Süddeutsche Zeitung - 07.09.2019 - 08.09.2019

(Rick Simeone) #1
von thomas balbierer

D


ie Geschichte der zweiten
deutschen Parlamentsdemo-
kratie beginnt vor 70 Jahren
mit einer Brüskierung. Am
Vormittag des 7. September
1949 treffen sich die Ministerpräsidenten
der jungen Bundesrepublik in Bonn, um
dem Bundesrat feierlich Leben einzuhau-
chen. Die Politiker sind festlich gekleidet,
ein Kölner Orchester spielt eine Ouvertüre
von Bach. Mit der Harmonie ist es jedoch
vorbei, als die Landeschefs den nordrhein-
westfälischen Ministerpräsidenten Karl
Arnold zum Bundesratspräsidenten er-
nennen. Bayern enthält sich als einziges
Bundesland seiner Stimme. Ministerpräsi-
dent Hans Ehard fühlt sich übergangen.
In einer Erklärung, die dieSüddeutsche
Zeitungam Tag darauf abdruckt, beklagt
er die „Konzentration von Einfluß und
Macht“ zugunsten Nordrhein-Westfa-
lens. Arnold wirft er einen „diktatorisch er-
hobenen Anspruch“ auf das Amt vor.
Ehard hätte sich gerne selbst an der Spitze
des Bundesrates gesehen.
Der Vorfall belastet die neue Fraktions-
gemeinschaft aus CDU und CSU. Konrad
Adenauer, der die bayerischen Stimmen
braucht, um sich wenige Tage später zum
Kanzler wählen zu lassen, gesteht den
Bayern in seiner Regierung drei wichtige
Ministerien zu. Für die CSU gerät die

politische Niederlage zum taktischen
Triumph.
Harmonisch geht es im Bundestag
nicht zu, der sich am Nachmittag des 7.
September 1949 konstituiert. Bereits im
Wahlkampf hat der SPD-Vorsitzende Kurt
Schumacher seinen Kontrahenten Ade-

nauer „Lügenauer“ genannt; der wieder-
um hat den Sozialdemokraten vorgewor-
fen, antichristlich zu sein. Im neuen Bun-
destag setzen sich die Feindseligkeiten
fort. Ende November wird Schumacher
als erster Abgeordneter überhaupt für 20
Tage aus dem Bundestag ausgeschlossen.
Er hatte Adenauer als „Bundeskanzler der
Alliierten“ bezeichnet.

Explosiv ist auch die Zusammenset-
zung des neuen Parlaments. Neben Kon-
servativen, Liberalen und Sozialdemokra-
ten sitzen auch Kommunisten und frühe-
re NSDAP-Mitglieder im Bonner Bundes-
haus. Am 10. März 1950 kommt es zwi-
schen dem früheren DP-Abgeordneten
Wolfgang Hedler und mehreren Sozialde-
mokraten zu einer Prügelei. Hedler hat
1949 in einer Rede gesagt: „Ob das Mittel,
die Juden zu vergasen, das gegebene gewe-
sen ist, darüber kann man geteilter Mei-
nung sein. Vielleicht hätte es auch andere
Wege gegeben, sich ihrer zu entledigen.“
Er wird daraufhin aus der Deutschen Par-
tei – immerhin Teil der Adenauer-Regie-
rung – ausgeschlossen, seine Immunität
aufgehoben. Als er ein Jahr später trotz-
dem an einer Bundestagssitzung teilneh-
men will, schreiten die SPD-Männer, un-
ter ihnen Altkommunist Herbert Wehner,
handgreiflich ein, wobei Hedler durch ei-
ne Glastür fällt, eine Treppe hinabstürzt
und sich eine Platzwunde über dem rech-
ten Auge zuzieht.
„Die ersten Jahre der neuen Demokra-
tie sind sehr rüpelhaft gewesen“, sagt der
Potsdamer Historiker Dominik Geppert,
er ist Vorsitzender der Kommission für Ge-
schichte des Parlamentarismus. Es habe
ein rauer Ton geherrscht, Diffamierungen
seien an der Tagesordnung gewesen – Hin-
terlassenschaften der ersten deutschen
Demokratie, sagt Geppert. „Die Wahl von

