Frankfurter Allgemeine Zeitung - 07.09.2019

(Rick Simeone) #1

SEITE 42 · SAMSTAG, 7. SEPTEMBER 2019 · NR. 208 Kultur FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Ach, hätte Kapitän Van Toch sich doch
vor der Küste Sumatras nicht mit einer
Horde Riesenmolche angefreundet. Erst
werden die Molche zu billigen Arbeitsskla-
ven der Menschen. Am Ende steht die
Weltgemeinschaft am Abgrund der weni-
gen Berge, die ihr als Rückzugsort geblie-
ben sind, während Millionen Molche das
Meer zu ihrem Imperium ausbauen.
Und England, Frankreich, Deutsch-
land, Italien? Wollen in end- und fruchtlo-
sen Konferenzen kein Nationalprivileg
und erst recht keine Waffen abgeben und
rennen lieber sehenden Auges in den Un-
tergang. Das klingt nach Brexit, Klimawan-
del und G 7? Ja, auch das. Der tsche-
chische Autor KarelČapek (1890–1938)
aber hat 1936 einen satirischen Science-
Fiction-Roman geschrieben, der die Poli-
tik seiner Zeit als Folie nahm. Doch wenn
nun im Frankfurter Mousonturm, plitsch-
platsch, „Der Krieg mit den Molchen“ erst
ein wenig irritierend anhebt, um als
molchkaltes Inferno zu enden, überlagern
sich Schallplatten-Tanzmusik von einst,
Weltgeschichte und Gegenwart in einer
ganz und gar phantastischen Geschichte.
Mehr als drei Wasserbassins, viele elek-
tronische und ein paar akustische Instru-
mente, Neoprenanzüge und ein wenig
Licht braucht das Frankfurter Duo Les
Trucs nicht, um in knapp anderthalb Stun-
den aus einem klug gekürzten Textkonden-
sat vonČapeks Roman, alten Parteislo-
gans, kurios zugeschriebenen Zitaten, la-
konisch gespielten Szenen und vor allem
Musik und Klang eine Musiktheater-Colla-
ge zu bauen, die klug, verstörend und char-
mant zugleich geworden ist.

Denn der Blick auf den historischen
Science-Fiction-Text und das Verhältnis
von Molch und Mensch, das von Spracher-
werb, Solidarisierung oder Hass bis zum
Krieg mit den Molchen und gegen sie
führt, arbeitet, leise ironisch, die Etappen
menschlicher Verblendung heraus. Stets
präzise in der Wahl gut ausbalancierter
Mittel, bis hin zum ordentlich lauten Elek-
tronik-Set. Die Sprecherin Beatrice Frey
und viele hiesige Künstler als zugespielte
Stimmen, der Musiker Bastian Hagedorn
und Les Trucs alias Charlotte Simon und
Toben Piel live als Musikmaschinenmen-
schen schaffen eine dichte Atmosphäre.
Früher haben Les Trucs neben ihren Kon-
zert- und Labelaktivitäten Bühnenmusik
für andere gemacht. Seit dem „Fleischgar-
ten“ 2018 zeigen sie, was sie selbst als Büh-
nen-Gesamtkünstler draufhaben. Wobei
„Der Krieg mit den Molchen“ auch prima
als experimentelles Hörstück funktionie-
ren würde. Doch man wünscht sich eine
weitere Aufführungsserie. Und das näch-
ste Stück. EVA-MARIA MAGEL

