Frankfurter Allgemeine Zeitung - 11.09.2019

(ff) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft MITTWOCH, 11. SEPTEMBER 2019·NR. 211·SEITE 15


Die Regierung will Bürokratie


abbauen und dabei die Zettel zur


Krankmeldung abschaffen.Seite 17


Ein neues Gesetz in Kalifornien


bedroht das Geschäft von


Uber und Lyft.Seite 19


Als potentiell krebserregend soll


Titandioxid in bestimmten Formen


gekennzeichnet werden.Seite 22


Digitale Krankschreibung Günstige Fahrer Gefährlicher Weißmacher


Z

wischen seinen Auftritten im hes-
sischen Friedberg und dem rhein-
land-pfälzischen Nieder-Olm hat Olaf
Scholz am Dienstagmorgen tatsäch-
lich den Haushalt 2020 in den Bundes-
tag eingebracht. Immerhin, denn sonst
bekommt man derzeit in Berlin wenig
vom Bundesfinanzminister mit, seit
sich der SPD-Politiker spät entschie-
den hat, doch noch in den Kampf um
den Parteivorsitz einzugreifen. Zu-
nächst hatte er erklärt, sein Amt in der
Bundesregierung erlaube es ihm nicht,
zusätzlich die Partei zu führen. Zusam-
men mit der nunmehr mandatslosen
Landespolitikerin Klara Geywitz aus
Brandenburg muss er sich jetzt in ei-
nem Bewerbermarathon gegen sechs
Konkurrentenpaare und einen Allein-
kämpfer behaupten.
Die Forderung, die große Koalition
baldmöglichst zu verlassen, erhält auf
den SPD-Veranstaltungen regelmäßig
viel Beifall. In dieser Phase muss sich
Scholz schier zerreißen. Es wird berich-
tet, dass der Minister kaum bei der Sa-
che war, als die Haushaltspolitiker der
Koalition vor wenigen Tagen zusam-
mensaßen, um über die weitere Strate-
gie zu beraten. Permanent soll er Kurz-
nachrichten verschickt haben oder aus
dem Saal gelaufen sein, um zu telefo-
nieren. Dass die Bundeskanzlerin je-
des Mal etwas von ihm gewollt hat, ist
unwahrscheinlich.
Dass ein Minister Politik mit Rück-
sicht auf seine Partei macht, ist nicht
ungewöhnlich. Er verdankt ihr nicht
nur seinen Aufstieg, sondern seine Zu-
kunft hängt davon ab, wie viel Rück-
halt er in den eigenen Reihen hat.
Scholz steht noch mehr unter Druck,
als man es sonst kennt, weil er schon
in wenigen Wochen Vizekanzler gewe-
sen sein kann. Das erklärt, warum er
Positionen vertritt, die man von einem
Finanzminister nicht unbedingt erwar-
ten dürfte – selbst von einem sozialde-
mokratischen nicht. Dazu gehören: die
Grundrente ohne Bedürftigkeitsprü-
fung, die Forderung nach einem Wie-
deraufleben der Vermögensteuer und
die grundsätzliche Bereitschaft, den
Bund an der Entschuldung der Kom-
munen zu beteiligen.
Normalerweise achten die für den
Haushalt zuständigen Politiker mit Ar-
gusaugen darauf, dass sie nicht mehr
Ausgabenrisiken eingehen als unbe-
dingt notwendig. Die Vermögensteuer
wiederum ist mit so vielen Fallstricken
verbunden, dass sie nur noch in weni-
gen Ländern erhoben wird, selbst in
den meisten skandinavischen Volkshei-
men hat man sich schon lange von ihr
verabschiedet. Vor der vergangenen
Bundestagswahl soll Scholz selbst da-
für gesorgt haben, dass seine Partei die
Vermögensteuer nicht ins Wahlpro-
gramm geschrieben hat.
Noch bekennt sich Scholz zur
„schwarzen Null“, einem Haushalt
ohne neue Schulden. Doch was pas-
siert, wenn eingeplante Einnahmen
ausfallen, weil die Konjunktur nicht
mehr rund läuft? Im Bundestag kün-
digte der Minister an, mit „vielen, vie-

