Herr Schmid, stimmt das, trauen sich die
Medienanstalten mittlerweile die Regulie-
rung des Internets zu?
Wenn wir die Menschenwürde, Jugend-
und Verbraucherschutz im Internet nicht
aufgeben wollen, müssen wir uns darum
kümmern.
Überheben sich die Aufsichtsbehörden?
Wir hatten schon kleinere Aufgaben,
aber die Frage stellt sich eigentlich nicht.
Unsere Aufgaben regelt der Gesetzgeber,
wir sind Exekutivbehörden.
Wie steht es um die tatsächliche Umset-
zung? Alles im Griff?
Unterschiedlich. Im Bereich der Werbe-
verstöße sind wir auf einem sehr guten
Weg. Die Vorschriften, die ja auch im
Fernsehen gelten, durchzusetzen, ist
nicht so schwierig. Komplizierter ist das
Thema Hassrede.
Woran liegt das?
Das hat zwei Gründe. Zum einen müs-
sen wir hier immer die Balance finden
zwischen der Achtung der Menschen-
würde einerseits und dem Recht auf
freie Meinungsäußerung anderseits.
Zum zweiten müssen wir das Recht
durchsetzen. Dasheißt nicht nur,denIn-
halt zu löschen, sondern auch gegen den
Täter vorzugehen. Nur so versteht der
Einzelne, dass es auch im Netz Grenzen
gibt. Und nur so können wir auch der
Öffentlichkeit ins Bewusstsein bringen,
dass die Freiheit im Netz eben auch
Grenzen braucht, um sich nicht selbst
zu zerstören.
Wir müssen als Gesellschaft uns das
Netz ein bisschen zurückerobern. Wir
müssen sagen, was wir wollen und was
nicht. Und wir müssen das durchsetzen.
Das ist nichts, was wir Unternehmen wie
Facebook überlassen sollten.
Wie gehen Sie vor?
In Nordrhein-Westfalen haben die Lan-
desmedienanstalt, Staatsanwaltschaft,
Landeskriminalamt und Medienhäuser
in den vergangenen Monaten rund 450
Fälle von Hassrede zur Anzeige gebracht.
Bei mehr als der Hälfte davon wurden Er-
mittlungsverfahren eingeleitet. Gemes-
sen an der verbalen Gewalt im Internet
ist das natürlich nur ein Anfang. Aber der
ist gemacht.
Wenn die Medienanstalten so vieles kön-
nen, dann werden sie auch einen passablen
Upload-Filter entwickeln, oder?
Rechtsdurchsetzungwirdsich nichtauto-
matisieren lassen. Außerdem muss unser
Ziel Meinungsvielfalt sein, wo immer es
geht. Upload-Filter sollen aber immer et-
was unsichtbar machen. Das stört mich,
wirmüssen sichtbarmachen, das Zweifel-
hafte, das Zweideutige, das nicht einfach
zu Entscheidende. Wir wollen keine
Upload-Filter für Meinungsäußerung.
Ist dieser Bereich mittlerweile der größte
Aufgabenbereich der Medienanstalten?
Für uns in Nordrhein-Westfalen macht
die Rechtsdurchsetzung unter dem
Motto „Verfolgen statt nur Löschen“ ei-
nen Großteil der Arbeit aus. Auch der
Aufgabenbereich der Desinformation,
sprich die bewusste Verbreitung falscher
Informationen, speziell über die Sozialen
Medien, nimmt stetig an Bedeutung zu.
Woran erkennen Sie Desinformation?
Wir überprüfen, ob journalistische Stan-
dards eingehalten wurden, etwa ob Mei-
nung als Meinung gekennzeichnet und
ob mindestens zwei Quellen abgefragt
wurden. Wir können nicht in jedem Fall
Wahrheit von Unwahrheit unterschei-
den, wir können aber erkennen, ob ein
Angebot,das sich journalistisch-redaktio-
nell generiert, auch journalistische Stan-
dards einhält. Bedauerlicherweise dürfen
wir diese wichtige Aufgabe aktuell aber
nur bei Fernseh- und Radiosendern
durchführen – nicht aber im Netz. Da ist
eine ärgerliche Lücke im Gesetz.
Und die grassierenden Streamingdienste,
gehören die auch zu Ihrem Kontrollregime?
