Süddeutsche Zeitung - 07.09.2019 - 08.09.2019

(Rick Simeone) #1
von jürgen schmieder

New York–„Er stürzte herab wie ein Feu-
ervogel, er war ein Brandstifter mit seinen
Schlägen. Die rothaarige Rakete aus Aus-
tralien kam aus dem Hinterland von
Queensland, um die Tenniswelt als Ama-
teur zu erobern – und dann als Profi. Sein
großartiger linker Arm produzierte so-
wohl heftigen Drall als auch gewitzte Vol-
leys.“ Mit diesen poetischen Worten wird
Rod Laver auf seiner Plakette im Court of
Champions auf der Tennisanlage in Flush-
ing Meadows beschrieben.
Vor 50 Jahren gewann Laver als erster
Profi alle vier Grand-Slam-Turniere in ei-
nem Jahr (1962 war ihm das schon einmal
als Amateur geglückt). Am Jahrestag wird
heuer das Männerfinale ausgetragen.
1969 war Laver mit 106 000 Dollar Jahres-
preisgeld der Erste mit sechsstelligen Ein-
künften, der Australier erinnert sich aber
lieber an eine Anekdote nach dem Finale
vor 3708 Zuschauern: „Ich hatte gerade
16 000 Dollar gewonnen, hatte aber nicht
einmal ein Zehn-Cent-Stück dabei, um
meine schwangere Frau anzurufen. Ich
musste mir das von einem Reporter bor-
gen.“
Vor 30 Jahren gewannen Steffi Graf und
Boris Becker. Vor 20 Jahren siegte Serena
Williams erstmals. Sie haben ein Gespür
für Drama in New York, ohnehin sind die
US Open mittlerweile mehr Show als sport-
licher Wettkampf. Eine Plakette bekom-
men nur Legenden, die ihre Karrieren be-
reits beendet haben – was zur Frage führt,
was einmal über jene geschrieben stehen
wird, die das Turnier in diesem Jahr ge-
prägt haben. Ein paar Beobachtungen.



„Prinz mit malaysischen Wurzeln, sein
Ballgefühl wird nur vom Ego übertroffen.
Tollkühn und tollwütig, verfolgt von der
Angst, bei Anstrengung erfahren zu müs-
sen, doch nicht ganz so talentiert zu sein,
wie er selbst glaubt.“ Das wäre nach derzei-
tigem Stand die Plakette für Nick Kyrgios,
das Problem: Sie hinge nicht im Court of
Champions, sondern im Keller der früh Ge-
scheiterten. Kyrgios ist bei den US Open
noch nie über die dritte Runde hinausge-
kommen, dennoch reden alle über ihn.


Über seine mögliche Suspendierung we-
gen Bepöbelns und Bespuckens des Refe-
rees beim Turnier in Cincinnati äußerte
sich Kyrgios so sarkastisch, als brauche
ihn das Tennis dringender als er diese
Sportart: „Ich bin ein ziemlich langweili-
ger Typ, ich tue ja nichts für diesen Sport.“
Landsmann Laver sagt: „Ich weiß nicht, ob
es ihm um Aufmerksamkeit geht. Was ihm
fehlt: Disziplin. Er steht seinem eigenen
Talent im Weg.“ Boris Becker sagt: „Ich
kann ihn erst dann ernst nehmen, wenn er
bei großen Turnieren das Halbfinale er-
reicht.“ Bis dahin bleibt Kyrgios im Tennis-
Wanderzirkus ein Pausenclown und Hof-
narr.



John McEnroe, der große Pöbler, Proll
und Plusterer dieses Sports, hat vor 40 Jah-
ren in New York gesiegt, die Hommage auf
der Plakette: „Er kombinierte eine samte-
ne Spielweise mit dem Gemüt eines explo-
siven Hochofens.“ In dem Spielfilm „Borg/
McEnroe“ gibt es eine Szene, in der Björn
Borg, der fünfmal in Wimbledon gewann,
aber nie in New York, einen Tobsuchtsan-
fall seines Rivalen beobachtet. „Er wirkt
unkonzentriert“, sagt seine Freundin Ma-
riana. Borg entgegnet: „Es ist genau an-
dersrum.“ McEnroe serviert direkt danach
ein Ass, Borg nickt, er weiß: Der braucht
das, um erfolgreich zu sein.
McEnroe, inzwischen wortgewaltiger
und selbsternannter Aufseher dieser
Sportart, hat kein Verständnis für Kyrgios.
Das Verhalten mag ähnlich wirken, die
Gründe dafür indes könnten unterschiedli-
cher kaum sein. „Seine Angst zu versagen,
ist derart groß, dass er lieber nicht hart ge-
nug trainiert, um niemals in diese Position
zu kommen, verletzlich zu sein.“



