Focus - 06.09.2019

(singke) #1

POLITIK DEUTSCHLAND


Foto: dpa

40 FOCUS 37/2019


Baschar al-Assad haben. Derzeit ermitteln
Staatsanwaltschaften in Deutschland und
Polen wegen des Verdachts der Terror-
finanzierung gegen ihn, weil er am Flug-
hafen Tegel einem mittlerweile festge-
nommenen Attentäter auf ein ungarisches
Kulturzentrum in der Westukraine Geld
übergeben haben soll. Journalisten, die
über ihn berichteten, drohte der mittler-
weile untergetauchte Deutsche mit einer
Kalaschnikow und setzte eine Belohnung
für Hinweise zu den Reportern aus.


Der AfD-Politiker pflegt engste Kontakte
zu Rechtsextremen


Für Kalbitz und die AfD jedoch dürf-
ten Ochsenreiters hervorragende Russ-
land-Kontakte entscheidend gewesen
sein. Ochsenreiter organisierte in Abstim-
mung mit Kalbitz 2015 eine
Reise der Brandenburger AfD-
Fraktion nach Sankt Peters-
burg. Die Kosten übernahm
damals die Stiftung Sankt Ba-
silius der Große, deren Chef
der Putin-treue Oligarch Kon-
stantin Malofejew ist. Auf
dem Programm stand neben
einem Gespräch mit dem
antiwestlichen Agitator und
Kreml-Hausgelehrten Alex-
ander Dugin auch ein priva-
tes Konzert der ukrainischen
Opernsängerin Alina Yaro-
vaya. AfD-Patriarch Gauland
war von der brünetten Sänge-
rin offenbar so angetan, dass
er sie rund ein Jahr später
bei seinem 75. Geburtstag in
Potsdam auftreten ließ. Auch diesmal soll
Ochsenreiter geholfen haben, was Kalbitz
aber dementiert.
War Kalbitz die Brisanz der Treffen mit
Ochsenreiter bewusst? Zumindest, so
sagen Insider, habe der externe Rechts-
extremist den Landtag über die Tiefgarage
betreten müssen, weil dort die Besucher
nicht registriert werden.
2007 waren die Berührungsängste noch
weit weniger ausgeprägt. Damals fuhr
Kalbitz mit mehreren Neonazis nach
Athen. Die Reise geriet zum Skandal,
weil die Gruppe eine Hakenkreuzfahne
auf einem Hotelbalkon hisste, was örtli-
che Aktivisten zum Wurf eines Brandsat-
zes inspirierte. Die Reise gestand Kalbitz
ein. Seinem Mentor Gauland dürfte die


Sache ziemlich peinlich gewesen sein,
weshalb er sie herunterspielt: „Es gibt
keinen Beleg, dass Herr Kalbitz die Fah-
ne geschwenkt hat.“ Außerdem: „Ich bin
auch schon mit Journalisten in Hotels
gewesen, die deswegen keine Rechts-
populisten wurden.“
Noch viel weiter zurück reicht eine Epi-
sode in Kalbitz’ bewegter Biografie, in der
er selbst „Bezüge“ zum Rechtsextremis-
mus erkennt. Anfang der neunziger Jahre
soll er auf dem Balkan gewesen sein –
damals Kriegsgebiet. Kalbitz, so lautet ein
Gerücht, sei dort an Kampfhandlungen
aufseiten der Kroaten gegen die Serben
beteiligt gewesen. Fakt ist: Zahlreiche
deutsche Neonazis und Rechtsextre-
misten waren damals dort als Söldner
aktiv, unter ihnen auch der NPD-Kader

Alexander Neidlein, der – Zufall oder
nicht – auch 2007 in Athen dabei war.
FOCUS-Recherchen ergaben, dass Kal-
bitz tatsächlich in der Region war. Doch
gekämpft hat er wohl nicht, stattdessen
brachte er für eine multinationale Organi-
sation Verbandsmaterial ins Kriegsgebiet.
Wie weit reicht der Machtanspruch
des umtriebigen Oberfeldwebels außer
Dienst? Will er seinen Ziehvater Gau-
land auch auf Bundesebene beerben?
Dass Kalbitz nur im Osten als wählbar
gilt, weiß er selbst. So sagte er mit Blick
auf die Bundesvorstandswahlen Ende des
Jahres: „Ich habe an einer Kandidatur
kein Interesse, weil es nicht das nötige
integrative Signal an die Westverbände
aussendet.“
Klar ist: Gauland hat keine Lust mehr.
Seine Nachfolge wurde in
Hinterzimmern bereits skiz-
ziert und heißt Tino Chrupalla,
ein Malermeister aus dem
sächsischen Städtchen Weiß-
wasser. Chrupalla wurde im
September 2017 bekannt, weil
er dem heutigen Ministerprä-
sidenten Michael Kretschmer –
damals Vizefraktionschef der
Union im Bundestag – das
Direktmandat abnahm. Er
gilt als eher pragmatischer
AfD-Vertreter. Kritiker werfen
dem Chef des Kreisverbands
Görlitz jedoch vor, zu vielen
Radikalen zu AfD-Mitglied-
schaften verholfen zu haben.
Deshalb will die Alternative
Mitte Chrupalla verhindern.
Am meisten Sorge macht den sich bür-
gerlich Gebenden von der Alternativen
Mitte, dass Chrupalla als Bundesvor-
sitzender von Kalbitz und damit vom
radikalen Flügel gesteuert würde. Dass
der Flügel der Partei glänzende Wahl-
erfolge beschert hat, will Thomas Har-
tung von der Alternativen Mitte in
Sachsen ebenfalls nicht gelten lassen:
„Schauen Sie doch mal genauer hin! Wir
haben keines unserer Wahlziele erreicht.
Wir sind weder stärkste Kraft gewor-
den, außerdem kann auch ohne uns eine
Regierung gebildet werden.“ Woran es
lag? „Die Wähler haben gemerkt, dass
wir Kandidaten aufgestellt haben, deren
politische Fähigkeiten verbesserungs-
würdig sind.“ n

„Wir haben keines unserer Wahlziele erreicht“


Parteifreunde AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, 47, gratulierte
Kalbitz vergangenen Sonntag zum Wahlerfolg in Brandenburg

46 %

29 %

19 %

6 %

wieder an
Stimmen
verlieren

so viel
Stimmen
erreichen
wie jetzt auch

weiter an
Stimmen
gewinnen

weiß nicht/k. A.
Wachsendes Potenzial Die Mehrheit
der Bundesbürger glaubt, dass die AfD künftig
so stark bleibt wie bisher oder sogar noch
zulegen kann

FOCUS-Umfrage:
Was meinen Sie, wird die AfD bei
künftigen Wahlen ...

Quelle: Insa

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