Süddeutsche Zeitung - 07.09.2019 - 08.09.2019

(Rick Simeone) #1

Christian Schmidt ist so etwas wie


derUrururenkel der Goldgräber im


Wilden Westen. Auch er träumt vom


großen Schatz. Auch er sucht nach


Gold in der Erde. Allerdings lebt der


38-Jährige in Frankfurt und nicht in


Amerika. Und er gräbt nicht auf gut


Glück den Boden um, wie damals die


Goldgräber. Er macht das mit einem


Gerät, das ein bisschen wie ein


Staubsauger aussieht. Doch unten


ist statt einer Saug-


bürste eine Art Tel-


ler montiert, den


man Spule nennt,


und durch den


Strom fließt. Bis zu


50 Zentimeter tief


kann so eine Sonde Metallisches auf-


spüren: einen Kronkorken etwa,


einen rostigen Nagel oder aber einen


Goldring.


Wenn sie piept, dann beginnt der

Findefuchs, wie Christian Schmidt


sich selbst nennt, zu graben. Manch-


mal mit den bloßen Händen, manch-


mal auch mit einer kleinen Schaufel.


Sein Leben lang hat er schon gerne


gesucht: an Ostern Süßigkeiten im
Busch, an der Ostsee Bernstein. „Ich
bin da immer mit gesenktem Blick
über den Strand gegangen“, erinnert
er sich. „Schon damals haben die
Leute oft den Kopf geschüttelt.“ Heu-
te ist das noch schlimmer. „Als Son-
dengänger wird man schon komisch
angeschaut.“ In seinem Beruf arbei-
tet Christian Schmidt mit Compu-
tern, testet Software. Das Sondeln,
wie es auch heißt,
ist nur Hobby. „Das
beste Hobby der
Welt“, sagt er: Man
ist an der frischen
Luft und findet tol-
le Sachen.
Am liebsten sucht Christian
Schmidt auf Spielplätzen, weil da
die Kinder und ihre Eltern relativ
viel verlieren und alles schnell im
Sand verschwindet: Geld, Ringe
oder Matchbox-Autos. Die Kinder
schaukeln, und schon fällt das Spiel-
zeugauto aus der Hosentasche, die
Eltern graben im Sand, und schon
ist der Ring weg. Außerdem ist hier

das Suchen nicht verboten. „Wenn
mich jemand verwundert fragt, was
ich da mache, sage ich, dass doch
nicht nur meine zwei Söhne hier spie-
len dürfen, sondern auch der Papa.“
Damit das Sondengepiepe am
Spielplatz niemanden nervt, trägt
Christian Schmidt Kopfhörer. „Mei-
ne Sonde spielt eine richtige Tonlei-
ter – je dumpfer sie piept, desto klei-
ner ist der Gegenstand, den ich ge-
funden habe. Je hö-
her, umso größer.“
Oft ist das ein-
fach Müll, was er
findet. Manchmal
scharfe oder spitze
Sachen, aufgerisse-
ne Dosen etwa oder Nägel. Da freuen
sich Eltern, dass Schmidt das aus
dem Sandkasten buddelt. „So etwas
ist ja auch gefährlich beim Spielen.“
Christian Schmidt sucht nicht,
um reich zu werden. Er will den ande-
ren Menschen helfen. Am liebsten
will er ihnen ihre geliebten Sachen
zurückgeben. So wie vor Kurzem:
„Auf einem Zettel am Spielplatz las