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In den Belcanto-Opern Rossinis sei der
Dirigent als „Ko-Komponist“ gefragt,
sagt Sesto Quatrini. Der Italiener, Jahr-
gang 1984, einst Assistent bei Fabio Luisi
und seit einem Jahr als Generalmusik-
direktor im litauischen Vilnius tätig, lei-
tet morgen die Frankfurter Erstauffüh-
rung von Rossinis Oper „Otello“. Und er
schreibt jedenfalls die Kadenzen für die
Sänger selbst. Seine Partitur ist mit unter-
schiedlichen Farben markiert und durch-
analysiert, mit Bleistift hat er an man-
chen Stellen mit einer sonst unter einer
Fermate nur gehaltenen Textsilbe virtuo-
se Läufe und Verzierungen ergänzt.
Im Gespräch wird schnell deutlich,
dass Quatrini das historische Verständnis
und eine stilgerechte Aufführung des
kaum bekannten Werks am Herzen lie-
gen. Nach seiner Einschätzung gibt es vie-
le Vorurteile gegenüber Rossini: Seine
Musik erscheine vielen simpel oder gera-
dezu dümmlich. Als Beispiel singt Quatri-
ni fingerschnipsend gleich eine für Rossi-
ni typische, schnelle Begleitmusik des Or-
chesters vor: Freudig und in Dur erklinge
sie zu Desdemonas Tod.
Beim Belcanto spiele sich das Drama
aber in den Stimmen ab und nicht im Or-
chester, erläutert er. Mit Wagners Idee ei-
ner Verbindung von Wort und Musik
habe das nichts zu tun. Und auch wer von
Verdis berühmterem „Otello“ her zu die-
ser auch in Italien kaum gespielten Rari-
tät Rossinis zurückzufinden versuche,
werde es schwer haben. Der Vergleich
des 1816 in Neapel uraufgeführten Werks
mit Verdis erstmals 1887 an der Mailän-
ders Scala gespielten Shakespeare-Adap-
tion sei „nicht fair“. Denn der Stoff werde
bei Rossini aus der Tradition der komi-
schen, neapolitanischen Oper heraus ver-
wendet, es liegt auch nicht, wie bei Verdi,
Shakespeares Original dem Libretto zu-
grunde, sondern eine den Erfordernissen
angepasste Neueinrichtung zweier älterer

italienischer Bearbeitungen. Mit diesem
Genre, das den barocken und klassischen
Traditionen näher stehe als Verdis späte-
rem Musiktheater, habe sich Rossini am
Geschmack des Publikums orientiert.
Das Theater müsse man sich dazu zu die-
ser Zeit als einen Ort vorstellen, „an dem
die Leute Spaß haben wollten“, an dem
nebenher gegessen und getrunken wurde.
Auch die neapolitanische Sprache in Ros-
sinis „Otello“ sei ganz anders als die nord-
italienische bei Verdi, die historisch-poli-
tische Situation sei nicht vergleichbar.
Offenbar standen Rossini aber ganz
ausgezeichnete Sänger zur Verfügung.
Die Vokalpartien in „Otello“ seien hor-
rend schwer, was sicher ein Grund dafür
sei, dass diese Oper gespielt werde. Drei
große und zwei kleinere Tenorpartien
sind zu besetzen. Die Titelpartie fordere
einen „Baritenore“: eine Stimme, die sehr
hohe und sehr tiefe Töne erreiche und

sehr flexibel für Koloraturen sei (in Frank-
furt: Enea Scala). Für Rodrigo (Jack Swan-
son), Otellos Konkurrenten, den Desde-
monas Vater lieber als deren Ehemann
sähe, sei eine hohe, kraftvolle, zugleich
leichte, schnelle und sprungsichere Stim-
me gefragt. Der Intrigant Jago (Theo Le-
bow), „die Schlange der Oper“, schleiche
sozusagen stimmlich am Boden zwischen
den beiden Konterparts herum. Für den
„extremen Belcanto-Part“ der Desdemo-
na sei eine weitere „Hybrid-Stimme“ ge-
fordert, zwischen Sopran und Mezzoso-
pran angesiedelt, mit gutem tiefem Regis-
ter, lyrisch, leicht und locker, weich und
feminin in den Koloraturen. Mit der geor-
gischen Sopranistin Nino Machaidze sei
ein „Superstar“ engagiert worden. Eine
Herausforderung für jeden Dirigenten sei
bei alldem, die Balance zwischen den Sän-
gern und dem Orchester herzustellen.
Quatrini schwebt ein kammermusikali-