Die Inschrift für Steffi Graf: „Souverän
und einschüchternd, mit einer Vorhand,
die Gegnerinnen in die Knie zwang.“ Sie ist
nicht anwesend, Ehemann Andre Agassi
(„Kühn und dreist, größer als das Leben
selbst“) auch nicht. Agassi ist Berater von
Grigor Dimitrov und schickt ihn alleine
nach New York, damit der mal ein biss-
chen was über sich lernt. Mit Erfolg: Dimit-
rov besiegt im Viertelfinale erstmals Ro-
ger Federer. Der Bulgare sagt, und damit
hebt er sich ab von all jenen, die sich
Niederlagen schönreden und sich bei Sie-
gen auf ein Podest stellen, dass er darüber
mindestens so überrascht sei wie alle ande-
ren.
Ob Graf die US Open von ihrem Haus in
Las Vegas aus betrachtet und sich beim An-
blick von Cori „Coco“ Gauff an ihre eige-
nen Anfänge erinnert? Man wird es wohl
nicht erfahren, Graf hat keine Lust auf die-
sen Zirkus, den sie im Profitennis derzeit
veranstalten. In New York herrschtCoco-
mania, die Veranstalter vermarkten jede
Nuance der 15 Jahre alten Spielerin. Sie
muss auf den großen Plätzen zur besten
Sendezeit antreten und danach noch auf


dem Platz unter Tränen zu den Fans spre-
chen.
Gauff trägt ein Kleid, bedruckt mit Bil-
dern öffentlicher Tennisplätze in New
York City – so etwas lieben die New Yorker.
Federer, der hin und wieder auf so einem
Platz trainiert, fordert eine Regelände-
rung, weil die Anzahl der Turniere für
Gauff aus Altersgründen begrenzt ist: Der
Druck sei zu groß, wenn sie nur große Tur-
niere spiele. Es gibt keinen Zusammen-
hang zu dem Umstand, dass Gauff von Fe-
derers Agentur Team Eight vermarktet
wird – sagt Federer. In diesem Jahr dürfte
Gauff 1,5 Millionen Dollar verdienen.
Es ist noch nicht klar, ob Gauff mal in
den Court of Champions aufgenommen

oder eher in der Galerie mit Tracy Austin,
Andrea Jaeger, Jennifer Capriati und Mar-
tina Hingis zu finden sein wird, den Siege-
rinnen, die früh ausbrannten.


Ein paar kapitalistische Zahlen: Die Sie-
ger im Einzel bekommen ein Preisgeld von
jeweils 3,85 Millionen Dollar. Der Gewin-
ner des gleichzeitig stattfindenden Chal-
lenger-Turniers in New Haven erhält
21600 Dollar. Dominik Koepfer sagt die
Teilnahme dort ab, der Qualifikant er-
reicht das Achtelfinale der Open und er-
hält 280000 Dollar. Er wird nun nicht in
Cary oder Columbus antreten (Gesamt-
preisgeld je 54160 Dollar), sondern bei Tur-

nieren in den chinesischen Metropolen
Zhuhai (eine Million), Peking (3,66 Millio-
nen) und Shanghai (8,32 Millionen). Koep-
fer (Karrierepreisgeld vor den US Open:
332 732 Dollar) wird zur Symbolfigur der
Debatte, ob die Preisgelder im Tennis un-
gerecht verteilt sind. Federer (Karriere-
preisgeld: 126 Millionen Dollar) sagt: „Die
Schere hat sich zu weit geöffnet.“
Andy Murray, Sieger von drei Grand-
Slam-Turnieren (Karrierepreisgeld: 61,2
Millionen Dollar), scheidet bei den Rafa Na-
dal Open auf Mallorca im Achtelfinale aus.
Preisgeld: 730 Euro. Karrierepreisgeld von
Sieger Emil Ruusuvuori: 56478 Dollar. Es
wird bei den US Open mehr für die Teilnah-
me ausgezahlt (58 000 Dollar).