1949 war gewissermaßen die letzte Wei-
marer Wahl.“ Am Ende der Legislatur
steht eine denkwürdige Bilanz: 156 Ord-
nungsrufe, 40 Wortentziehungen und
17 Sitzungsausschlüsse gab es laut Statis-
tik zwischen 1949 und 1953. So viel Kra-
wall war nie wieder. Geppert sagt, der Bun-
destag habe erst einen „Zivilisierungspro-
zess“ durchlaufen müssen. Die Entwick-
lung der Volksparteien CDU und SPD so-
wie die Einführung der Fünf-Prozent-Hür-
de haben diesen Prozess befördert.
Dass sich die Volksvertreter der ersten
Stunde nicht nur mit Streit und Flegeleien
beschäftigen, zeigt eine andere Zahl: In
insgesamt 282 Plenarsitzungen arbeiten
sie daran, der neuen Republik eine innere
Ordnung und wirtschaftliche sowie sozia-
le Stabilität zu verleihen – bis heute Re-
kord. Es gibt kaum sitzungsfreie Wochen,
545 Gesetze werden in den ersten vier Jah-
ren verabschiedet. In den Fraktionen und
Ausschüssen etabliert sich, was heute als
„Arbeitsparlament“ bekannt ist.
Am Sonntag, passend zum Jubiläum,
lädt der Bundestag zum Tag der offenen
Tür. Heute mag das Parlament unspekta-
kulär erscheinen. Aber die „gähnende Lan-
geweile“ sorge für positive Ergebnisse,
sagt der Passauer Politikwissenschaftler
Heinrich Oberreuter. Erst mit der AfD sei-
en seit 2017 „Polemiken wieder ins Parla-
ment eingezogen, die man höchstens aus
der Frühzeit des Bundestags kannte“.

Peking –DieKrise in Hongkong hat auch
den Besuch von Bundeskanzlerin Angela
Merkel in China überschattet. Zu groß ist
die Sorge in Europa, dass Peking harsch
auf die Proteste in der einstigen britischen
Kronkolonie reagieren könnte. Und zu
groß sind die Befürchtungen vieler deut-
scher Unternehmen, dass Chinas zuneh-
mend harter Zugriff auf die Sonderwirt-
schaftszone die eigenen Geschäfte in Süd-
ostasien dauerhaft schwächen könnte. Bei
einem gemeinsamen Auftritt mit Minister-
präsident Li Keqiang mahnte Merkel des-
halb eine friedliche Lösung der seit Mona-
ten angespannten Situation an.
Die Kanzlerin betonte, dass das Grund-
satzabkommen zur Übergabe der ehemali-
gen britischen Kronkolonie nach wie vor
gelte und unbedingt eingehalten werden
müsse. Den Bürgern Hongkongs müssten
alle entsprechenden „Rechte und Freihei-
ten“ gewährt werden. Außerdem müsse
alles getan werden, um Gewalt zu vermei-
den. Merkel zeigte sich vorsichtig optimis-
tisch, dass die jüngste Entscheidung der
Hongkonger Verwaltungschefin Carrie
Lam, das umstrittene Auslieferungsde-
kret zurückzuziehen, die Chance auf einen
neuen Dialog bieten könnte.


Ob Li das genauso sieht, blieb unklar. Er
vermied eine Antwort auf die Frage, ob er
Gewalt zur Lösung der Krise ausschließen
könne, und erweckte zunächst sogar den
Eindruck, als wolle er sich gar nicht zu
dem Thema äußern. Dann aber sagte er,
die Zentralregierung in Peking unterstüt-
ze die Führung in Hongkong bei dem Ver-
such, „Chaos und Unordnung“ zu been-
den. Das werde selbstverständlich „auf
Grundlage der Gesetze“ passieren. Außer-