len Milliarden“ gegenhalten zu wollen,
sollte es notwendig sein. Das sei geleb-
ter Keynesianismus. Das zielte auf die
eigenen Reihen. Auffällig oft erhielt er
nur von der SPD-Fraktion Beifall, wäh-
rend die Abgeordneten von CDU und
CSU keine Hand rührten.
Schon heute wird von allen mögli-
chen Seiten der ohne Kredite ausgegli-
chene Haushalt in Frage gestellt.
Selbst die im Grundgesetz verankerte
Schuldenbremse steht im Feuer. Die ei-
nen verlangen mehr Geld, um das
Land zukunftsfest zu machen. Die an-
deren fragen, was die künftige Genera-
tion von einem ausgeglichenen Haus-
halt hat, wenn die Welt untergeht, weil

der Klimaschutz vernachlässigt wor-
den ist. Grüne Null statt schwarze Null
lautet das Schlagwort.
Investitionen, Forschung, Verteidi-
gung und nun das Klima: Die Forde-
rung, bestimmte Politikbereiche bei
der Vermessung der Neuverschuldung
auszuklammern, weil sie essentiell für
die Zukunft seien, ist nicht neu. Das
Gegenargument lautet: Schulden, die
künftige Generationen belasten, sieht
man nicht an, ob sie für einen guten
oder weniger guten Zweck aufgenom-
men worden sind. Erfahrungsgemäß
werden zudem die mit Hilfe von Kredi-
ten besorgten Mittel nicht nur für lang-
fristig ertragreiche Projekte genutzt.
Wenn mehr Geld da ist, werden neue
Wohltaten über das Land gestreut. Der
Anteil der Sozialausgaben am Bundes-
haushalt ist mit mehr als 50 Prozent so
hoch wie nie – bei wachsender Ten-
denz. Gleichzeitig gibt es reichlich
Geld für Investitionen, das in der Ver-
gangenheit nicht abgeflossen ist und
weiterhin zur Verfügung steht.
Gleichwohl sprechen sich mehr und
mehr Ökonomen dafür aus, die beson-
dere Zeit ohne Zinskosten zu nutzen,
um notwendige Investitionen langfris-
tig gesichert zu finanzieren. Dazu wird
ein eigener Fonds ins Spiel gebracht,
der verhindern soll, dass die zusätzli-
chen Mittel doch wieder nur für Kurz-
fristiges missbraucht werden. Solche
Überlegungen sind bestenfalls poli-
tisch naiv. Selbst wenn man einen Ex-
tra-Etat nur für Investitionen schafft,
ist nicht auszuschließen, dass dann an
anderer Stelle ähnliche Ausgaben ge-
kürzt werden. Hinzu kommt: Das
Haushaltsrecht gilt nicht ohne Grund
als das Königsrecht des Parlaments.
Die Ausgaben von heute sind die Steu-
ern von morgen. Das Arbeiten mit Ne-
benhaushalten, die mit einem Recht
zur Kreditaufnahme ausgestattet wer-
den, wäre gefährlich kurzsichtig. Nicht
nur für den wahlkämpfenden Nebener-
werbsfinanzminister steht derzeit viel
auf dem Spiel.

