Frankfurter Allgemeine Zeitung - 11.09.2019

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NR. 211·SEITE 7

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Deutschland und die Welt MITTWOCH, 11. SEPTEMBER 2019


KAPSTADT, im September. Was für ein
Berg! Schneebedeckt thront der Kilimand-
scharo über der Savanne: das Dach Afri-
kas, der größte frei stehende Berg der
Welt. Auf kenianischer Seite grasen Ele-
fanten, in Tansania brechen jeden Tag
Bergwanderer auf, um den fast 6000 Me-
ter hohen Koloss zu besteigen. Etwa
50 000 sind es jedes Jahr, und es werden
immer mehr. Nicht wenige ziehen, wenn
sie wieder im Tal sind, noch weiter nach
Sansibar oder in die Serengeti. Für den
klammen Haushalt des ostafrikanischen
Lands ist das ein Segen.
Allein im vergangenen Jahr stiegen die
Tourismuseinnahmen an dem Berg um
7,13 Prozent. Fast 2,5 Milliarden Dollar lie-
ßen die Gäste aus aller Welt im Land.
Rund 20 000 Bergführer und Träger leben
von diesen Einnahmen. Den Kilimand-
scharo auf eigene Faust zu besteigen ist ver-
boten. Ein Kletterer wird auf seiner Tour
meist von drei Personen begleitet: einem
Koch, einem Sherpa und einem Führer.
Es gibt verschiedene Wege zum Gipfel;
etwa eine Woche ist man unterwegs. Für

die Anstrengung wird der Bergsteiger mit
einem traumhaften Blick über die afrikani-
sche Savanne belohnt. Allerdings sollte er
gut in Form sein. Technisch ist der Berg
keine große Herausforderung – die Höhe
ist das Problem. Nicht wenigen geht ir-
gendwann die Luft aus.
Vielleicht ließe sich die Zahl der Gipfel-
Touristen ja mit einer Seilbahn erhöhen –
das hat sich jüngst Hamisi Kigwangalla ge-
dacht, Tansanias Tourismusminister. Er
hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag ge-
geben. Angeblich sind zwei Unternehmen
aus China und eine weitere Firma aus dem
Westen am Werke. Es wäre schließlich
nicht die erste Seilbahn auf der Welt, ent-
gegnet Kigwangalla seinen Kritikern: „Es
gibt auch Seilbahnen in Schweden, Italien
und im Himalaja.“ Sein Stellvertreter Con-
stantine Kanyasu schätzt, man könnte mit
den Gondeln die Zahl der Besucher um
50 Prozent erhöhen.
Sorgen um die einzigartige Natur hin-
gegen macht sich Tansanias Umweltminis-
ter January Makamba. Ein Großteil des Ki-
limandscharo-Massivs, das aus den drei
Vulkanen Kibo, Shira und Mawenzi be-
steht, befindet sich in einem staatlichen Na-
tionalpark. Es ist eine einzigartige Land-
schaft mit vier verschiedenen Vegetations-
zonen. Während die Region bis zum Park-
eingang auf rund 1800 Metern noch besie-
delt und mit Bananen-, Tee- und Kaffee-
plantagen bebaut ist, folgen weiter auf-
wärts auf wenigen Kilometern tropischer
Bergregenwald, Moorland, Steinwüste und
Eis. Makamba sagt, ob die Seilbahn um-
weltverträglich sei, werde er genau untersu-
chen. Er sagt aber auch: „Welchen Scha-
den soll schon eine Seilbahn anrichten? Je-
des Jahr gehen in Tansania 380 000 Hektar
Waldfläche verloren. Was ist wichtiger?“