ich, dass eine Frau ihren Ehering aus
Gold vermisst. Der Ring war sehr teu-
er, 700 Euro.“ Also hat der Finde-
fuchs losgelegt, hat den Kopfhörer
übergezogen, die Sonde in Anschlag
gebracht. „Ich habe gerade mal zwei
Stunden gebraucht. Mensch, war die
Frau glücklich.“
Auf findefuchs-frankfurt.de
kann man Christian Schmidt an-
schreiben. Wenn er Zeit hat, hilft er
suchen. Manchmal
fährt er für eine
Schatzsuche sogar
in eine andere
Stadt.
Vor Kurzem hat
er zehn Reichspfen-
nig aus dem Jahr 1929 gefunden, 90
Jahre alt! Sein größter Traum ist es,
einen echten Wikingerschatz zu fin-
den. Er würde ihn natürlich abge-
ben. Ihm würde es genügen, im Mu-
seum als Finder genannt zu werden.
Die Chancen dafür stehen aber
schlecht. Denn der Findefuchs sucht
ja fast nur auf Spielplätzen. Und die
gab es zu Wikingerzeiten noch nicht.

Überlegen
Meist ist es Quatsch, gleich das Blumenbeet umzugraben. Auch
wenn man zuvor was umgetopft oder Schnittlauch geschnitten
hat und einem danach der fehlende Ring auffällt. Liegt er nicht
vielleicht am Waschbeckenrand oder auf dem Terrassentisch?
Suchen
Natürlich ist Suchen gut, am besten dort, wo das verlorene Ding
tatsächlich sein könnte: mit Ruhe die Oberfläche genau an-
schauen, mit den Händen sachte durch den Sand streichen oder
das Gras beiseitedrücken. Wurde etwas im Wasser verloren, ist
es besonders schwer, sich die Stelle zu merken. Vielleicht kann
eine Freundin oder ein Freund gleich ein Foto machen?
Helfenlassen
Das Plakat „Ring verloren“ sollte die letzte Option sein. Leider
gibt es zu viele unehrliche Finder. Sich lieber von Freundinnen
oder Freunden helfen lassen. Wenn jemand mit Sonde sucht,
müssen – jenseits eines Spielplatzes – zuvor meist Suchgeneh-
migungen besorgt werden.

Bei dem


piept’s wohl


Am liebsten sucht


Christian Schmidt auf Spielplätzen:


nach wertvollen Ringen,


alten Münzen – und Matchbox-Autos


von kathrin schwarze-reiter

Mit einer Sonde sollte jeder mal unterwegs gewesen sein, fin-
det Christian Schmidt: „Kinder sind immer total begeistert,
wenn sie etwas finden.“ Die beste Jahreszeit ist der Sommer und
der Herbst. Metalldetektoren kann man sich in jeder größeren
Stadt ab 15 Euro pro Tag ausleihen.

Wunschmotiv suchen
Wuselige Bilder sind gut. Wenn einem an der
Bushaltestelle oder im Wartezimmer langwei-
lig ist, kann man sich dazu verrückte Geschich-
ten ausdenken. Für ein neues Lieblings-Shirt
braucht es also als Erstes ein tolles Motiv. Am
besten etwas, was einem schon immer gut ge-
fallen hat. In der Bibliothek kann man nach
Ideen schauen. Viele Bücher haben vorne tolle
Bilder drauf. Ich habe das Cover von meinem
Lieblingsbuch genommen: Ein Drache, der
durch den Weltraum fliegt.

Aufs T-Shirt bringen
Dann braucht man einen Stift, der nicht die
gleiche Farbe hat wie das T-Shirt, und ein
transparentes Papier. Damit habe ich meinen

Drachen abgepaust. Die Ränder nachzeichnen
und wichtige Linien vom Innenleben reicht.
Dann soll die Farbe auf das T-Shirt. Dazu das
Papier umdrehen und auf den Stoff legen.
Dann mit dem Bügeleisen drüberfahren, so-
dass die Farbe auf das T-Shirt geht. Aber nicht
zu sehr am Papier wackeln. Ansonsten ver-
schmiert das Motiv.