Ja, wenn es um Verstöße gegen Gesetze
wiedemJugendmedienschutz geht.Ama-
zon Prime Video oder Netflix müssen wir
nichtlizensieren, weilsienicht linear aus-
strahlen. Alle Abrufdienste fallen also
aus dieser Pflicht raus.
Ist das logisch? Es geht immer um Inhalte.
Nein, logisch ist das nicht. Aber so steht
es im Gesetz.
Sollen die Länder das im neuen Medien-
staatsvertrag ändern?
Ja.
Wer braucht dann überhaupt noch eine
Sendelizenz? Sieht nach einem Auslaufmo-
dell aus.
Dassehen dieLandesmedienanstaltenge-
nauso. Wir wollen die bisherige Zulas-
sungspflicht für alle in eine qualifizierte
Anzeigepflicht ändern. Aber noch mal:
ObLizenzoder nicht,bei Fragenvon Wer-
bung, Jugendschutz und Vergleichbarem
gelten für alle dieselben Regeln.
Wann bekommt dann Russia Today eine
deutsche Lizenz oder schlicht eine Zulas-
sung für Deutschland?
Russia Today bekäme keine Lizenz, weil
in Deutschland staatlich finanzierte
Rundfunkangebote nicht zulassungsfähig
sind.RT auf Englisch gibtes, weil derSen-
der eine britische Lizenz hat. Und wer
eine Lizenz in einem europäischen Mit-
gliedstaathat, kanndamit europaweitver-
breitet werden.
Die Briten haben kein Problem, wo die
Deutschen eines haben.
Das ist zwischen diesen beiden Ländern
nicht der einzige Unterschied. Wenn RT
den deutschen Markt in deutscher Spra-
che belegen will, würden sich die Fragen
erneut stellen.
Erstaunlich: Die Deutsche Welle ist rein
aus deutschen Steuergeldern finanziert.
Das scheint kein Problem zu sein.
Die Deutsche Welle ist ein Auslandssen-
der, der nicht in Deutschland sendet.
Das klingt nach einer großen Ausrede.
Mag sein, aber so stellt sich die aktuelle
Situationdar. Ich binindieserFrage wahr-
scheinlich die falsche Feldpostnummer.
Es gibt auch andere Beispiele, die frag-
würdig sind. Die Online-Übertragung ei-
nerOpernaufführung,redaktionell gestal-
tet, ist staatlich finanziertes Fernsehen,
das müssten wir eigentlich untersagen.
Oder Parlamentsfernsehen, hierzu sind
wir bereits im Gespräch. Parlamentsfern-
sehen ist dem Grunde nach Rundfunk,
weil journalistisch gestaltet, redaktionell
verantwortet, mehr als 500 potenzielle
Seher, regelmäßig entlang eines Sende-
plans. Die Grenze zwischen Rundfunk
und Öffentlichkeitsarbeit müsste klarer
gezogen werden.
Taugt der geltende Rundfunkbegriff über-
haupt noch etwas?
Nicht umsonst hat der europäische Ge-
setzgeber die Regelungen für klassischen
RundfunkundbestimmteOnline-Dienste
angeglichen.Entscheidendistderaudiovi-
suelle Inhalt und das Ziel von Regulie-
rung, nämlich schützenswerte Dinge zu
schützen. Pornographie ist nicht jugend-
schutzrelevant, weil sie im Fernsehen
oderonlinegezeigtwird,sondernweilsie
Pornographie ist. Perspektivisch ist die
Unterscheidung nach Rundfunk und
Nicht-Rundfunk deshalb anachronis-
tisch.WasaberRundfunkist,dasentschei-
dennicht wir,sondern der Gesetzgeber.
Die Landesmedienanstalten bräuchten in
welchen Fragen mehr Befugnisse?
So viel mehr brauchen wir gar nicht.
Wichtig ist, dass man uns wirksame In-
strumente an die Hand gibt, um gelten-
des Recht auch ohne großen Zeitverzug
durchzusetzen. Insbesondere grenzüber-
schreitende Verfahren sind bislang je-
doch extrem aufwendig. Konkret würden
uns zwei Änderungen helfen: Wir brau-
chen einen Auskunftsanspruch gegen-
über Plattformbetreibern. Außerdem
ganz wichtig: Im Falle von Desinforma-
tion, gerade bei Online-Angeboten, müs-
sen wir intervenieren können. Bei Radio
und Fernsehen dürfen wir das bereits.
