Focus - 06.09.2019

(singke) #1
MITTELSTAND

Bauer führt die Firma in dritter Gene-
ration. Als er 2003 in das Familienunter-
nehmen einstieg, waren Anbieter aus
Osteuropa dabei, den Markt mit Billig-
zollstöcken zu fluten. Um sich abzuheben
und die höheren Preise zu rechtfertigen,
ließ Bauer erste Zollstöcke in Neonfarben
produzieren. Das kam bei Kunden gut an.
Bald folgten auch Angebote für individu-
elle Muster wie Flammen oder Blitze. Der
Zollstock als Pop-Art-Gegenstand.
Doch kann man mit analogen Werk-
zeugen in einer sich immer stärker digi-
talisierenden Welt dauerhaft beste-
hen? Experten wie Franz-Rudolf
Esch, Direktor des Instituts
für Marken- und Kommuni-
kationsforschung, halten den
herkömmlichen Zollstock
für ein Auslaufmodell. „Die
digitalen Messgeräte wer-
den immer günstiger und die
Messung damit präziser und
schneller“, sagt er.
Oft genügt sogar schon das eigene
Handy. Mit der „Maßband“-App des
iPhones geht es besonders einfach. Die
Kamera des Smartphones erfasst zunächst
die Umgebung. Mit zwei Klicks können
dann Start- und Endpunkt fixiert und die
Strecken dazwischen ausgemessen wer-
den. Ein analoger Zollstock? Nicht mehr
notwendig. „Die Digitalisierung wird den
Zollstock über kurz oder lang schlucken.
Dann ist er nur noch etwas für Nostalgi-
ker“, ist Esch überzeugt.
Unternehmer Bauer sieht Apps dage-
gen nicht als Konkurrenz: „Wenn man
ein ganzes Unternehmen ausstatten will
und auf der Baustelle arbeitet, wird man
nicht in solche teuren Alternativen inves-
tieren.“ Denn Smartphones oder digitale
Messgeräte seien viel teurer als seine
Zollstöcke für zwei bis drei Euro.
Dennoch setzt Bauer nicht nur auf
das Zollstockgeschäft. Seine Firma pro-
duziert auch Rollbandmaße, Cuttermes-
ser, Wasserwaagen und Bleistifte. Die
gibt es zum Teil auch schon in bunten
Farben – aber noch nicht mit Vereins-
logos für Fan-Shops. Was nicht ist, kann
ja noch werden. n

JANINA ZILLEKENS

DIE FIRMA Bauer Maßstabfabrik
GRÜNDUNG 1948 in Ottobrunn,
seit 1962 in Laufen a. d. Salzach
UMSATZ 14 Millionen Euro
MITARBEITER ca. 75
KUNDEN Fußballvereine, Handwerker, Obi

Made in


Germany
Der Mittelstand
im FOCUS

SERIE, TEIL 18

Foto: Susi Ma


FOCUS 37/2019 61

Zollstöcke sind langweilig? Nicht die der Bauer Maßstabfabrik.
Die Firma produziert sogar Messgeräte für Fußballfans

Firma Kunterbunt


I


m Fan-Shop des FC Bayern München
ist der Artikel mit der Nummer 20466
nicht nur etwas für Fußballbegeister-
te, sondern auch für Handwerker. Für
5,95 Euro gibt es einen Zollstock, ganz
in Rot mit dem Wappen des Rekordmeisters
auf der einen Seite. Auf der anderen Seite
prangt der Schriftzug des Vereins.
Ein Zollstock für Bayern-Fans. Aus-
gedacht hat sich das Philipp Bauer. Der
41-Jährige ist Geschäftsführer der Bauer

Maßstabfabrik im beschaulichen Lau-
fen an der Salzach, etwa 150 Kilometer
von München entfernt. „Die Idee kam
mir spontan“, sagt Bauer. Seine Über-
legung: Warum sollen Fußballfans nur
Schals, Bettwäsche und Kaffeetassen in
den Farben ihres Lieblingsvereins haben,
nicht aber auch Zollstöcke?
Rund 10 000 Bayern-Zollstöcke verkauft
Bauer im Jahr. Der Unternehmer belie-
fert mittlerweile auch fast alle anderen
18 Bundesliga-Clubs und auch die meis-
ten Vereine der 2. Liga mit klappbaren
Messgeräten in Vereinsfarben.
Die Fußballvereine sind für die Firma
jedoch nur ein kleiner Markt. Zwischen
acht und neun Millionen Zollstöcke fertigt
sie im Jahr, ausschließlich in Deutschland.
Das Unternehmen exportiert seine Ware
nicht nur in andere europäische Länder,
sondern auch nach Afrika und Australien.

Zollstock-König
Philipp Bauer, 41, beliefert
auch Unternehmen in Übersee
mit seinen Produkten
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