Frankfurter Allgemeine Zeitung - 07.09.2019

(Rick Simeone) #1

Python, R oder C++: Programmiersprachen müssen


nur Informatiker sprechen, oder? In Zeiten der


Digitalisierung ist das nicht mehr so klar.Seite C2


Der Wald ist in diesen Tagen in aller Munde.


Forstingenieure verstehen bis in die Tiefe, worum es


geht. Wir haben einen von ihnen begleitet.Seite C3


Frauenstudiengänge waren mal im Trend; sie sollten


Mädchen helfen, sich in technische Fächer zu wagen.


Jetzt schaffen sie sich wieder ab.Seite C3


E

s gibt viele Berufe, die ein gewis-
ses Prestige mit sich bringen. An-
walt ist so einer, Arzt sowieso, Pilot
wohl auch. Keine Berufsbezeichnung
aber wird in Deutschland, dem Land
der Tüftler und schnellen Autos, der
zuverlässig ratternden Maschinen und
des stolzen Gütesiegels „Made in Ger-
many“ so hochgehalten wie der Inge-
nieur. Gleichzeitig ranken sich zahlrei-
che Mythen um den Berufsstand –
nicht immer sind sie schmeichelhaft,
Stichwort „Nerd im Karohemd“. Wer
ist er also, dieser Ingenieur, bewundert
und belächelt zugleich?
Wikipedia liefert eine erste Spur:
„Ingenieur ist die Berufs- bzw. Standes-
bezeichnung für Fachleute auf dem Ge-
biet der Technik.“ Aha! Mit Technik
muss er (oder sie) sich also auskennen,
das klingt ja schon mal plausibel. Von
Eigenbrötler steht da nichts. Vielmehr
wird weiter unten im Eintrag das Inge-
nieurslied, geschrieben im Jahr 1871
von dem deutschen Ingenieur und
Schriftsteller Heinrich Seidel, zitiert,
dessen erste Strophe da lautet: „Dem
Ingenieur ist nichts zu schwer“ – oder
wie Daniel Düsentrieb es sagen würde:
„Dem Ingeniör ist nichts zu schwör.“
Hartnäckig ist er also auch, unser Inge-
nieur, wir kommen der Sache näher.
Eine kurze Suchmaschinen-Recherche
führt zu einem weiteren Hinweis: „Als
Ingenieur winkt ein fettes Gehalt“ –
aber ist das nun Mythos oder Wahr-
heit? Das lassen wir mal so stehen,
über Geld spricht man ja bekanntlich
nicht, und wer dann doch zu neugierig
ist, kann ja die üppige Grafik neben
dieser Kolumne studieren.
Ein Blick ins Wörterbuch offenbart
schließlich, dass das Wort Ingenieur
vom lateinischen Begriffingeniumab-
stammt, was so viel heißt wie „sinnrei-
che Erfindung“ oder „Scharfsinn“. Das
wird ja immer besser, wer will schließ-
lich nicht schon im Titel schwarz auf
weiß stehen haben, dass er brillant ist?
Aufschluss darüber, was ein Ingenieur
so alles erfindet, liefert aber auch die-
se Spur auf etymologischen Pfaden
nicht.
Eine Liste der ingenieurswissen-
schaftlichen Fachrichtungen (wieder
Wikipedia) bringt dann den Durch-
bruch: Sie zählt 115 Einträge, was für
ausgesprochen breite Einsatzmöglich-
keiten des Ingenieurs von A wie Abfall-
wirtschaft bis W wie Wildbachverbau-
ung spricht. Eine davon ist übrigens
auch das Brauwesen – also haben wir
dem Ingenieur nicht nur solch geistrei-
che Erfindungen wie den Goldfisch-
Walker und die Unterhose mit Luftfil-
ter zu verdanken (ja, das gibt es wirk-
lich), sondern auch das geliebte Feier-
abendbier. Prost!

Müssen Ingenieure programmieren können? Pflegefall Wald Rückzug der Ingenieurinnen


20


Prozent der Berufs-
anfänger unter den
Ingenieuren, deren
Studium maximal
ein Jahr zurückliegt, sagen: Digitale
Transformation war an der Uni
noch kein Thema.
Quelle: VDI

Echt jetzt?


Filterunterhosen?