E


ins muss man Ursula von der Ley-
en lassen: Die neue Präsidentin
der Europäischen Kommission hat
wichtige Geheimnisse ihres Personal-
tableaus gut gehütet. So galt die franzö-
sische Kandidatin Sylvie Goulard als
Favoritin für den Posten der Wettbe-
werbskommissarin, die über zentrale
Spielregeln der Marktwirtschaft zu wa-
chen hat. Das Amt erfordert das Offen-
halten freien Marktzugangs und die
Abwehr von Kartellen selbst dann,
wenn EU-Konzerne sich unter Mithil-
fe nationaler Regierungen zu Champi-
ons zusammentun wollen, angeblich
zum Nutzen der Verbraucher. Frank-
reich und leider zunehmend auch
Deutschland stellen derartige Indus-
triepolitik gern vor Wettbewerb, ob-
wohl solcher Schutz den Wohlstand ge-
fährdet. Da ist es eine sehr positive
Überraschung für Anhänger der Markt-
wirtschaft, dass die standhafte liberale
Dänin Margrethe Vestager Wettbe-
werbskommissarin bleibt. Diese Konti-
nuität lässt hoffen.
Mit Goulard dürfte sie aber man-
chen Strauß ausfechten, die Französin
wird als Kommissarin für Binnen-
markt und Industrie industriepoliti-
sche Wünsche verfolgen. Eine schlech-
te Nachricht kommt dazu: Vestager er-
hält das anspruchsvolle Wettbewerbs-

amt, das ganzer Aufmerksamkeit und
Unabhängigkeit bedarf, nun quasi im
Nebenjob zusätzlich zu einer großen
neuen Aufgabe. Als Vizepräsidentin
von der Leyens soll sie Europas Wirt-
schaft für die digitale Zukunft rüsten.
Damit hat Vestager eine enorme Dop-
pellast zu schultern, das institutionelle
Arrangement birgt überdies Konflikte.
Sie wird aufpassen müssen, dass Be-
schlüsse der Wettbewerbsbehörde
nicht politisiert oder instrumentali-
siert werden für digitale Ziele.
Anlass zur Sorge bietet die Persona-
lie Paolo Gentiloni, jedenfalls allen,
die finanzpolitischer Stabilität in einer
Währungsunion noch Bedeutung bei-
messen. Denn der frühere italienische
Ministerpräsident soll seine „reiche Er-
fahrung“ ausgerechnet in Wirtschaft,
Steuern und Finanzen zum Tragen
bringen. Ihm obliegt die Überwachung
der Defizitgrenzen im Euroraum, mit
deren Einhaltung sich Italien beson-
ders schwertut. In der noch amtieren-
den Juncker-Kommission war zu beob-
achten, was es bedeuten kann, den
Bock zum Gärtner zu machen. Der
Franzose Pierre Moscovici hat die Re-
geln des Stabilitäts- und Wachstums-
paktes weit ausgelegt. Weder sein Hei-
matland noch andere notorische Schul-
denstaaten sahen sich je zu wesentli-
chen Korrekturen genötigt. Als Hüte-
rin der Euro-Regeln war die Juncker-
Kommission ein Totalausfall, von der
Leyens Wahl deutet hier leider auf
eine sehr bedauerliche Kontinuität.

Scholz steckt tief im
innerparteilichen Wahl-
kampf. Wie lange hält die
schwarze Null?

ami.BERLIN, 10. September. Erst in der
vorigen Woche war bekanntgeworden,
dass Krankenhäuser Betten auf Intensiv-
stationen nicht mehr belegen oder ganze
Stationen abmelden, weil sie Vorschriften
für ihre Personalausstattung nicht einhal-
ten können. Jetzt weitet Gesundheitsmi-
nister Jens Spahn (CDU) diese Vorschrif-
ten auf weitere Stationen im Krankenhaus
aus. Von Januar an gibt es Untergrenzen
für Fachpersonal auch in der Herzchirur-
gie, der Neurologie, in der nephrologi-
schen Frührehabilitation und in neurologi-
schen Schlaganfalleinheiten, sogenannten
„Stroke-Units“ – so steht es in einer Ver-
ordnung, die der F.A.Z. vorliegt.
Die Besetzung mit Fachkräften fällt den
Krankenhäusern nicht leicht. Denn der
Markt für Fachpersonal in Krankenhäu-
sern wie Altenheimen ist leer. Zudem ha-
ben die Kliniken in früheren Jahren an
Pflegekräften gespart, um Geld zur Finan-