Ein Sehnsuchtsort ist der Kilimandscha-
ro schon lange – und auch ein Ort des
Zwists. Am meisten wird seit jeher um
den „Schnee auf dem Kilimandscharo“, so
der Titel einer Kurzgeschichte von Ernest
Hemingway, gestritten. Die Eingeborenen
glaubten früher, dass es sich um Silber und
Gold handele, das da oben schimmerte.
Sie betrachteten den Berg zudem als Be-
gegnungsstätte von Göttern und Geistern.
Bis zur Küste, nach Mombasa, hatte sich
die Kunde von diesem merkwürdigen Rie-
sen irgendwann herumgesprochen. Kili-
ma-Ndjaro, „Weißer Berg“, oder Kilimana
Ngara, „Leuchtender Berg“, sollen die Ein-
heimischen ihn genannt haben.
Als der deutsche Missionar Ludwig
Krapf, der 1846 gemeinsam mit Johannes
Rebmann den Gipfel zum ersten Mal er-
spähte, von der Eiskappe berichtete, hiel-
ten ihn die Experten der Londoner Geo-
graphischen Gesellschaft allerdings für
verrückt. „Ich glaube eher an die Exzentri-
zitäten eines Reisenden als an solche der
Natur“, lästerte der Geograph William
Desborough Cooley. Ewiges Eis auf Äqua-
torhöhe konnte es nach der Meinung der
Gelehrten nicht geben.
Einige Jahre später wusste man mehr.
Dass es sich beim Kilimandscharo tatsäch-
lich um einen „Schneeberg, der den Äqua-
tor verhöhnt“, handelte, konnte 1889 der
Erstbesteiger Hans Meyer aus Thüringen
glaubhaft ausrufen. Als das heutige Tansa-
nia noch deutsche Kolonie war, stand er
mit seinem österreichischen Begleiter Lud-
wig Purtscheller auf dem Gipfel. In seinen
Erinnerungen schreibt der Geograph aus
einer angesehenen Verlegerfamilie („Mey-
ers Konversations-Lexikon“), wie die zwei
„auf dem verwitterten Lavagipfel mit drei-
maligem, von Herrn Purtscheller kräftig
sekundiertem ,Hurra‘ eine kleine, im

Rucksack mitgetragene deutsche Fahne“
hissten und „diese bisher unbekannte, na-
menlose Spitze des Kibo, den höchsten
Punkt afrikanischer und deutscher Erde“
„Kaiser-Wilhelm-Spitze“ tauften.
Mehr als 100 Jahre später, im Oktober
2002, schreckte Lonnie Thompson von
der Ohio-State-Universität die Welt mit
der in der Zeitschrift „Science“ aufgestell-
ten Behauptung auf, im Jahr 2015, spätes-
tens aber 2020, sei der Kilimandscharo eis-
frei. Die Einheimischen waren nicht be-
geistert. Sie bezweifeln nicht, dass die
Gletscher in den vergangenen 100 Jahren
kleiner geworden sind. Seit 2006 aller-
dings stapft regelmäßig der tansanische
Ökologe Imani Kikoti vom Kilimandscha-
ro-Nationalpark durch Schnee und Eis
und liest Daten der Messstationen ab.
„Die Gletscher sind weit davon entfernt
zu verschwinden“, sagt er. Die erfreuliche
Entwicklung könnte damit zusammenhän-
gen, dass seit einigen Jahren am Kiliman-
dscharo konsequenter als andernorts wie-
deraufgeforstet wird und deshalb auch die
Niederschlagsmenge steigt. Schon mit
anekdotischer Evidenz lässt sich Thomp-
sons kühne These widerlegen: Ein Blick
hinauf genügt.
Für den Seilbahnbau wählten die tansa-
nischen Minister und ausländischen Inves-
toren eine der schönsten Gegenden des
Kilimandscharos: die Machame-Route.
1861 schwärmte der hannoversche Baron
Karl Klaus von der Decken über den Blick,
den er vom Dorf Machame aus auf das
Massiv hatte: „Prächtig leuchtete die glän-
zende Kappe seines stolzen Hauptes, bei
Sonnenuntergang mit zartem, rosigen
Licht übergossen.“ Damals war das Reisen
noch beschwerlich und ein Besuch des Kili-
mandscharos noch exklusiv. Bald könnte
er ein Ziel für den Massentourismus sein.