dem gebe es Bemühungen, „die langfristi-
ge Stabilität und den Wohlstand in Hong-
kong“ zu erhalten. „Glauben Sie mir: Chi-
na hat die Weisheit, seine Probleme zu
lösen“, sagte Li.
Die Zeiten waren schon günstiger für
die Beziehungen zwischen China und
Deutschland. In beiden Ländern wachsen
die Sorgen vor einer wirtschaftlichen Ein-
trübung und die Furcht, dass der Handels-
streit zwischen den USA und China die La-
ge weiter verschlechtern könnte. Für bei-
de Länder wäre ein Ausbau des Handels, ei-
ne weitere Öffnung der Märkte und eine
stärkere Zusammenarbeit in globalen Fra-
gen also geboten. Doch dies wird durch die
Krise in Hongkong erschwert.
Aus der deutschen Wirtschaftsdelegati-
on, die Merkel begleitet, ist zu hören, dass
Chinas Glaubwürdigkeit als verlässlicher
Vertragspartner bei einem harten Vorge-

hen in Hongkong in Gefahr sei. Und das
ausgerechnet in einer Zeit, in der immer
mehr deutsche und europäische Firmen
im Zuge der Digitalisierung über engste
Kooperationen nachdenken. Ein Mittel-
ständler, der in China engagiert ist, warn-
te, man müsse sich nur einmal ausmalen,
was passieren würde, sollte sich der Kon-
flikt zwischen den USA und China weiter
verschärfen. „Stellen Sie sich vor, wir stün-
den in so einer Situation irgendwann vor
der Frage, ob wir uns für amerikanische
oder chinesische Partner entscheiden.
Dann wären Zweifel an der Zuverlässigkeit
eine Katastrophe“, sagte er.
Der Konflikt in Hongkong ist indes
nicht die einzige Belastung: Viele Unter-
nehmen befürchten, dass Chinas „Social
Credit System“, also das mit einer fast
lückenlosen digitalen Überwachung ver-
bundene System der sozialen Kontrolle,

alsbald auch die ausländischen Mitarbei-
ter vieler Unternehmen treffen könnte.
Dies könnte nicht zuletzt in Hongkong da-
zu führen, dass viele gute Mitarbeiter ab-
wandern.
Und dann, auch das wurde am ersten
Tag von Merkels Besuch deutlich, hat sich
der Konflikt um faire Zugänge für Inves-
toren zuletzt nicht abgeschwächt, sondern
zugespitzt. Das chinesische Engagement
in Deutschland hat in jüngerer Zeit
deutlich abgenommen. Insbesondere die
chinesische Seite rief die Bundesregie-
rung dazu auf, die Investitionsbedingun-
gen in Deutschland zu verbessern. Merkel
hielt dem entgegen, dass der deutsche
Markt sehr offen sei für Investoren; einzi-
ge Ausnahme seien Investitionen in die kri-
tische Infrastruktur; hier seien die Regeln
zuletzt bewusst verschärft worden.
Trotz dieser Konflikte lobten beide Sei-
ten die Partnerschaft. Li nannte sie eine
„besonders wichtige in komplizierten und
unsicheren Zeiten“. Merkel sagte, es sei in
der Vergangenheit immer wieder gelun-
gen, Probleme zu lösen, „wenn wir sie ge-
meinsam und zielgerichtet angehen“. Li
hob hervor, dass Merkel bereits zum zwölf-
ten Mal in China sei. Das zeige das große
gegenseitige Interesse und belege, dass
sie „herzlich willkommen ist in Peking“.
Als Beleg dafür hatten sich die Gastgeber
bei der Begrüßung mit militärischen Eh-
ren für Stühle entschieden, falls Merkel
einen neuerlichen Zitteranfall erleiden
sollte. Am Rande des Besuchs gab es meh-
rere Vertragsunterzeichnungen, mit de-
nen unter anderem Siemens, die Allianz
und der Müllentsorger Alba ihr Engage-
ment in China ausbauen. stefan braun