zierung von Investitionen zu bekommen,
das die Länder – meist pflichtwidrig –
nicht zur Verfügung gestellt haben. Die
Folge für viele Pflegekräfte sind ver-
schlechterte Arbeitsbedingungen und
eine erhöhte Arbeitsintensität, wie die Ge-
werkschaft Verdi seit langem beklagt.
Als Reaktion darauf und auch, um den
Patienten eine ausreichende Versorgung
zu garantieren, hat sich die Koalition dar-
auf geeinigt, Personaluntergrenzen einzu-
führen. Nicht mehr das Krankenhaus soll
festlegen, wie viel Personal auf Stationen
vorgehalten werden muss, sondern am
Ende der Gesetzgeber.
Bisher galten solche Personalvorgaben
nur für Intensivstationen, die Geriatrie,
Kardiologie und Unfallchirurgie. Basis
der Festlegung sind nicht die von wissen-
schaftlichen Gesellschaften ermittelten
Quoten. Als Maßstab gelten jene 75 Pro-
zent der Krankenhäuser, die gemessen
den höchsten Anteil von Pflegern je Pa-
tient haben. Das übrige Viertel der Klini-
ken mit der schlechteren Ausstattung
muss seine Personaldecke dann vergrö-
ßern. Abweichungen nach unten werden
nur ausnahmsweise gestattet, etwa wenn
eine plötzliche Krankheitswelle die Klinik
erfasst. Wer sich nicht an die Vorgaben
hält, muss mit Strafen rechnen.
In vielen Kliniken hat das dazu geführt,
dass sie zeitweise Betten stilllegen. 37 Pro-
zent hatten das in einer Umfrage des Kran-

kenhaus-Instituts für Intensivstationen an-
gegeben. Verdi-Bundesvorstand Sylvia
Bühler verlangt, in letzter Konsequenz
dürfe es kein Tabu sein, „planbare Eingrif-
fe zu verschieben, damit die sichere Ver-
sorgung der schon anwesenden Patientin-
nen und Patienten gewährleistet ist“.
Die Kliniken stünden vor einem Dilem-
ma, sagt Bühler: Einerseits seien Unter-
grenzen wichtig als rote Linie für die Per-
sonalausstattung. Andererseits müsse ver-
hindert werden, dass Personal aus Berei-
chen ohne Untergrenzen in jene mit Unter-
grenzen verschoben werde. Auch das hat
Spahns Verordnung im Blick.
Bis in die vergangene Woche hinein hat-
ten Vertreter der Kliniken und Kassen
über neue Mindestquoten gestritten, dann
platzten die Gespräche im Streit. Jetzt hat
der Gesundheitsminister die „Ersatzvor-
nahme“ aus der Tasche gezogen. Die Zahl
der Klinikbeschäftigten habe mit dem
wachsenden Betreuungsbedarf der Patien-
ten nicht Schritt gehalten, schreibt er.
Ohne Gegenmaßnahmen führe das zu ei-
ner Verschärfung des Mangels, „zu weiter
steigenden Belastungen für die verbliebe-
nen Kräfte und nicht zuletzt zu Nachteilen
für die Betreuung der Patienten“.
Gemessen an den unversöhnlichen
Streitpunkten von Kassen und Kliniken
legt Spahn nun einen Kompromiss vor:
Bei den schon mit Quoten belegten Berei-
chen bleibt alles beim Alten, also auf In-
tensivstationen mit tagsüber einer Fach-