Von Jessica von Blazekovic


D


ie Internationale Automobil-
Ausstellung (IAA) in Frankfurt
am Main steht kurz vor der Eröff-
nung. Und selten war die Öffent-
lichkeit deshalb so nervös. Ein neuer Hass
auf das Auto kursiere, heißt es, nachdem
kürzlich Randalierer in einem Kronberger
Autohaus gewütet hatten. Auch zuvor hat-
ten schon Linksautonome in Köln Por-
sche-Wagen in Brand gesetzt. Beide Male
nahmen die mutmaßlichen Täter Bezug
auf die IAA. Aber auch weniger erhitzte
Gemüter sind derzeit von den Themen Kli-
mawandel und Diesel-Skandal bewegt.
Hinzu kommt auch noch Unruhe durch in-
ternationale Entwicklungen, etwa durch
den Brexit oder den Handelsstreit zwi-
schen Amerika und China. Insgesamt
heißt das: Die Autobranche hat schon
komfortablere Zeiten gesehen.
Das müsste sich doch auf die Gehälter
für Ingenieure auswirken, oder? Tatsäch-
lich sagen Gehaltsfachleute diesem Be-

reich keine rosige Zukunft vorher: „Der
analoge Bereich – damit ist vor allem die
herkömmliche Autoindustrie gemeint –
wird voraussichtlich verlieren. Digitale
und elektrische Fachrichtungen sind hin-
gegen auf dem Vormarsch“, sagt Philip
Bierbach, Geschäftsführer der Vergütungs-
beratung Gehalt.de. Aber mit Blick auf die
Vergütung tut sich noch wenig: „Der Die-
sel-Skandal spielt aktuell kaum eine Rol-
le“, sagt Bierbach. „Die Gewinne sind wei-
terhin hoch.“ Der Abschwung betreffe nur
diejenigen Ingenieure, die in ihren Berei-
chen „feststecken“.
Der Ingenieurberuf bleibt also attraktiv.
Wie unser neuer Gehaltsatlas zeigt, konn-
ten Ingenieure im laufenden Jahr sogar ein
leichtes Plus in der Vergütung verbuchen.
So stiegen die Bruttojahresgehälter für Be-
rufsanfänger im Schnitt auf 49 949 Euro,
während sie im Vorjahr noch bei durch-
schnittlich 49 254 lagen. Führungskräfte
kamen zuletzt auf 111 912 Euro Bruttojah-

resverdienst, verglichen mit dem Wert vor
fünf Jahren ein Anstieg um 7,5 Prozent.
Die – gehaltsmäßig – attraktivste Stadt ist
dabei Frankfurt am Main, wo Ingenieure
im Schnitt auf ein Bruttojahresgehalt von
94 205 Euro kommen; dahinter liegen
Stuttgart und München, wo ebenfalls
Durchschnittsgehälter von mehr als
90 000 Euro je Jahr winken. Wie auch in
den Jahren zuvor, ist ein deutliches West-
Ost- und auch ein Süd-Nord-Gefälle er-
kennbar. Die Schlusslichter im Gehaltsat-
las bilden Dresden, Jena und Berlin mit je-
weils weniger als 65 000 Euro Bruttojahres-
gehalt für die dort arbeitenden Ingenieure.
Aber auch in Hamburg, Bremen, Nieder-
sachsen und Ostwestfalen verdienen Inge-
nieure deutlich schlechter als etwa im star-
ken Hessen, in Baden-Württemberg und
Bayern. „Durch Clusterbildung werden be-
stimmte Regionen attraktiver für Firmen
aus derselben Richtung, was wiederum Ar-
beitnehmer der entsprechenden Branche

verstärkt dorthin zieht“, sagt Bierbach.
Durch diese Wechselwirkung stärkten sich
bestimmte Regionen selbst.
Und was sind die lukrativsten Fachrich-
tungen? Patentingenieure führen die Liste
an, gefolgt von Ingenieuren in der Chemie
und Verfahrenstechnik. Den hintersten
Rang belegen Umweltingenieure. Wie
passt das zusammen mit der Fridays-for-
Future-Bewegung? Müsste das nicht eine
höchst gefragte Disziplin sein? Bierbach
ist skeptisch: „Hinter der Berufsgruppe
Umweltingenieur verbergen sich verschie-
dene Themen aus dem Ingenieurwesen,
die keine wirkliche fachliche Disziplinie-
rung erfordern“, sagt er. Umweltingenieu-
re hätten viel allgemeines Wissen, verfüg-
ten aber in den meisten Fällen über keine
konkrete Spezialisierung. „Für Unterneh-
men sind aber vor allem Beschäftigte mit
spezialisiertem Fachwissen attraktiv, was
wiederum die Gehälter in die Höhe
treibt.“ NADINE BÖS

