliche Töne an-
schlug. Für jeden im Land sollte Platz sein,
ob schwarz oder weiß. Alle mögen sich in
Freundschaft die Hände reichen, forderte
Mugabe. Das kam gut an in den Hauptstäd-
ten der Welt. Über die Grausamkeiten in
Matabeleland sah man schnell hinweg.
Vielleicht war es so, dass Mugabe da-
mals eine Kampfpause einlegte, da alle Ri-
valen erst einmal aus dem Weg geräumt
waren. Politisch schien er vieles richtig zu
machen, zumindest sahen das die damali-
gen Kommentatoren so. Simbabwe blühte
ökonomisch auf, das Land produzierte Ge-
treideüberschüsse und war der Lieblings-
schüler des Internationalen Währungs-
fonds und der Weltbank. Bald sprachen vie-
le vom Musterstaat Afrikas, an dessen Spit-
ze Robert Mugabe stand. Das verlieh ihm
Glanz. Kaum einer ahnte, dass derselbe
Mann das Land in kürzester Zeit in den völ-
ligen Ruin treiben würde.
In den Neunzigerjahren waren die sonni-
gen Zeiten für den Machthaber in Harare
dann vorbei. Mugabes Frau Sally starb, der
wichtigste emotionale Anker in seinem Le-
ben, sie war sein einziges Korrektiv. An
Sallys Stelle trat die junge, verschwenderi-
sche Grace, seine einstige Sekretärin. Sie
nutzte den Präsidenten aus, was dessen
Einsamkeit nur noch steigerte. Was die bei-
den zusammenhielt, war all die Jahre
schwer erkennbar. Sie war jedenfalls ganz
anders als seine erste Frau.

Auch das politische Umfeld Mugabes be-
gann sich zu verändern: Eine neue Opposi-
tion baute sich auf, die Bewegung für De-
mokratischen Wandel (MDC). Sie verzeich-
nete bald Wahlerfolge und führte Mugabe
vor Augen, dass seine Macht vielleicht
doch endlich sein könnte. Und auf einmal
war der alte Kämpfer wieder hellwach. So
schnell sollte ihn niemand aus dem Weg
räumen. Und was hätte seine Herrschaft
besser stützen können als ein neuer, ein
dritter Chimurenga? Das war seine Waffe,
die ihm noch viele Jahre die Macht sicher-
te. Doch der Kampf brachte dem simbabwi-
schen Volk keine Freiheit, sondern nur
Leid, Frustration und Zerstörung.
Mugabe warf seit dem Jahr 2000 die wei-
ßen Farmer aus dem Land, es war weniger
ein rassistischer Exzess als ein kühl kalku-
lierter Angriff. Die großen Farmen schanz-
te er den Günstlingen in der Partei zu und
sicherte sich so deren weitere Gefolg-
schaft. Vielleicht noch wichtiger war, dass
Mugabe mit der Verfolgung der weißen Far-
mer den antikolonialen Kampf wieder auf-
leben ließ. Die Opposition, die sich gegen
diese Politik wehrte, geißelte der Präsident
als Marionette der Europäer und als Verrä-
ter der stolzen Nation.
Mit den Farmenteignungen hatte Muga-
be das wirtschaftliche Rückgrat des Lan-
des zerschlagen. Es war „ökonomisch
großer Unsinn“, wie der inzwischen verstor-
bene John Makumbe sagte, Universitäts-
professor in Harare und Kritiker des Muga-
be-Regimes. „Eine gute Landreform war
längst überfällig, aber Mugabe hat die Mög-
lichkeiten dafür zerstört.“ Die Misere trieb
Millionen Simbabwer über die Grenzen,
wo sie als billige Arbeitskräfte schufteten
und das Geld nach Hause schickten, um ih-
re Familien vor dem Elend zu bewahren.
Freunde hatte das kleine Reich Muga-
bes zuletzt nur noch wenige, aber seine
Minister und Generäle sicherten sich den
Zugriff auf die reichen Diamantenfelder
im Osten des Landes, um wirtschaftliche
Engpässe auszugleichen und um sich an
den geschmuggelten Edelsteinen zu berei-
chern. Wie viel Geld die Präsidentenfami-
lie selbst abzweigte, ist bis heute nicht ge-
klärt. Aber viele Milliarden sind versickert
in den Diamanten-Deals, möglicherweise
waren sie der größte Klau der jüngeren afri-
kanischen Geschichte.
Trotzdem tat Mugabe bis zuletzt so, als
sei er der große Retter Afrikas, der Hüter
des Kontinents, der sich gegen die finste-
ren neokolonialen Mächte zu wehren wuss-
te. Das war seine große Lebenslüge. Denn
nur jene, die ihm huldigten und kuschten,
durften hoffen, belohnt zu werden. Die
meisten anderen Simbabwer haben unter
ihm schrecklich gelitten. Er war besessen
von der Macht.
Es setzte in den vergangenen Monaten
eine Art Verklärung ein bei manchen, ein
Nachdenken darüber, ob man Mugabe
nicht doch lieber hätte behalten sollen:
Weil sein Nachfolger Emmerson Mnangag-
wa jetzt womöglich noch brutaler herrscht,
noch willkürlicher Gegner umbringen
lässt, weil die Wirtschaft weiter am Boden
liegt und aus dem einst so schönen Land
ein Staat der Schlangen geworden ist, ein
Staat, in dem man für ein paar Tropfen Ben-
zin, Wasser und Brot den ganzen Tag anste-
hen muss. Weil also vieles nach ihm noch
schlimmer wurde als unter ihm.
Robert Mugabe ist tot, aber Simbabwe
wird lange brauchen, um sich von ihm zu
erholen.

„Nicht die Briten, nicht die Opposition, nur Gott kann mich zurückrufen“: Robert Mugabe, hier 2004 in Caracas. FOTO:EDUARDO MORALES / EPA-EFE / SHUTTERSTOCK

Der Anfang vom Ende war, als
er seine gierige Frau zu seiner
Nachfolgerin machen wollte

DEFGH Nr. 207, Samstag/Sonntag, 7./8. September 2019 DIE SEITE DREI 3


Der einsame Tyrann


Wenige beherrschten das Herrschen so wie er, wenige waren so besessen von der Macht.
Robert Mugabe hat Simbabwe erst befreit, dann jahrzehntelang unterdrückt. Zum Tod eines Unbelehrbaren

von bernd dörries und arne perras


Milliarden sind verschwunden.
Der vielleicht größte Klau in der
afrikanischen Geschichte

Er wusste nicht, wie man
ein Gewehr hält, aber er wusste,
wie man andere kaltstellt

Der Hass auf die Weißen war


sein ideologisches Werkzeug,


um an der Macht zu bleiben

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