scher Klang vor. Dabei sollen alte Posau-
nen zum Einsatz kommen und Trompe-
ten, die klarer und Naturtoninstrumenten
ähnlicher klängen.
Die Inszenierung von Damiano Michie-
letto, die 2016 im Theater an der Wien
Premiere hatte und nun als Übernahme
und erste Neuproduktion dieser Saison
an der Oper Frankfurt zu sehen ist, begeis-
tert Quatrini. Er habe sie dort zwar nicht
gesehen, doch habe er von Juni an die
Frankfurter Proben begleitet und öfters
mit dem Regisseur telefoniert. Michielet-
to sei es gelungen, Brücken von der Ver-
gangenheit in die Gegenwart zu schlagen
und alles auf ein „psychologisches Level“
zu heben. Das Publikum werde eine zwi-
schen Musik und Szene genau abgestimm-
te Produktion erleben.
Die Premierein der Oper Frankfurt beginnt am
Sonntag um 18 Uhr. Nächste Vorstellungen am
12., 21. und 29. September.

Ein Herrscher über Ochsenkarren, das
war Karl der Große. Mit Schiffen jeden-
falls konnten seine Franken nichts anfan-
gen. Dafür waren sie gut zu Pferd. Sie
nutzten die alten Römerstraßen, um zu ex-
pandieren. Vor allem nach Süden, denn
es galt, den Papst vor den Langobarden
zu schützen. So wurde der fränkische Kö-
nig, der schon 754 als Kind an der Seite
seines Vaters Pippin zum „Patricius Ro-
manorum“ ernannt und gesalbt worden
war, auch zum König der Langobarden
und im Jahre 800 zum Kaiser von Gottes
Gnaden. Aber mit den Wikingern, Saraze-
nen und griechischen Piraten in Marseille
wurde er nicht fertig. Und auf Sizilien
setzten sich die Muslime fest. „Karl kam
nur bis Benevent.“
So begann der emeritierte Mediävist Jo-
hannes Fried einen Vortrag über Karl den
Großen und seine mittelmeerische Welt-

politik in der Frankfurter Romanfabrik.
Einem furiosen Debatten-Auftakt der Rei-
he „Café Europa“ vor der Sommerpause
folgte nun eine furiose Vorlesung des His-
torikers mit ein paar Verlegenheitsfragen
des Mitveranstalters Pierre Monnet vom
Institut franco-allemand de sciences histo-
riques et sociales. Über Europa war nicht
viel zu vernehmen; das gab es ja auch
noch nicht im Bewusstsein der Völker.
Zwischen dem griechischen Basileus, der
sich in Konstantinopel als legitimer Nach-
folger der römischen Cäsaren betrachte-
te, und dem abbasidischen Kalifen Harun
al Raschid in Bagdad galt es für Karl im 8.
Jahrhundert, das Beste herauszuholen.
Es ging um nicht weniger als um die
„Globalisierung“ der damals bekannten
Welt. Karl machte sich dabei den Kon-
flikt zwischen Omaijaden und Abbasiden
zunutze. Indem er Letzteren beisprang,

gewann er allmählich den nördlichen Teil
Spaniens. Aus Spanien kam auch der ge-
bildete Westgote Theodulf an den Hof zu
Aachen, ein wichtiger Gewährsmann
Frieds. Theodulf konnte ein paar Bro-
cken Arabisch und wurde so zum Vermitt-
ler. Es entstanden Kontakte nach Córdo-
ba, Kairo und Bagdad: „Europa erwachte
zu sich selbst.“
Also doch Europa, zumindest aus der
Perspektive des heutigen Historikers.
Karl schickte Gesandte nach Raqqa. Un-
versehens geriet Fried ins Spekulieren.
Wollte Karl den Kalifen für das Christen-
tum gewinnen? Möglicherweise war der
Islam für ihn eine christliche Häresie.
Von Byzanz jedenfalls war er enttäuscht.
Zum Konzil wurde er nicht eingeladen, ge-
gen die Seeräuber eilten ihm die Byzanti-
ner nicht zu Hilfe, und zuletzt sabotierte
Kaiserin Irene sogar seine Heiratspläne.