kraft für 2,5 Patienten, nachts einer für 3,
Kranke. Hier wollten die Kassen nur zwei
beziehungsweise nachts drei Patienten je
Pfleger akzeptieren.
Im Gegenzug wischt Spahn in den neu-
en Bereichen wie den Schlaganfall-Zen-
tren Einwände der Kliniken beiseite, sie
müssten womöglich Personal vorhalten,
auch wenn längere Zeit keine Patienten
eingeliefert würden. In den Schlaganfall-
einheiten dürfen ab Januar 2020 tagsüber
nicht mehr als drei (nachts fünf) Patienten
auf eine Fachkraft kommen. In der Herz-
chirurgie lauten die neuen Quoten maxi-
mal sieben Patienten auf eine Fachkraft,
in der Neurologie zehn zu eins.
Der Hauptgeschäftsführer der Kranken-
hausgesellschaft, Georg Baum, lobt zwar
gegenüber der F.A.Z., dass Spahn Rück-
sicht auf die schwierige Lage vieler Klini-
ken nehme, die Versorgung aufrechtzuer-
halten. „Hoch problematisch“ seien aber
die Vorgaben in der Schlaganfallversor-
gung. Dafür gebe es sowieso schon enge
Personalvorgaben. Noch besser fände es
Baum, „die extrem bürokratielastige Pfle-
geuntergrenzen-Steuerung ganz aufzuge-
ben“. Ganz anders die Kassensicht: Die
Verordnung sei ein Kompromiss, auf dem
sich die Selbstverwaltung nicht ausruhen
dürfe. Nur wenn Krankenhäuser auf jeder
Station und in jeder Schicht ausreichendes
und fachkundiges Personal einsetzten, kä-
men sie auch ihrem Auftrag nach, sagte
eine Sprecherin auf Anfrage.

Sozialdemokratische Finanzpolitik


Von Manfred Schäfers

Leyens Kontinuitäten


Von Heike Göbel

tih.FRANKFURT,10. September.Freu-
de und Ärger für Bahnkunden zum Fahr-
planwechsel am 15. Dezember: Für die ei-
nen wird Zugfahren voraussichtlich deut-
lich billiger, für die anderen leicht teurer.
Bahnchef Richard Lutz bestätigte am
Dienstag einen Bericht der F.A.Z. (Ausga-
be vom 5. September), wonach Bahnfah-
rer von der erwarteten Reduzierung des
Mehrwertsteuersatzes auf Bahntickets im
Fernverkehr voll profitieren sollen: „Den
finanziellen Vorteil einer Mehrwertsteuer-
senkung würden wir mit günstigeren Fahr-
preisen eins zu eins an unsere Kunden wei-
tergeben.“ Im Schnitt dürfte dies dazu füh-
ren, dass ICE-Fahrkarten rund 10 Prozent
billiger werden.
Nahverkehrskunden dagegen haben es
weniger gut. Wie der Eisenbahn-Tarifver-
band TBNE ebenfalls am Dienstag mit-
teilte, werden die Bahnverkehrsunterneh-
men im deutschen Nahverkehr ihre Ti-
cketpreise um durchschnittlich rund
1,7 Prozent erhöhen. Zu diesen Unter-
nehmen gehören neben der marktdomi-
nierenden Bahn-Tochtergesellschaft DB
Regio unter anderem die Tochtergesell-
schaften und Beteiligungen von Abellio,
Benex, National Express, Netinera und
der Transdev-Gruppe. Die Preiserhö-
hung betreffe nur knapp ein Fünftel aller
Nahverkehrskunden in Deutschland,
hieß es einschränkend. Rund 80 Prozent
seien davon nicht betroffen, da sie in Ver-
kehrsverbünden unterwegs seien, die
ihre eigenen Tarife hätten.
Begründet wurde die geplante Verteue-
rung vor allem mit gestiegenen Betriebs-
kosten. Sie liege nur leicht über der allge-
meinen Teuerungsrate von zuletzt 1,6 Pro-
zent, jedoch deutlich unter den realen Kos-
tensteigerungen der Bahnanbieter. Die