München–Der Besuch des Bürgermeis-
ters der iranischen Hauptstadt Teheran
in Berlin und dessen Empfang durch
den Regierenden Bürgermeister Michael
Müller (SPD) hat scharfe Proteste der
USA und Israels sowie der Opposition in
der Hauptstadt ausgelöst. Pirous Hana-
chi stehe in Verbindung mit den Revoluti-
onsgarden und sollte „auf den Sanktions-
listen der EU und der USA“ stehen, sagte
US-Botschafter Richard Grenell. Israels
Botschafter Jeremy Issacharoff zeigte
sich „bestürzt“, dass Hanachi in Berlin
willkommen geheißen werde, obwohl
Iran „eine destabilisierende und feindse-
lige Politik gegenüber Israel und ver-
schiedenen arabischen Staaten in der
Region verfolgt, den Holocaust leugnet
und das Atomabkommen verletzt“. Die
Senatskanzlei verteidigte die Begeg-
nung. Das Treffen im Rathaus sei „nach
Einholen eines positiven Votums beim
Auswärtigen Amt“ zustande gekommen,
erklärte Senatssprecherin Claudia Sün-
der. Müller werde das Existenzrecht des
Staates Israel unterstreichen. Hanachi
war im November 2018 von Stadtrat
gewählt worden und gilt als ein den
Reformern nahestehender Technokrat.
Seine Bestätigung durch das Innenminis-
terium war zunächst durch die Geheim-
dienste blockiert worden. Laut der irani-
schen Nachrichtenagentur Isna gehörte
er früher den Revolutionsgarden an.
Teheran ist wie Berlin Mitglied im Städ-
tenetzwerk Metropolis, dem Müller als
Präsident vorsteht. pkr


Tel Aviv –Der plötzliche Rückzug des US-
Nahostbeauftragten Jason Greenblatt
noch vor der Präsentation des vielfach an-
gekündigten Friedensplans ist in Israel
als böse Überraschung wahrgenommen
worden. Mit dem Abschied Greenblatts
verliert Israel einen treuen Verbündeten.
Premierminister Benjamin Netanjahu be-
dankte sich bei Greenblatt dafür, „nie ge-
zögert zu haben, die Wahrheit über Israel
auszusprechen gegenüber jenen, die es
diffamieren wollen“.
Für die PLO-Vertreterin Hanan Aschra-
wi war Greenblatt dagegen „ein Verteidi-
ger der extrem rechten Hardliner-Politik
der israelischen Regierung und jemand,
der seine ideologischen rechten Ansich-
ten hochgehalten hat“. Greenblatt hatte
auch persönlich den palästinensischen
Präsidenten Mahmud Abbas und Vertre-
ter der Autonomiebehörde angegriffen,

die Verhandlungen über den Friedens-
plan ablehnten. Aus Ramallah kam bis
Freitagnachmittag offiziell keine Reakti-
on zu Greenblatts Rückzug. US-Präsi-
dent Donald Trump bezeichnete ihn als
„loyalen und großartigen Freund“. Sein
Einsatz für Israel und Frieden im Nahen
Osten werde unvergessen bleiben. Green-
blatt schrieb auf Twitter, die Arbeit in der
Regierung sei ihm eine große Ehre gewe-
sen.
Die Gründe, warum Greenblatt plötz-
lich geht, wurden nicht bekannt gegeben.
Es hieß nur, dass er mehr Zeit mit seiner
Familie verbringen möchte und künftig
in der Privatwirtschaft arbeitet. Green-
blatt hat seit Trumps Amtsübernahme ge-
meinsam mit dessen Schwiegersohn Ja-
red Kushner am Nahost-Friedensplan ge-
arbeitet. Greenblatts Nachfolger soll
Kushners Assistent Avi Berkowitz wer-
den. Der 30-Jährige hat vor drei Jahren
sein Jurastudium beendet und arbeitete
2016 bei Trumps Präsidentschaftskampa-
gne als Daten-Analyst mit.
Die israelische ZeitungJerusalem Post
stellte die Frage, die in Israel und den pa-
lästinensischen Gebieten alle beschäf-
tigt: Wird nach dem plötzlichen Rückzug
Greenblatts der schon so oft angekündig-
te Nahost-Friedensplan überhaupt je-
mals präsentiert? Trump hatte die Vor-
stellung der Vorschläge, mit denen er den
„Deal des Jahrhunderts“ erreichen will,
mehrfach verschoben. Am Rande des
G7-Gipfels in Frankreich hatte er zuletzt
in Aussicht gestellt, dass der Plan womög-
lich noch vor der israelischen Parlaments-
wahl am 17. September präsentiert wer-
den könnte. Dies hatte Spekulationen aus-
gelöst, dass Trump damit Netanjahu im
Wahlkampf unterstützen wolle. Am 28.
August hatte Greenblatt dann in einem
Tweet klargestellt: Die US-Regierung ha-
be „entschieden, die Friedensvision (oder
Teile davon) nicht vor den israelischen
Wahlen zu veröffentlichen“.
Im Rahmen eines „Workshops“ in Bah-
rain hatte die US-Regierung im Juni den
Palästinensern Milliardenhilfen in Aus-
sicht gestellt. Der politische Teil sollte
später veröffentlicht werden. Weder
Greenblatt noch Kushner hatten sich öf-
fentlich für einen eigenen palästinensi-
schen Staat ausgesprochen.
alexandra föderl-schmid