So kam es zum Krieg. Beim Friedens-
schluss 812 verzichtete Karl auf Venedig,
behielt aber Dalmatien, also Küstenland.
Schiffe bauen und „lernen, lernen, ler-
nen“ stand bis zu seinem Tod 814 auf
dem Regierungsprogramm. Die Schiffe
hat 100 Jahre später Alfred der Große ge-
baut und damit die Grundlagen zur engli-
schen Seemacht gelegt.
Gelernt hat auch das Publikum in der
ausverkauften Romanfabrik. Moderator
Monnet wollte wissen, ob Karl nun Fran-
zose oder Deutscher gewesen sei. Immer-
hin hätten sich die Franzosen kontinuier-
lich von den Franken hergeleitet: „Charle-
magne“, so Fried, „das ist ihr Herrscher
gewesen.“ Dass eine fränkische Kaiser-
pfalz unter der Frankfurter Altstadt liegt,
bestritt er nicht. CLAUDIA SCHÜLKE
Nächstes Café Europaam 24. Oktober um 20 Uhr
mitMicha Brumlik und Armina Omerika.

Wer zu Sarkasmus neigt, der hat es immer
schon gewusst. Und wird sich angesichts
des Rohbau-Charmes, in dem er sich im
„Flare of Frankfurt“ wiederfindet, so-
gleich bestätigt fühlen: Das also soll sie al-
len Ernstes sein, die neue Kunstmesse, die
Frankfurt angeblich so dringend braucht?
Wo sich gerade einmal 40 Galerien mit Pa-
pierarbeiten tummeln, von denen über-
dies die Hälfte ohnehin am Main zu Hause
ist? Und überhaupt, woher sollen mit ei-
nem Mal die Sammler kommen, wo doch
am Wochenende der 25. Saisonstart der
Frankfurter Galerien mit gut 40 Vernissa-
gen lockt? Doch der Rundgang über die
erste Ausgabe der in Berlin, München und
Basel erprobten „Paper Positions“ zeigt:
Zu Polemik besteht keinerlei Anlass.
Ob sich die Kunstmesse, der schon län-
ger ein Interesse an Frankfurt nachgesagt
wird, hier auf Dauer etablieren kann, weiß
noch niemand. Zumal im nächsten Jahr
die großzügige städtische Förderung des
anlässlich des Jubiläums zur „Frankfurt
Art Experience“ aufgeblasenen Saison-
starts wohl nicht noch einmal zur Verfü-
gung stehen wird. Man wolle den Gale-
rien einmal „danke“ sagen, ließ Wirt-
schaftdezernent Markus Frank (CDU) ver-
lauten. Was unweigerlich zu der Vermu-
tung Anlass gibt, damit sei es nun auch
erst mal gut. Allein, das muss den Samm-
ler, Liebhaber und passionierten Kunstbe-
trachter erst einmal nicht kümmern.
Die Stimmung unter den Galeristen je-
denfalls war prächtig. Und in der Tat, ange-
sichts der gerade einmal zwei Monate Vor-
bereitungszeit, eingedenk der nachgerade
abenteuerlichen, qualitativ schlicht ein De-
saster vorstellenden Versuche der vergan-
genen Jahre aber auch, die Art Frankfurt
wiederzubeleben, machen die „Paper Posi-

tions“ zumindest endlich wieder Lust auf
mehr. Nicht nur, weil das offene, großzügi-
ge und auf klassische Kojen verzichtende
Konzept überzeugend aufgeht. Oder weil
man in Frankfurt zwar zahlreiche Positio-
nen recht gut kennt – und man sich doch
immer wieder gerne überraschen lässt.
Von Peter Braunholz’ Fotoserie bei Mäder
etwa oder den mit dem Material arbeiten-
den Blättern Daniel Behrendts bei Leuen-
roth.
Vor allem erweist sich die von dem Ber-
liner Galeristen Kristian Jarmuschek ent-
wickelte Plattform im „Flare of Frankfurt“