Glänzende Kappe auf stolzem Haupt


Der Kilimandscharo mit


seinem weißen Gipfel


zieht Jahr für Jahr mehr


Touristen an. In Zukunft


könnte sogar eine


Seilbahn auf Afrikas


höchsten Berg führen.


Von Thilo Thielke


FRANKFURT, 10. September. Den größ-
ten Einfluss auf die Schönheitsroutine
von Frauen haben nicht Influencer in den
sozialen Medien, sondern vor allem Müt-
ter sowie Freundinnen und Schwestern.
Dies ergab eine in 27 Ländern vorgenom-
mene Studie des Markt- und Meinungsfor-
schungsinstituts Ipsos, zu der rund 19 000
Personen im Alter von 18 bis 74 Jahren zu
Schönheitsidealen sowie ihren persön-
lichen Körper- und Gesichtspflegerouti-
nen befragt wurden.
49 Prozent, also fast jede zweite der be-
fragten Frauen, gaben an, dass die eigene
Mutter einen starken oder zumindest et-
was Einfluss auf die persönliche Schön-
heitsroutine ausübe. Auch Schwestern
oder andere Familienmitglieder zählen zu
den persönlichen Vorbildern und nehmen
bei 45 Prozent der Befragten Einfluss.
Doch auch außerhalb der Familie werden
Schönheitstipps eingeholt: 48 Prozent der
befragten Personen gaben an, dass Freun-
de die eigenen Schönheitsgewohnheiten
beeinflussen – damit ist ihr Einfluss fast
ebenso groß wie der ihrer Mütter.
Wer wie viel Einfluss nimmt, scheint
mit Blick auf die Studienergebnisse ortsab-
hängig zu sein: In Deutschland gaben
41 Prozent der Frauen an, in Sachen Pfle-
ge und Kosmetik von der eigenen Mutter
beeinflusst zu werden – im internationa-
len Vergleich war es fast jede zweite Frau.
Auch Freundinnen üben laut der Ipsos-Stu-
die in Deutschland weniger Einfluss aus:
33 Prozent der Befragten, also nur jede
dritte Frau, holt sich Beauty-Tipps aus
dem Freundeskreis, international sind es
48 Prozent. Wesentlich unter dem interna-
tionalen Durchschnittswert (45 Prozent)
liegen Schwestern und andere Familienan-
gehörige, die in Deutschland nur von
25 Prozent der befragten Frauen zu Rate

gezogen werden. In puncto Beautytipps
haben auch Zeitschriften wenig Einfluss
auf Frauen in Deutschland: Während mit
22 Prozent nur gut jede fünfte Frau angibt,
auf Ratschläge aus Magazinen zu vertrau-
en, sind es international gesehen 33 Pro-
zent der Studienteilnehmerinnen, die sich
von Schönheitstipps in Printmedien beein-
flussen lassen.
Vergleichsweise wenig Einfluss auf die
Körper- und Gesichtspflege deutscher
Frauen haben auch Online-Videos, Insta-
gram und andere Plattformen im Netz, die
Bildinhalte zu Schönheitsthemen teilen.
Lediglich jede siebte Frau in Deutschland
holt sich über Online-Videos Schönheits-
tipps (international ist es jede dritte
Frau), und bildbasierte Plattformen wie
Instagram liegen mit 14 Prozent der be-
fragten Frauen in Deutschland noch einen
Prozentpunkt darunter (international sind
es 31 Prozent).
Die zwischen dem 19. April und dem