Bei denLandtagswahlen in Branden-
burg und Sachsenam Sonntag, 1. Septem-
ber, gewinnt dieAfDstark hinzu. In Sach-
sen kommt die Partei auf ein Rekordergeb-
nis von 27,5 Prozent der Zweitstimmen, in
Brandenburg auf 23,5 Prozent. Die Regie-
rungsparteien CDU und SPD verlieren in
beiden Bundesländern im Vergleich zu
den Wahlen vor fünf Jahren. DieSozialde-
mokratenkommen in Brandenburg auf
26,2 Prozent und bleiben dort stärkste Par-
tei. DieCDUerreicht in Sachsen 32,1 Pro-
zent, bleibt dort ebenfalls stärkste Partei.
Doch weder Rot-Rot in Potsdam noch
Schwarz-Rot in Dresden bekommen genü-
gend Sitze, um ihre jeweiligen Koalitionen
fortzusetzen. DieGrünengewinnen in bei-
den Ländern dazu, in Sachsen stimmten
8,6, in Brandenburg 10,8 Prozent der Wäh-
ler für die Partei. DieLinkefährt heftige
Verluste ein, kommt in Brandenburg auf
10,7 und in Sachsen auf 10,4 Prozent. Den
Brandenburger Vereinigten Bürgerbewe-
gungen/Freien Wählern gelingt mit 5,
Prozent der Einzug ins Potsdamer Parla-
ment. Die FDP verpasst bei beiden Wah-
len den Einzug in den Landtag.
Am Mittwoch, 4. September, stimmt
das britische Unterhaus für ein Gesetz,
das einenEU-Austritt ohne Abkommen
verhindern sollund die Regierung dazu
verpflichtet,eine Verschiebung des Aus-
trittsterminsbei der EU zu beantragen,
falls kein Deal erreicht werden sollte. Das
Gesetz bindet Premierminister Boris John-
son damit die Hände in den Verhandlun-
gen, ein harter Brexit ist abgelehnt. John-
son beantragt zudem vorgezogene Neu-
wahlen, womit er ebenfalls scheitert.
Auch21 moderate Tory-Abgeordnetevo-
tieren dabei gegen die eigene Regierung,
der Premier lässt sie aus der Fraktionaus-
schließen.
Die Mitglieder der italienischenFünf-
Sterne-Bewegung stimmen einerRegie-
rungsbildung mit dem sozialdemokrati-
schen Partito Democratico (PD) zu, teilt
der bisherige Vizepremier Luigi Di Maio

am Dienstag, 3. September, in Rom mit.
Die bisherige Regierung aus Fünf Sterne
und rechter Lega-Partei war aufgrund
eines Streits im August zerbrochen.
Hongkong zieht den Entwurf für das
umstrittene Auslieferungsgesetz nach
Chinazurück, teilt Regierungschefin Car-
rie Lam am Mittwoch, 4. September, mit.
Damit erfüllt sie eine Forderung der De-
monstranten. In den Tagen zuvor war es
in Hongkong immer wieder zu schweren
Krawallen gekommen.
Die Bundesregierung beschließt am
Mittwoch, 4. September, dasUnkrautgift
Glyphosatvon Ende 2023 an zu verbie-
ten. Solche Pflanzenschutzmittel bedro-
hen die Artenvielfalt, das Gift steht zudem
im Verdacht, Krebs zu erregen.
DerHurrikanDoriantrifft am Sonn-
tag und Montag, 1. und 2. September, auf
die Inselgruppe der Bahamas und richtet
zum Teil schwere Schäden an.
Argentinien gibt am Sonntag, 1. Sep-
tember,Einschränkungen des Devisen-
handelsbekannt, um die schwere Wirt-
schaftskrise zu bekämpfen. Privatperso-
nen können pro Monat nur Pesos bis zu ei-
ner Grenze von 10000 Dollar umtauschen.
Das Kandidatenduo Simone Lange und
Alexander Ahrens zieht seineBewerbung
für den SPD-Vorsitzzurück. Das verkün-
den die Flensburger Oberbürgermeiste-
rin und der OB von Bautzen auf der ersten
SPD-Regionalkonferenz am Mittwoch,