Mit Nadel und Faden fix machen
Dann nimmt man Nadel und Faden und sticht
die Linien des Bildes nach. Die Farbe vom Fa-
den sollte anders sein als die vom T-Shirt.
Dann kommt das Motiv am besten raus. Und
Tadaaa – das Lieblings-Shirt ist fertig. Jetzt
darf man nur nicht zu viel Tomatensoße drauf-
kleckern. protokoll: aline spantig

Bei Kenia denken die meisten Menschen an
Elefanten, Nashörner und Löwen, an Safari
und Ostafrika. Der Ministerpräsident von
Sachsen, Michael Kretschmer, denkt zur Zeit
auch viel an Kenia. Für ihn heißt das vor allem:
eine Reise mit der Partei Die Grünen. Bislang
hat seine Partei CDU das Land Sachsen zusam-
men mit der SPD regiert. Die beiden Parteien
haben aber bei der Wahl am vergangenen
Sonntag kräftig Stimmen verloren, so dass sie
jetzt die Grünen brauchen, um eine Mehrheit
zu bilden. Schwarz-Rot-Grün, das sind die Far-
ben dieser drei Parteien. Es sind auch die Far-
ben der kenianischen Flagge, weshalb man die
geplante Regierung eine Kenia-Koalition
nennt. Theoretisch könnte Kretschmer auch
die AfD in die Regierung holen, die hat die

zweitmeisten Stimmen bekommen. Das will
er aber nicht, weil Teile der AfD rassistisch
und rechtsextrem sind. Auch mit den Linken
kann er sich kein Bündnis vorstellen. Und so
bleibt nur Kenia. Eine Kenia-Koalition hätte
auch im Nachbarland Brandenburg eine knap-
pe Mehrheit. Dort hat SPD-Ministerpräsident
Dietmar Woidke bislang in einer Koalition mit
den Linken regiert, die nun keine Mehrheit
mehr hat. Ob Kenia klappt, ist noch unklar,
weil die CDU zerstritten ist. Sonst könnte Woid-
ke zum Beispiel ein Bündnis mit Grünen und
Linken versuchen, also Rot-Grün-Rot. Einen
Namen hat diese Koalition noch nicht. Wie wä-
re es mit Transnistrien-Koalition? Die Flagge
passt: rot-grün-rot gestreift. Der Haken: Das
Land gibt es offiziell noch gar nicht. nvh

Klamotten aufhübschen


Das T-Shirt ist irgendwie oll? Mit ein paar
Handgriffen wird daraus ein Lieblingsteil

„Das beste Hobby
derWelt“, sagt
Christian Schmidt,
hier mit seiner
Sonde auf einem
Spielplatz.

Den Auftrag hat sich Schmidt vom Laternenpfahl
gezupft. Das Fundstück hat er persönlich wieder an den
Finger gesteckt. Mit Finderlohn kauft er neue Batterien
für die Sonde oder Schoner für seine Knie.

Wiederfinde-Plan


Kindertipp


Die kenianische Flagge (oben) ist einfach. Aber welche ist blau-rot-schwarz-rot-grün gestreift?
SachsensSpitzenpolitiker*innen von AfD, Die Linke, CDU, SPD und Die Grünen zwischen Journalisten.

Foto: dpa

Selber Schatzsucher werden


Beute von anderthalb Stunden. Die metalllose Plastikfigur ist ein Sichtfund.

Doppelte Suche: Den Talisman hat Schmidt auf einem Spiel-
platz gefunden, seine Besitzerin anschließend über ein On-
line-Nachbarschaftsportal. Ausgegrabene Matchbox-Autos
säubert Schmidt und stellt sie auf die nächste Parkbank.

Fotos: privat (3), Bernd Roselieb (1)

Manchmal gräbt er mit
Händen, manchmal mit
einer kleinen Schaufel

Foto: privat

Aktuell Farbwahl


Bei den Landtagswahlen in Sachsen


undBrandenburg hat die Af D fast


jede vierte Stimme bekommen.


Weil aber niemand mit der Partei


regieren will, schmieden die Politiker


jetzt Dreierbündnisse mit Namen,


die nach Urlaub klingen


Sein größter Traum ist es,
einenechten
Wikingerschatz zu finden

Von Tobias, 10
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