  1. Mai dieses Jahres erhobene Studie be-
    schäftigte sich außerdem mit dem Schön-
    heitsbild in Deutschland. Laut der Umfra-
    ge gelten für 65 Prozent der Befragten in
    Deutschland Frauen vor allem dann als
    schön, wenn sie humorvoll sind. Knapp da-
    hinter liegt mit 64 Prozent Selbstbewusst-
    sein, dicht gefolgt von Intelligenz (63 Pro-
    zent). Wesentlich weniger relevant sind
    körperliche Merkmale und der Status ei-
    ner Frau. Nur 28 Prozent der Befragten
    bringen die Schönheit von Frauen mit ih-
    rem finanziellen Erfolg in Verbindung.
    Auch das Make-up ist nur für 26 Prozent
    ausschlaggebend für die Schönheit einer
    Frau. Weit dahinter steht der religiöse
    Glaube, den laut Umfrageergebnis ledig-
    lich 17 Prozent der befragten in Deutsch-
    land im Zusammenhang mit Schönheit für
    wichtig halten. JOHANNA CHRISTNER


ceh.LOS ANGELES, 10. September.
Mehr als 30 Stunden nach einem Schiffs-
unglück vor der Südostküste der Vereinig-
ten Staaten hat die Küstenwache am Mon-
tagabend die letzten Besatzungsmitglie-
der gerettet. Bei einem aufsehenerregen-
den Einsatz, bei dem Löcher in den
Rumpf gebohrt wurden und ein Hub-
schrauber auf der Seite des gekenterten
Frachters landete, befreiten die Rettungs-
kräfte weitere vier Matrosen. Drei süd-
koreanische Besatzungsmitglieder wur-
den durch die Bohröffnungen aus dem
Schiff gezogen. Wie der vierte Matrose be-
freit wurde, der hinter einer Glasscheibe
des Maschinenraums eingeklemmt war,
blieb zunächst offen.
Die etwa 200 Meter lange Golden Ray
war am Sonntagmorgen kurz nach dem

Auslaufen aus dem Hafen der Stadt Bruns-
wick im Bundesstaat Georgia in Schiefla-
ge geraten. Aus bislang ungeklärter Ursa-
che drehte sich der Frachter, der unter der
Flagge der Marshallinseln fährt, auf die
Seite. Nach einem Notruf rettete die Küs-
tenwache 23 asiatische Mannschaftsmit-
glieder und einen amerikanischen Lotsen,
bevor ein Feuer ausbrach. Daraufhin
brach die Küstenwache wegen der Flam-
men und des Rauchs den Einsatz vorüber-
gehend ab. Am Montagabend setzte sie
die Rettungsversuche fort. Wie die Küsten-
wache mitteilte, wurden in den Gewäs-
sern vor Brunswick vorerst keine Schad-
stoffe entdeckt. Die Golden Ray hatte eini-
ge tausend Autos an Bord, die sie von
Georgia nach Baltimore im Bundesstaat
Maryland bringen sollte.