Der September ist nicht nur Automes-
se-Monat; mit der Konsumelektronik-
messe IFA findet in Berlin noch ein
zweites Großereignis statt, im Zuge
dessen Branchenverbände und Univer-
sitäten um Ingenieur-Nachwuchs buh-
len. Unter dem Motto „Mint macht
Spaß“ versuchen die Elektro-Verbände
VDE, ZVEH und ZVEI junge Men-
schen von der Elektrotechnik zu begeis-
tern und veranstalten Schulklassenfüh-
rungen über die Messe. Auf der IFA
können Kinder und Jugendliche außer-
dem an einer Lötstation ihren eigenen
kleinen Berliner Funkturm mit Blink-
licht herstellen. Augmented Reality
soll dabei helfen, die richtigen Teile an
der richtigen Stelle zu verbauen. Die
TU Darmstadt wartet gar mit einem
kompletten Segelboot auf der Messe
auf. Der Clou: Es ist energieautark und
wurde von einem Studenten-Team der
Uni für die Überquerung des Atlantiks
entwickelt – ob Greta Thunberg als In-
spiration diente, ist nicht überliefert.
Gleichzeitig wollen die Studierenden
möglichen Studieninteressierten erklä-
ren, was digitale Technologien und
Künstliche Intelligenz möglich ma-
chen, und warum sich ein Studium der
Elektro- und Informationstechnik aus
ihrer Sicht lohnt. nab.

Autohass, Diesel-Krise – und gute Gehälter


Schleswig-Holstein

Mecklenburg-Vorpommern

Sachsen-Anhalt

Thüringen

Hessen

Nordrhein-
Westfalen

Rheinland-Pfalz

Baden-Württemberg

Bayern

Saarland

Sachsen

Brandenburg

Niedersachsen

90 977€

3

9 1 792€

2

94 205€

1

83 264€

6

84 504€

5

77 671€

7

74 379€

12

74 734€

11

75 957€

10

76 313€

9

77 415€

89 691€ 8

4

68 731€

13

66 748€

14

64 190€

15

61 858

16
Düsseldorf

Köln

Frankfurt

Stuttgart

Nürnberg

Erlangen

München

Berlin

Hamburg

Mannheim /
Ludwigshafen

Jena

Dresden

Essen

Hannover

Bielefeld

Paderborn

Wolfsburg

Bremen

Quelle: http://www.gehalt.de / F.A.Z.-Grafik Niebel

Die Top-Branchen

Jahresgehalt in Euro, Median (brutto)

Die mittleren Branchen

Jahresgehalt in Euro, Median (brutto)

Gehaltsentwicklung
von Berufseinsteigern der
Ingenieurwissenschaften
Jahresgehalt in Euro,
Median (brutto)

62549

88290
67 044

88 290

64 891

64 571

62 536

61 339

57 744

56 546

56 497

50 900

47 485

60 339

60 119

Ingenieure insgesamt 2019

Patentingenieure

Ingenieure in Chemie, Verfahrenstechnik

Ingenieure in der Instandhaltung

Ingenieure in Technischer F & E

Maschinenbauingenieure

Ingenieure im Anlagenbau

Produktionsingenieure

Ingenieure in der Projektabwicklung

Wirtschaftsingenieure

Konstruktionsingenieure

Test- und Versuchsingenieure

Bauingenieure / Statiker

Umweltingenieure

Die Flop-Branchen

Jahresgehalt in Euro, Median (brutto)

2016
48 433

2013
47 384

2015
48 133

2014
47 726

2017
48 834

2018
49 254

2019
49 949

In Frankfurt

verdienen Ingenieure

am besten

Durchschnittliches Jahresbruttogehalt 2018

Elektrotechniker


verzweifelt gesucht


NINE TO FIVE

ZAHL DER WOCHE


Die Autoindustrie steht


mehr denn je in der


Kritik. Ingenieure


verdienen trotzdem gut



  • wenn sie das Richtige


studiert haben, zeigt


der Gehaltsatlas von


F.A.Z. und Gehalt.de.


NR. 208·SEITE C 1
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Beruf und Chance 7. SEPTEMBER 2019
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