Wann wird die Medienanstalt Berlin-Bran-
denburg tagesspiegel.de überprüfen?
Nie. Für den Tagesspiegel ist und bleibt
das Selbstregulierungsorgan, der Deut-
sche Presserat, zuständig. Bei Radio und
Fernsehen machen es die Medienanstal-
ten, bei reinen Online-Angeboten macht
es derzeit niemand.
Welches in Deutschland nutzbare Angebot
sollte dringend kontrolliert werden?
Mir würde Breitbart.com einfallen.
Wirklich ein Problem in Deutschland?
Vermutlich noch nicht aber demokratie-
gefährdende Angebote wie das eben ge-
nannte dürfen auch gar nicht erst zu ei-
nemProblemwerden.Es mussunsals Ge-
sellschaft gelingen, die Meinungsfreiheit
als höchstes Gut zu schützen und solche
Übergriffe abzuwehren.
— Das Interview führte Joachim Huber.
Jan Böhmermann scheint beim SPD-Vor-
sitz am Ball bleiben zu wollen. In der
neuen Ausgabe seiner ZDFneo-Sendung
„NeoMagazinRoyale“sagtederTV-Satiri-
keramDonnerstag:„Ich binnichtganzsi-
cher, ob ich jetzt Mitglied in der SPD bin
odernicht.Das Ganzeist noch einschwe-
bendesVerfahren.Daswirdhoffentlichge-
klärt sein bis Ende des Monats.“ Der
38-Jährigedeutetean,womöglichweiter-
hin den Chefposten anzustreben: „Die Ju-
ristinnen und Juristen vom Team #Neu-
start19hattennatürlichvonvornhereinei-
nen Plan. Wir haben seit Sonntag 18 Uhr
durchgearbeitet, um doch noch einen
Weg zu finden, wie ich legal und just in
time Parteivorsitzender der SPD werden
kann.Ichmöchtenochnichtzuvielverra-
ten.Nursoviel:IchwerdederneuePartei-
vorsitzendeder SPD.“
Böhmermann regte sich in seiner Show
auch scheinbar darüber auf, dass viele
SPD-ObereundMedienseineKandidatur
für den Vorsitz von Deutschlands ältester
Partei als Witz oder Nachtreten auf eine
Organisation am Boden dargestellt hät-
ten.„KaumblubberneinpaarpanischeSo-
zialdemokratenTwittervoll,plapperndie
Medien diese Opfergeschichten sofort
nach.“ Positiv äußerte sich Böhmermann
aberauch:„IchfreumichaberalsMensch,
als Journalist, als Fernsehmoderator, als
vielleichtzukünftigerGenosseundvoral-
len Dingen als Fan der Sozialdemokratie,
dass die Ernsthaftigkeit meiner Kandida-
turalsSPD-ParteivorsitzenderindenMe-
dienausführlicherbesprochenundhinter-
fragt wurde als dievonOlaf Scholz.“
In seiner „Neo Magazin Royale“-Sen-
dung am Donnerstag vergangener Woche
hatte Jan Böhmermann bekannt gegeben,
Bundesvorsitzender der SPD werden zu
wollen. Die Frist für Bewerbungen um
den SPD-Vorsitz ist inzwischen aber seit
Sonntag abgelaufen. Am Montag hatte er
in einem Youtube-Video erklärt, er wolle
trotzdemweiterhinSPD-Mitgliedwerden
und zwar im Ortsverein Köthen in Sach-
sen-Anhalt. dpa/Tsp
Gibt sich nicht geschlagen:ZDFneo-Mode-
rator Jan Böhmermann. Foto: Julia Hüttner/ZDF
Böhmermann:
Ich werde
SPD-Chef
Tobias Schmidist
Direktor der Landesan-
stalt für Medien NRW
und Europabeauftrag-
ter der Medienanstal-
ten.
Foto: Dorothea Näder/Landesanstalt Medien
„Wir dürfen das Internet nicht Facebook überlassen“
Die Landesmedienanstalten gehen gegen Hassrede vor. Interview mit Tobias Schmid über Regulierung, Streaming und Russia Today
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Auch Löschen will gelernt sein.Ob ein Beitrag den Tatbestand einer Hassrede erfüllt oder doch unter Meinungsfreiheit fällt und damit
zur Meinungsvielfalt beiträgt, muss genau geprüft werden. Sonst herrscht das Regime der Willkür. Foto: dpa
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