Sarah Palin,frühere Gouverneurin von
Alaska und einstige Vorzeigemutter der
republikanischen Partei, lebt getrennt.
Ihr Ehemann Todd Palin reichte nach
31 Jahren die Scheidung ein. In dem An-
trag, den ein Blogger am Montag in den
Dokumenten des Gerichts in Anchor-
age fand, nannte der frühere Geschäfts-
mann „Unvereinbarkeit der Tempera-
mente“ als Trennungsgrund. Der Fünf-
undfünfzigjährige hatte seine spätere
Ehefrau schon an der Highschool ken-
nengelernt. Einige Jahre später trat das
Paar heimlich vor den Traualtar. Nach
der Zeit als Bürgermeisterin ihres
Wohnorts Wasilla und Gouverneurin
des Bundesstaats Alaska wurde Sarah
Palin im Jahr 2008 als Vizepräsident-
schaftskandidatin der Republikaner be-
kannt. Auch der Ehemann und die fünf
Kinder der streitbaren Waffennärrin
füllten die Schlagzeilen. Ihre damals
17 Jahre alte Tochter Bristol brüskierte
die konservative Politikerin schon wäh-
rend des Wahlkampfs mit einer unge-
planten Schwangerschaft. Ihr ältester
Sohn Track fiel derweil durch Schläge-
reien und Festnahmen auf. Palins Ehe
galt dagegen als eher stabil. (ceh.)
Michael JacksonsNachlass wird ein
weiteres Mal verkleinert. Wie das
Internetportal TMZ meldet, bietet der
kalifornische Memorabilienhändler
„Moments in Time“ ein Skulpturen-
arrangement aus Baum und Tieren an,
das der vor zehn Jahren verstorbene
„King of Pop“ für seine Neverland-
Ranch in Auftrag gab. Die 1,75 Millio-
nen Dollar teure Bronzegruppe aus Ze-
bra, Strauß, Krokodil und weiteren exo-
tischen Tieren konnten Jacksons meist
jungen Besucher bis 2005 als Kletterge-
rüst nutzen. Die eingravierte Widmung
„Verzauberte Kinder, macht euch keine
Sorgen, schiebt nichts auf – jetzt ist der
Moment“ soll sich der Sänger selbst aus-
gedacht haben. Jacksons Ranch war
vor einigen Monaten abermals durch
die nach ihr benannte Fernsehdoku-
mentation „Leaving Neverland“ in die
Schlagzeilen geraten. Der britische Fil-
memacher Dan Reed ließ in der Serie
mehrere Männer zu Wort kommen, die
von Jacksons sexuellen Übergriffen auf
sie in ihrer Kindheit berichteten. (ceh.)
Bischof MilanŠašik,Oberhaupt der ru-
thenischen griechisch-katholischen Kir-
che, ist bei einem Autounfall verletzt
worden. Nach Angaben des ukraini-
schen Pressediensts RISU kollidierte
sein Auto in der Slowakei mit einem an-
deren Wagen. Die drei Insassen kamen
ums Leben. Der 66 Jahre alte Bischof
von Mukatschewo im Südwesten der
Ukraine wurde leicht verletzt, sein Fah-
rer schwer.Šašiks Bischofssitz ist Usch-
horod, die Hauptstadt von Transkarpa-
tien direkt an der Grenze zur Slowakei.
Die ruthenische griechisch-katholische
Kirche untersteht dem Papst. Etwa die
Hälfte ihrer geschätzt 650 000 Mitglie-
der leben in der Ukraine. Daneben be-
steht die ukrainische griechisch-katholi-
sche Kirche. Sie untersteht ebenfalls
dem Papst, ist aber größer. Die Ruthe-
nen sind in mehreren Ländern als ethni-
sche Minderheit anerkannt. (KNA)