  1. September, in Saarbrücken.
    Robert Mugabe, langjähriger Präsi-
    dent von Simbabwe, stirbt im Alter von
    95 Jahren, wie am Freitag, 6. September,
    bekannt wird. Mugabe regierte das süd-
    afrikanische Land von 1987 bis 2017 mit
    harter Hand. Unter seiner autokratischen
    Herrschaft stürzte Simbabwe ins wirt-
    schaftliche Chaos.
    Der FotografPeter Lindberghstirbt
    am Dienstag, 3. September, im Alter von
    74 Jahren. Lindbergh gilt als einer der ein-
    flussreichsten Modefotografen der letz-
    ten 40 Jahre. mgi


In 282 Plenarsitzungen
werden in den
ersten vier Jahren
545 Gesetze verabschiedet

Berlin – Das Verteidigungsministerium
will den Militärgeheimdienst MAD für
die Abwehr von Extremisten stärken. Im
Herbst werde dazu mit Burkhard Even,
bisher Leiter der Spionageabwehr beim
Bundesamt für Verfassungsschutz, ein
ziviler, zweiter Vizepräsident beim Mili-
tärischen Abschirmdienst eingesetzt,
berichtete die ZeitschriftSpiegelam
Freitag. Nach Informationen der Nach-
richtenagenturdpasollen als Teil einer
Strukturreform auch mehrere hundert
neue Stellen geschaffen werden. Damit
reagiert das Ministerium auch auf Kri-
tik, das Vorgehen gegen Rechtsextremis-
mus in den Reihen der Streitkräfte sei
nicht ausreichend energisch. Even soll
mit einer eigenen Abteilung für die Ex-
tremismusabwehr zuständig sein. dpa


Wiesbaden– Die Jugendämter in
Deutschland haben 2018 bei etwa
50 400 Kindern und Jugendlichen eine
Gefährdung des Kindeswohls festge-
stellt – das waren zehn Prozent mehr
Fälle als im Vorjahr. Dies ist der höchste
Anstieg, aber auch der höchste Stand an
Kindeswohlgefährdungen seit Einfüh-
rung der Statistik im Jahr 2012, wie das
Statistische Bundesamt in Wiesbaden
am Freitag berichtete. Eine Kindeswohl-
gefährdung liegt vor, wenn „eine erhebli-
che Schädigung des körperlichen, geisti-
gen oder seelischen Wohls eines Kindes
unmittelbar droht oder eingetreten ist“.
Jugendämter müssen dem Verdacht
nachgehen und versuchen, die Gefahr
abzuwenden. 60 Prozent der Kindes-
wohlgefährdungen sind laut Bundesamt
auf Vernachlässigung zurückzuführen.
In 31 Prozent der Fälle gab es Anzeichen
für psychische Misshandlung, bei 5 Pro-
zent Hinweise auf sexuelle Gewalt. dpa


Merkel setzt sich für Hongkong ein


Beiihrem Besuch in Peking mahnt die Kanzlerin Chinas Premier, der Metropole „Rechte und Freiheiten“ zu gewähren


Hören Sie zu diesem Thema
auch den Podcast.
 sz.de/nachrichtenpodcast

Friedensplan


in der Schwebe


Der US-Nahostbeauftragte
geht – und lässt Fragen offen

Greenblatts Nachfolger soll
Avi Berkowitz werden

DEFGH Nr. 207, Samstag/Sonntag, 7./8. September 2019 HF3 POLITIK 7


Streit um Besuch aus Iran


Arbeitsparlament

Bund baut Geheimdienst um


Kindeswohl in Gefahr


INLAND


Flegeleien und Gesetze


Am7. September vor 70 Jahren konstituiert sich der Deutsche Bundestag. Die ersten Jahre der zweiten
deutschen Parlamentsdemokratie waren rüpelhaft – aber auch unerreicht produktiv