als mit großer Sorgfalt kuratiert. Und das
zahlt sich allemal aus. Zwar warten bei
Kunsthandel H.W. Fichter auch Druckgra-
fiken des 18. und 19. Jahrhunderts – von
Johann Glume etwa oder Eugène Dela-
croix – auf kenntnisreiche Sammler. Doch
von der Bonner Galerie Judith Andreae
bis zur Galerie Christel Wagner, vom
Kunsthandel Hagemeier, dessen Stand
mit einem Farbholzschnitt Sean Scullys
und den „Day Lilies“ von Alex Katz bezau-
bern kann, bis zu Katrin Bremermanns
starken Blättern bei Martin Mertens aus
Berlin ist es doch die frische aktuelle
Kunst, um die sich erkennbar alles dreht.
Dabei finden sich trotz der durchaus be-
grüßenswerten Konzentration auf das Ma-
terial Papier alle Medien in bemerkenswer-
ter Qualität im Angebot der Galerien wie-
der. Von der Malerei Sebastian Daceys bei
Jacky Strenz über die reliefartigen Faltun-
gen Peter Webers bei Renate Binder und
die Objekte Christine Reifenbergers bei
Nathalia Laue bis zu Zanele Muholis foto-
grafischen Schwarzweiß-Porträts bei Sak-
hile & Me reicht die Bandbreite der künst-
lerischen Positionen.
Und die klassische Zeichnung hat mit
den Blättern Li Triebs bei Commeter oder
den in Frankfurt bestens eingeführten Po-
sitionen Jan Schmidts und Lena
Ditlmanns bei Anita Beckers ohnehin ei-
nen großen Auftritt. Ausreißer nach un-
ten gibt es kaum. Fehlt eigentlich nur
noch, dass am Ende auch die Zahlen stim-
men. Und falls es schiefgehen sollte, ver-
spricht die Messe zum ersten Mal seit vie-
len Jahren wenigstens dem Kunstliebha-
ber Trost: An der Qualität jedenfalls liegt
es diesmal nicht. CHRISTOPH SCHÜTTE
Die Frankfurter Kunstmesse„Paper Positions“, Gro-
ßeEschenheimer Straße 16, ist heute bis 20 Uhr,
am Sonntag von 11 bis 16 Uhr geöffnet.