reb. DÜSSELDORF, 10. September.
Bei einem Brand im Düsseldorfer Mari-
enhospital ist in der Nacht zu Dienstag
ein 77 Jahre alter Patient ums Leben ge-
kommen. Weitere 19 Personen wurden
zum Teil schwer verletzt. Ob es sich um
Patienten oder Mitarbeiter der Klinik
handelt, blieb zunächst ebenso unge-
klärt wie die Frage, warum das Feuer in
einem der Patientenzimmer auf der in-
ternistischen Station ausgebrochen
war. Polizei und Staatsanwaltschaft
richteten eine Ermittlungsgruppe ein.
Den Brandort nahm ein Sachverständi-
ger noch in der Nacht in Augenschein.
Fest steht mittlerweile, dass der Sieben-
undsiebzigjährige in einem Zimmer ne-
ben dem Raum ums Leben kam, in dem
das Feuer ausgebrochen war.
Als die Einsatzkräfte das Kranken-
haus im Düsseldorfer Stadtteil Pempel-
fort erreichten, hatte sich der Rauch
schon über mehrere Etagen der Klinik
verteilt. Mehr als 100 Personen mussten
über Drehleitern und durch Treppen-
häuser in Sicherheit gebracht werden.
Schon Ende Juli und Mitte August war
in Köln und Mönchengladbach bei Brän-
den in Kliniken jeweils ein Patient ums
Leben gekommen. Nach dem Düssel-
dorfer Vorfall erneuerte die Stiftung Pa-
tientenschutz deshalb ihre seit Jahren
erhobene Forderung nach mehr Vorsor-
gemaßnahmen in Kliniken und Pflege-
heimen. „Jede Woche brennt es in deut-
schen Krankenhäusern, aber wir begnü-
gen uns damit, die Toten zu zählen“, sag-
te Vorstand Eugen Brysch dieser Zei-
tung. „Dieses Jahr sind schon sieben Pa-
tienten ums Leben gekommen. Weder
die Bundesländer noch die Einrichtun-
gen ziehen daraus Konsequenzen.“
Der Brandschutz in den 2000 deut-
schen Kliniken und 14 500 Pflege-
heimen sei nicht ausreichend, monier-
te Brysch. Für Personen, die sich selbst
nicht retten könnten, bieten bei der
Feuerwehr aufgeschaltete Brandmelde-
anlagen keinen genügenden Schutz. Es
sei höchste Zeit, endlich zusätzliche
Sprinkleranlagen auf allen Stationen
und in jedem Patientenzimmer einer
Klinik gesetzlich vorzuschreiben. „So
etwas ist für Möbelhäuser und Lager-
hallen heute schon längst Standard.“

MOSKAU, 10. September. Die Regio-
nalwahlen in Moskau endeten nicht
nur mit Niederlagen vieler Kandidaten
des Kreml-Lagers, sondern auch mit
dem Zwist zweier Musiker, die dafür
Partei ergriffen hatten. Am Samstag,
dem Tag vor den Wahlen, veröffentlich-
ten die Rapper Timati und Guf ein Lied
auf Youtube mit dem Titel „Moskau“.
Der Clip feiert mit Panorama-Bildern
Moskaus Verschönerungen und den da-
für verantwortlichen Bürgermeister
Sergej Sobjanin von der Machtpartei
„Einiges Russland“. „Ich gehe nicht auf
Demonstrationen, ich erzähle keinen
Quatsch“, rappt Timati, ein 36 Jahre al-
ter Moskauer, der mit bürgerlichem Na-
men Timur Junussow heißt.
Damit bezieht er sich offenkundig
auf die Protestaktionen des Sommers,
die Zehntausende Russen für „ehrliche
Wahlen“ auf die Straßen brachten; seit
voriger Woche werden Regimegegner
in Schauprozessen zu mehrjährigen
Haftstrafen verurteilt. Moskau, das kei-
ne Gay-Pride-Paraden abhalte, sei eine
„harte Stadt“ und „ein Kaufmannsmek-
ka, ein Staat im Staate“. Weiter rappt
Timati, der auch Autowasch-, Friseur-
und Maniküresalons sowie eine Fast-
food-Kette betreibt, er esse „auf dem
Gagarin-Platz einen Burger auf Sobja-
nins Gesundheit“, denn Moskaus Zen-
trum sei jetzt – anders als noch vor
15 Jahren – auf „Weltniveau“. Guf, ein
39 Jahre alter Moskauer namens Alexej
Dolmatow, beschwört in seinem Rap-
Part, dass es „gegenseitiges Einverneh-
men“ mit den Bürgermeistern brauche
und bezeichnet sich und Timati als
„Kreml-Mauer der Reserve“.
In drei Tagen wurde der Clip auf You-
tube nach Angaben des Mediendiensts
RBK mehr als fünf Millionen Mal ange-
klickt – und bekam fast eineinhalb Mil-
lionen Dislikes bei nur rund 85 000
Likes. Noch am Sonntag machte sich
der Moskauer Youtube-Blogger Dmitrij
Iwanow, der als „Kamikadzedead“
1,7 Millionen Abonnenten hat, über
den Clip lustig: Man sehe darin zum
Beispiel nicht die „Bullen an der Me-
tro“, Moskau sei zum Leben nur gut,
wenn man Geld habe, das man aber
nur dank Verbindungen zu Staatsunter-
nehmen wie den Rohstoffkonzernen
Gasprom oder Rosneft verdienen kön-
ne, oder wenn man wie Timati „seinen
Arsch an Sobjanin verkauft hat“.
Findige Youtube-Nutzer parodierten
das Lied, etwa als Sprechgesang über
tristes Leben in einem aussterbenden
Dorf oder indem sie die muntere Origi-