Die Frage, woher all das Geld kommt,
lässt sich nicht nur mit den Getränkeprei-
sen begründen (ein Liter Bier, liebe Okto-
berfest-Nörgler, kostet bei den US Open
30 Dollar), sondern auch so: Tennis mag in
keinem Land die Top-Sportart sein – aber
es liegt überall weit vorne; bei Frauen und
Männern kommen die ersten 25 Spieler
der Welt aus 18 verschiedenen Ländern.


Serena Williams verzeichnet beim 6:3,
6:1 im Halbfinale ihren 101. Sieg bei den US
Open, sie kann an diesem Samstag (22 Uhr
MEZ) ihren 24. Grand-Slam-Titel gewin-
nen, so viele hat nur Margaret Court ge-
schafft. Die Hommage wird sich vermut-
lich aus Zitaten von Williams über Wil-
liams zusammensetzen: „Kleines Mäd-
chen aus Compton mit einem Schläger
und einem Traum, tennisspielende Mami,
die außerhalb des Platzes eine Inspiration
wie Muhammad Ali gewesen ist.“
Gegnerin von Williams im Frauenfina-
le: Bianca Andreescu, 19, die nicht einmal
geboren war, als Williams 1999 erstmals
triumphierte. Die Inschrift auf der Plaket-
te der Kanadierin dürfte eine Liste aller
Gründe für medizinische Auszeiten sein.

Debatten in diesem Jahr: wie lange die
Spieler auf der Toilette benötigen, wie häu-
fig sie Schuhe und Schläger wechseln, wie
oft sie das medizinische Personal rufen. Ist
jemandem mal aufgefallen, dass fast aus-
schließlich der Akteur aufs Klo geht, der
gerade zurückliegt?

Alexander Zverev gibt den Elder States-
man der jungen Spieler, er kritisiert vor al-
lem Stefanos Tsitsipas („Er macht viel, um
den Gegner rauszubringen“), Frances Tia-
foe („Ich weiß gar nicht, was man so lange
auf einer Toilette machen kann“) und Dani-
il Medwedew („Was er hier gemacht hat,
verstehe ich nicht so ganz“). Er sagt: „So
ein Image möchte ich nicht haben. Ich bin
auch emotional, aber bei mir geht es im-
mer gegen mich.“ Einen Tag später knallt
Zverev, der mal einen Schiedsrichter einen
„verdammten Vollidioten“ genannt hat,
bei der Partie gegen Diego Schwartzman
erst einen Ball in Richtung Tribüne, da-
nach brüllt er: „Fuck you!“ Zverev blickt da-
bei in Richtung Gegner und eigener Box.
Sich selbst dürfte er damit also nicht ge-
meint haben.

Medwedew legt sich mit dem New Yor-
ker Publikum an, das Geniale daran: Er ver-
wendet dabei die gleichen Floskeln wie vie-
le andere Spieler bei den obligatorischen
Interviews auf dem Platz. Kleines Experi-
ment: Man möge sich bei Medwedews Wor-
ten vorstellen, Federer oder Gauff würden
sie sprechen. „Zuallererst möchte ich mich
bei euch allen bedanken, eure Energie hat
mich heute zum Sieg geführt. Wenn ihr
nicht hier gewesen wärt, Leute, dann hätte
ich wohl verloren, weil ich so müde war.
Ich will deshalb, dass ihr, wenn ihr heute
ins Bett geht, daran denkt, dass ich nur we-
gen euch gewonnen habe.“
Nick Kyrgios stellt bei Twitter ein neues
Titelbild ein: den Stinkefinger, den Medwe-
dew dem Publikum beim Match gegen Feli-
ciano Lopez gezeigt hat.

Novak Djokovic wird vom New Yorker
Publikum ausgepfiffen. Sein Vergehen: Er
gibt die Partie gegen Stan Wawrinka we-
gen einer Schulterverletzung auf.

Der Theorie von Becker zufolge muss
man Medwedew ernst nehmen, er erreicht
das Halbfinale, und nach dem Sieg gegen
Stan Wawrinka sagt er zum Publikum:
„Ich war ein Idiot, deshalb: Sorry und vie-
len Dank! Ich versuche nur, ich selbst zu
sein. Ich habe das verdient, ich werde mich
bessern.“ Was macht das Publikum? Es ap-
plaudiert. Auf der Plakette von Medwedew
müsste dereinst stehen: „Lümmel aus Mos-
kau, der einzige Sportler der Geschichte,
der das New Yorker Sportpublikum so-
wohl verkohlt als auch begeistert hat.“