Vor der Großen Halle des Volkes am Tiananmen-Platz begrüßte Chinas Premier
Li Keqiang Bundeskanzlerin Angela Merkel. FOTO: ROMAN PILIPEY /AFP

„Glauben Sie mir: China hat


dieWeisheit, seine Probleme zu


lösen“, sagte Chinas Premier Li


»Indem wir die Wieder-
gewinnung der deutschen Einheit
als erste unserer Aufgaben vor
uns sehen, versichern wir gleich-
zeitig,dassdiesesDeutschlandein
aufrichtiges, von gutem Willen
erfülltes Glied eines geeinten
Europa sein will.«

»Lassen Sie uns den Bürger-
innen und Bürgern beweisen,
dass unsere Demokratie
hohe Integrationskraft besitzt,
dass wir nicht sprachlos gegen-
über Hetze und Parolen sind,
dass wir Provokationen
Argumente entgegensetzen und
dass wir ernsthaft Lösungen
für die Probleme der
Zukunft finden.«

Von Bonn nach Berlin


Der Bundestag trat am 7. September 1949 erstmals zusammen.
In 70 Jahren hat sich viel verändert.

6,86,

709


1949


Alterspräsident
Paul Löbe (SPD),
7.9.

Alterspräsident
Hermann-Otto Solms (FDP),
24.10.

2019


Sitze4)

402
Sitze1)

AfD
91

CDU/CSU
246


  1. Wahlperiode (1949–53);
    Stand: Januar 1952


40

30

20

10

0
1949 2017

Grüne
67

SPD
152

SPD
131

KPD
15

CDU/CSU
140

FDP
52

DP
17

FU2)
27

Fraktions-
lose 2 /
DRP 6

BHE/DG3)
12
DP = Deutsche Partei, DRP = Nationale Rechte

FDP
80

Linke
69

Abgeordnete in %, 2018
FDP
CDU/CSU
AfD
SPD
Linke
Grüne

44
26
18
15
14
7

Stand: 2018 Nebenverdiener
CDU/CSU
SPD
AfD
FDP
Linke
Grüne

49
64
10
19
37
39

197
89
82
61
32
28

jeweils zu Beginn der Wahlperiode Frauen und Männer
800
600
400
200
0
1949 2017

402

709


Sitze Top 5; Anteil unter den Abgeordneten in %
1949:
Angestellte5)
Beamte
Unternehmer
Forstwirte
Anwälte u. Ä.

28,
22,
8,
8,
6,

2017:
Beamte
Wirtschaft(Angestellte)
Angestellte5)
Anwälte u. Ä.
Wirtschaft(Selbständige)

24,
19,
14,
14,
12,

Berufe



  1. Wahlperiode (seit 2017);
    Stand: Januar 2019


30,930,


männliche
Abgeordnete

1) Bei der Wahl 1949 gab eine Fünf-Prozent-Hürde, die aber nur in den einzelnen Ländern galt. 402 Abgeordnete wurden gewählt. Westberlin entsandte zusätzlich acht Abgeordnete. Im Februar 1952 erhöhte sich die Zahl der Berliner Mandate auf 19; 2) Neubildung FU (Föderalistische Union) =
Zusammenschluss von BP (Bayernpartei) und Z (Zentrumspartei) im Dez. 1951; 3) Neubildung BHE/DG (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten/Deutsche Gemeinschaft) 1950 = Abgeordnete v.a. aus der WAV (Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung); 4) 4 MdB fraktionslos;
5) bei politischen und gesellschaftlichen Organistationen (Parteien, Gewerkschaften etc.)

Frauenanteil
zu Beginn der Wahlperiode
in Prozent

Entschädigung
600 DMMonatliche Diäten10083,47 Euro
100 DMMonatliche Kostenpauschale4418,09 Euro
Sonstige Ansprüche u. a.
30 DM Tagesgeld pro Sitzung,
200 DM oder 25 Pfennig pro km für Kfz-Benutzung

Recht auf freie Benutzung aller Verkehrsmittel
der Deutschen Bahn AG

SZ-Grafik: Mainka; Quellen: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestags 1949-1999; Deutscher Bundestag; Kürschners

WOCHENCHRONIK 31. AUGUST BIS 6. SEPTEMBER

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