Ein 92 Jahre alter Maestro setzt sich mit ei-
nemherausragenden Jugendorchester un-
ter dem Thema „Musik als Bekenntnis“
mit Beethovens „Eroica“ auseinander.
Das war schon von der Idee her ein gelun-
gener „Prolog“ zum Musikfest der Alten
Oper, das dann vom 15. bis 29. September
um diese als gesellschaftspolitisches State-
ment verstehbare und richtungsweisende
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 kreisen wird.
Herbert Blomstedt deutete sie nun am
Pult des Gustav Mahler Jugendorchesters
zugleich im Rahmen der Europa-Kulturta-
ge der Europäischen Zentralbank in guter
alter Tradition, mit ruhiger Hand und teils
buchstäblich nur mit Fingerzeigen so, dass
den Musikern noch eigener Interpretati-
onsspielraum blieb. Den nutzten vor al-
lem die drei exzellenten Hornisten für
ihre exponierten Parts markant und selbst-
bewusst in einer zeitgemäßen Klangregie.
Vor Flaggen der Euroländer atmete das
Ganze den Geist der Freiheit, den Beetho-
ven 1804 in revolutionären Klängen be-
schwor.
Als maßgeblich erschien in Blomstedts
Lesart dabei der stark gewichtete Trauer-
marsch mit seinen extremen Kontrasten
und musiktheatralischen Effekten. Durch
diese prinzipiell aber düstere Stimmung
hindurch führte der Weg umso strahlen-
der bis zum zupackenden Finale. Am Be-
ginn des Abends stand Richard Strauss, al-
lerdings nicht mit seinen „Metamorpho-
sen“, die den Trauermarsch aus der „Eroi-
ca“ zitieren, sondern mit seiner Tondich-
tung „Tod und Verklärung“ op. 24. Wie die-
se mit der Idee „Durch das Dunkel zum
Licht“ an die Beethoven-Brahms-Traditi-
on anknüpft, wurde im Kontext ganz deut-
lich. Die musikalisch geschilderte Sterbe-
stunde eines Künstlers bestand so in der
satten, kräftigen und im Hinblick auf die
Lautstärke imposanten Darbietung des
hör- und sichtbar geschlossen agierenden
Orchesters in fortwährenden Kämpfen
und dem letzten Aufbäumen bis zum erlö-
senden Abschied von aller körperlichen
Gebundenheit. Der kämpferische, biswei-
len heroische Ton verbindet Strauss mit
Beethoven und macht einen Hauptunter-
schied zu den meist auch gebrochenen
und gerade dadurch moderner wirkenden
Kompositionen seines Zeitgenossen Gus-
tav Mahler aus.
Der Namensgeber des Jugendorchesters
war im Programm dennoch ungeahnt gut
eingebunden mit seinen fünf Liedern
nach Gedichten von Friedrich Rückert.
Denn auch diese sind getragen von der Er-
lösungshoffnung. Das Ringen mit sich
selbst in der Dunkelheit, zwischen Tod
und Leben ist so nicht nur Thema des
Lieds „Um Mitternacht“. Christian Gerha-
her drängte die Lieder aber in keine be-
stimmte Richtung, sondern schuf als gro-
ßer Interpret einen weiten Raum für die
Kunst und ihre Deutung – schön etwa im
Lied „Ich atmet’ einen linden Duft“, das
als Lied vom Tod gehört werden konnte,
aber nicht musste. Eines der Lebensthe-
men Mahlers ließ der herausragende deut-
sche Bariton eigenartig klar und direkt an-
klingen, überhaupt nicht entrückt im Lied
„Ich bin der Welt abhanden gekommen“:
Den hier im Kleinen vielleicht auch wirk-
lich besonders klar artikulierten Wunsch
nach einer Flucht aus dem „Weltengetüm-
mel“, das Mahler in seinen Sinfonien oft
mit kolossalen Mitteln und grotesk schil-
dert. Passende Zugabe war das eigentlich
für Altsolo bestimmte Lied „Urlicht“ auf
einen Text aus „Des Knaben Wunder-
horn“, der vierte Satz aus seiner Sinfonie
Nr. 2 c-Moll. GUIDO HOLZE


TICKETS069 1340 400/WWW.ALTEOPER.DE

MUSIKFESTEROICA
SA 21 SEPT 20:30 Mozart Saal
Video und Musik
CHRONICLE OF
CURRENT EVENTS
KREMERATA BALTICA
KIRILL SEREBRENNIKOVKurator

Globalisierung im Mittelalter


Café Europa: Johannes Fried spricht in der Frankfurter Romanfabrik über Karl den Großen


Neue Messe, neues Glück


„Paper Positions“ zeigt erstmals in Frankfurt Malerei, Zeichnung und Fotografie


Bis morgen zu sehen:Sebastian Dacey,
Untitled(2010) Foto Galerie Jacky Strenz

Trauer und


Verklärung


Fulminanter Prolog zum


Musikfest der Alten Oper


Genossen


Molche


Les Trucs gelingt ein tolles


Wassermusiktheater


Belcanto mit Schlange


Will Rossini historisch und stilistisch gerecht werden:Dirigent Sesto Quatrini zu Gast an der Frankfurter Oper Foto Wonge Bergmann


Sesto Quatrini bricht


eine Lanze für Rossini.


Er leitet die Frankfur-


ter Erstaufführung von


„Otello“.


Von Guido Holze


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