Es sind andere Zeiten, das weiß auch
der inzwischen 81 Jahre alte Rod Laver,
der stets bestens gelaunt über die Anlage
in New York läuft. Wer ihn erlebt, der be-
merkt sofort, dass er Nadal (mutmaßliche
Inschrift: „Spanischer Stadtneurotiker,
kombiniert letalen Topspin mit den meis-
ten Nase-Hose-Haar-Berührungen“) und
Federer („Virtuose, Maestro, Gentleman;
ließ das Schwere leicht aussehen“) ganz be-
sonders mag und mit dem Gedöns der jun-
gen Spieler nichts anfangen kann.
Ob das die Gründe sind, warum Laver
als Amateur und Profi jeweils den Grand
Slam gewonnen hat und so mancher Hoch-
begabte heutzutage noch kein Halbfinale
erreicht hat bei diesen Turnieren, lässt
sich nicht zweifelsfrei klären. Laver sagt je-
doch: „Ich bin in meinem Leben nie wäh-
rend einer Partie auf die Toilette gegan-
gen, und das Schlimmste, was ich jemals
zu einem Schiedsrichter gesagt habe:
,Sind Sie sich da wirklich sicher?‘“

Tischtennisprofis benötigen einen mikro-
skopischen Blick. Am Aufdruck des flie-
genden Balls erkennen sie die Rotation,
und in den Augen ihres Kontrahenten de-
chiffrieren sie dessen Gemütszustand.
Als Patrick Franziska neulich gegen den
Chinesen Xu Xin gespielt hat, schlug er
dem derzeit besten Spieler der Welt man-
chen Ball um die Ohren. „Als ich gesehen
habe, dass Xu Xin die Augen rollt, ging
meine Brust noch weiter raus“, erinnert
er sich. Franziska wurde immer stärker
und hatte sogar Matchball – doch er ver-
lor in sieben Sätzen. Sein Gewinn war die
Erkenntnis, mit den besten Chinesen mit-
halten zu können. Auch dieses Gefühl hat
aus ihm die Nummer 15 der Weltrangliste
gemacht. Seine noch besser platzierten
Kollegen im Nationalteam, Timo Boll, die
Nummer sieben der Welt, und Dimitrij
Ovtcharov (Nummer 12) müssen sich lang-
sam Sorgen machen.
Franziska, 27, stammt aus Bensheim
in Südhessen und tritt für Saarbrücken in
der Bundesliga an. Seit zehn Jahren spielt
er im Schatten von Ovtcharov, 30, und
Boll, 38. Doch langsam holt er auf. Zuletzt
besiegte er die Top-Ten-Chinesen Fan
Zhendong und Liang Jinkun sowie den
schwedischen WM-Zweiten Mattias
Falck. Das ist auch deshalb spannend,
weil bei den Olympischen Sommerspie-
len in Tokio nur zwei Deutsche im Einzel
antreten dürfen. „Wir haben im Moment
drei Topspieler“, sagt Bundestrainer Jörg
Roßkopf: „Da kann sich auch ein Timo
Boll nicht ausruhen.“
Natürlich gibt es bei Olympia auch ei-
nen Teamwettbewerb. Boll plus Ovtch-
arov plus Franziska – das ergibt ein Trio,
vor dem selbst die Chinesen größten Re-
spekt haben. In dieser Woche spielen die
drei Deutschen bei der Mannschafts-EM
in Nantes, es gibt kaum einen Zweifel dar-
an, dass sie am Sonntag Europameister
werden können. Der Blick geht vielmehr
schon Richtung Tokio. Zwei Mal Bronze
(2012 und 2016) und eine Silbermedaille
(2008) hat das deutsche Männerteam zu-
letzt bei Olympia gewonnen. Und 2020?
Noch nie haben deutsche Tischtennis-
spieler so oft Chinesen besiegt wie in den
vergangenen drei Jahren. Franziska er-
zählt: „Als ich gegen Fan Zhendong einen
0:2-Satzrückstand ausgeglichen und
noch gewonnen habe, da habe ich zum
ersten Mal hundertprozentig daran ge-
glaubt; dieses Gefühl kannte ich vorher
nicht.“ Damit ist er endgültig auf Bolls
und Ovtcharovs Niveau angekommen.
„Im Moment sehe ich alle drei auf dem
selben Level“, sagt Roßkopf: „Timo ist ei-
nen Tick sicherer in seinen Ergebnissen,
Patrick ist einen Tick gefährlicher und Di-
mitrij ist nach seiner Verletzung wieder
sehr stabil.“ Für Franziska, den Junioren-
Europameister von 2010, war die wich-
tigste Entwicklung zuletzt die mentale.