Preise für Einzeltickets kosten künftig im
Schnitt 1,7 Prozent mehr, Zeitkarten ver-
teuern sich um durchschnittlich 2,0 Pro-
zent. Der Tarifverband äußerte sich auch
zu den Überlegungen der Bundesregie-
rung zur Steuerreduzierung im Personen-
verkehr. So könnte die preisliche Attrakti-
vität des Nahverkehrs gegenüber dem Indi-
vidualverkehr weiter verbessert werden,
hieß es lobend. Falls die Diskussionen zu
einer Steuererleichterung im Nahverkehr
führten, würden die TBNE-Mitglieder die-
se unter Berücksichtigung der Preissyste-
matik an die Fahrgäste weitergeben.
Relevant ist dies den Angaben zufolge
insbesondere für Pendler, die größere Ent-

fernungen zurücklegen müssen. Für Fahr-
ten bis 50 Kilometer gilt schon heute der
ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Pro-
zent. Fahrten über 50 Kilometer sind da-
gegen mit 19 Prozent belegt. Das Klimaka-
binett der Bundesregierung will auf sei-
ner Sitzung am 20. September über mögli-
che Steueränderungen entscheiden.
Unterdessen kündigte die Bahn ein
neues Design für ihre Fernverkehrszüge
an – in engen Grenzen allerdings. Der
markante rote Seitenstreifen soll bald in
Grün strahlen. Nicht überall, nur am ers-
ten und letzten Wagen eines jedes ICE.
Das gaben Bahnchef Lutz und Verkehrs-
staatssekretär Enak Ferlemann in Berlin

bekannt. Ein zusätzliches grünes Stecker-
symbol zeigt nach Angaben des Kon-
zerns, dass alle Fernverkehrszüge mit 100
Prozent Ökostrom unterwegs sind.
Den Grund für die minimale Designre-
volution formulierte Lutz so: „Kein Ver-
kehrsmittel ist so klimafreundlich wie die
Bahn. Als größtes Mobilitätsunterneh-
men in Deutschland ist es unser An-
spruch, beim Klimaschutz voranzugehen.
Mit den grünen ICE setzen wir ein starkes
Zeichen.“ Ferlemann sagte, Deutschland
brauche eine starke Schiene. Wer echten
Klimaschutz wolle, komme an der Bahn
nicht vorbei. „Der grüne ICE ist das richti-
ge Signal zur richtigen Zeit.“
Das neue Außendesign der ICE-Flotte
ist Teil der Unternehmensstrategie
„Deutschland braucht eine starke Schie-
ne“. Sie sieht unter anderem vor, die Fahr-
gastzahlen im Fernverkehr bis zum Jahr
2030 zu verdoppeln. Der Konzern betrach-
tet dies als „wichtigen Beitrag für den Kli-
maschutz“. Die Fahrgastzahlen der DB
steigen seit einigen Jahren. Das 170 Seiten
umfassende „Starke-Schiene“-Papier
zieht einen Schlussstrich unter frühere in-
ternationale Expansionspläne. „Deutsch-
land wird seine Klimaziele nur erreichen,
wenn es im kommenden Jahrzehnt ge-
lingt, massiv Verkehr auf die Schiene zu
verlagern“, argumentiert Lutz. Alles, was
die Bahn tue, solle sich auf die Stärkung
der Eisenbahn in Deutschland ausrich-
ten. Neben der angepeilten kräftigen Er-
höhung der Passagierzahlen ist vorgese-
hen, in neue Mitarbeiter, neue Züge und
die Infrastruktur zu investieren. Die Kapa-
zität des Schienennetzes soll um 30 Pro-
zent steigen – nicht nur durch neue Glei-
se, sondern auch durch Digitaltechnik,
mit der die Züge dichter fahren können.
(Kommentar Seite 22.)

Kliniken drohen neue Personalprobleme


Im Nahverkehr wird die Bahn teurer, im Fernverkehr billiger


Wenn die Mehrwertsteuer auf Zugtickets sinkt, sollen auch die Preise fallen / ICE-Züge bekommen grüne Streifen


Krankenhäuser weisen


Patienten ab, weil sie


weniger Personal haben


als vorgeschrieben. Jetzt


verschärft der Minister


die Regeln noch weiter.


In guten Händen:Eine Krankenschwester betreut einen Patienten auf einer Intensivstation. Foto dpa


Grüner wird’s nicht. Foto dpa
Free download pdf