nalmusik mit Bildern gewaltsamer Fest-
nahmen friedlicher Demonstranten un-
terlegten, gleichsam als kreative Seite
des sogenannten Shitstorms.
Guf veröffentlichte inzwischen auf
Instagram ein Video, in dem er sagt, er
sei „schockiert, wie viel Scheiße über
mich ausgeschüttet worden ist“. Er ver-
folge die politische Situation nicht,
habe nichts von den Wahlen gewusst
und geglaubt, es sei nur darum gegan-
gen, Moskau zum Stadtfeiertag zu be-
glückwünschen, der ebenfalls am Sonn-
tag begangen wurde. Er, Guf, habe „kei-
ne Kopeke“ bekommen, sei herein-
gelegt worden und werde sich nächstes
Mal besser informieren. „Ich entschul-
dige mich echt und bin sehr stolz auf
die Jugend, die wir haben, die sich mit
Politik auskennt und eine lichte Zu-
kunft sucht.“
Der Rapper ließ offen, wer sich an
ihn gewandt hatte. Vergleichbare You-
tube-Musikclips, die junge Leute von
Protesten abhalten sollten, sind in der
Vergangenheit mit offiziösen Kreisen
verbunden worden – und andere Rap-
per haben sich klar auf die Seite der Pro-
testbewegung gestellt. Der 22 Jahre alte
Iwan Drjomin alias Face trat sogar im
Juli bei einer Demonstration auf.
Wer allerdings für den Kreml rappt,
riskiert offenbar die eigene Coolness.
Guf sagt in dem Video auch, er wisse
nicht, ob Timati Geld bekommen habe,
und werde mit ihm wohl nicht mehr zu-
sammenarbeiten. Timati war vor den
Präsidentenwahlen 2012 und 2018 als
Unterstützer („Vertrauensperson“)
Wladimir Putins aufgetreten; zudem ist
er ein Freund des tschetschenischen
Herrschers Ramsan Kadyrow, dessen
luxuriös ausgestattetes Flugzeug er
einst mit einem Instagram-Post be-
kanntmachte.
Ebenfalls bei Instagram schrieb
Timati nun kurz nach Gufs Beitrag, er
habe eine solche Resonanz nicht erwar-
tet, habe niemanden kränken wollen
und lösche das Video, um die „Negativ-
welle“ zu beenden. Das tat der Rapper
auch. Man kann das Video aber, weil
das Netz nichts vergisst, weiter ganz un-
persifliert auf Youtube ansehen, was
sich schon wegen der schönen Moskau-
Bilder lohnt. FRIEDRICH SCHMIDT


Mutter ist die Schönste


Schminktipps kommen meist aus persönlichem Umfeld


Matrosen gerettet


Küstenwache bohrt Löcher in gekenterten Frachter


Zwei Rapper


verrappten sich


zugunsten Putins


Kurze Meldungen


Ein Toter


bei Klinik-Brand


in Düsseldorf


In Schieflage:Warum der Frachter Golden Ray kenterte, ist noch ungeklärt. Foto dpa

Schaut auf diese Stadt:Im Video „Mos-
kau“ sind Timati (links) und Guf noch
ein Paar. Foto Youtube/HotsBet/Screenshot F.A.Z.


Majestätisch:Der Kilimandscharo ist mit 5895 Metern der höchste Berg Afrikas. Foto dpa
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