„Im Tischtennis brauchst du sehr viel
Selbstvertrauen“, sagt er, „weil dieser
Sport selbst für uns Spieler manchmal
schwer zu verstehen ist.“ Er muss grin-
sen, wenn er das sagt, es klingt ja seltsam.
Er meint damit die bisweilen unergründli-
chen Vorgänge im Kopf, die darüber ent-
scheiden, ob man ein Spitzenspieler wird


  • oder nur fast. „Es geht alles so schnell,
    wenn du da nicht in jeder Millisekunde
    mit dem Kopf voll da bist, dann triffst du
    den Ball zu spät und dann ist es gegen die
    Besten schon vorbei.“
    Seinen Durchbruch in die Weltspitze
    macht Franziska ausgerechnet daran fest,
    dass er vor drei Jahren den Serienmeister
    Borussia Düsseldorf und damit auch das
    Tischtennis-Leistungszentrum Düssel-
    dorf verlassen hat. Dort herrschen opti-
    male Bedingungen, aber Franziska hatte
    das Gefühl, seinen eigenen Weg gehen zu
    müssen. „Ich musste mal raus – in die
    weite Welt.“ Nach Saarbrücken? Wieder
    grinst er. „Ich musste meinen Weg gehen,
    eigene Entscheidungen treffen.“ Das hilft
    auch im Sport. „Wenn es 9:9 steht, muss
    ich am Tisch auch selbst entscheiden, wie
    ich an den Ball gehe.“ Beim Tischtennis
    gewinnt man allein, und man verliert al-
    lein. Insofern kann das Spiel eine Meta-
    pher für das Leben sein.
    Seit eineinhalb Jahren arbeitet Franzis-
    ka mit dem Mentalcoach Christian Zepp
    zusammen. Oft geht es in ihren Gesprä-
    chen nicht um Tischtennis, eher um
    Grundsätzliches. Profitiert hat er davon
    aber spielerisch. Franziska ist 1,90 Meter
    groß, doch im Kopf war ihm diese Größe
    lange nicht bewusst. Mittlerweile setzt er
    sie gezielt ein. „Dann geht die Brust raus
    und der Kopf nach vorne, ich will Selbst-
    vertrauen ausstrahlen, und das geht bes-
    ser, wenn man ein bisschen Masse hat.“
    Das zeigt langsam Wirkung – sogar in
    den eigenen Reihen im Kampf um die
    Olympiaplätze. „Jetzt, da wir Patricks
    Atem im Nacken spüren“, sagt Ovtcharov,
    „trainiert man öfter mal lieber noch ‘ne
    Stunde länger.“ ulrich hartmann


Patrick Franziska
FOTO: REMY GROS / DPA

Große und kleine Protagonis-
tender Open-Geschichte:
Rod Laver schaffte 1969 als
bisher letzter Spieler den
Grand Slam. Serena Williams,
die 1999 erstmals gewann
(rechts), steht 20 Jahre später
wieder im Finale. Cori Gauff
wird mit 15 ins Rampenlicht
gedrängt. Und Rod Lavers
Landsmann Nick Kyrgios
(unten) gibt den Pausenclown
und Hofnarren.
FOTOS: UIG / IMAGO,
CLIVE BRUNSKILL/GETTY, MARK SANDTEN /
GETTY, ADAM HUNGER / AP

Boris Becker sagt:
„Ich kann Nick Kyrgios
erst dann ernst nehmen,
wenn er bei großen Turnieren
das Halbfinale erreicht.“

Daniil Medwedew ist vielleicht
der erste Sportler, der das
oft ungehobelte New Yorker
Publikum sowohl verkohlt
als auch begeistert hat

Mit Klasse


undMasse


Die deutsche Hackordnung im
Tischtennis wandelt sich

Auf dem Jahrmarkt


von New York


Die US Open im Wandel: Debatten über Prämien,


die Zahl der Schuhwechsel und eine neue Generation,


die für Etikette nicht viel übrig hat.


Nirgendwo zeigt sich besser, dass Tennis


heute mehr Show als Wettkampf ist


DEFGH Nr. 207, Samstag/Sonntag, 7./8. September 2019 HMG SPORT 41

Free download pdf