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SAMSTAG, 7. SEPTEMBER 2019 FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
P
ünktlich treten der hessische Minis-
terpräsident Volker Bouffier (CDU)
und seine Gattin Ursula vor die Staats-
kanzlei. Sie trägt ein cremefarbenes Kos-
tüm und kämpft mit einem Blumen-
strauß, der tropft. Er blinzelt gutgelaunt
der Sonne entgegen und schaut auf die
Uhr. Der Staatsgast lässt auf sich warten.
Königin Silvia von Schweden kommt mit
dem Wagen aus Bensheim an der Berg-
straße. Die nach dem Unternehmer Karl
Kübel benannte Stiftung hat der Fünfund-
siebzigjährigen in einer Feierstunde ei-
nen mit 25 000 Euro dotierten Preis ver-
liehen. „Mit ihrer World Childhood Foun-
dation kämpft sie gegen die Ausbeutung
und Vernachlässigung von Kindern, ge-
gen Misshandlung und Missbrauch sowie
für bessere Lebensbedingungen für Mäd-
chen und Jungen“, heißt es in der Begrün-
dung. Auch in Hessen soll in diesem Sin-
ne mehr als bisher geschehen. Die Lan-
desregierung will nach eigenem Bekun-
den im Laufe des nächsten Jahres ein
konkretes Konzept entwickeln. Königin
Silvia hat drei Kinder zusammen mit
Carl XVI. Gustaf von Schweden. Vor fast
einem halben Jahrhundert lernte die ge-
bürtige Heidelbergerin ihn bei den Olym-
pischen Sommerspielen in München ken-
nen. Wie sehr die Deutschen an dieser
Liebesgeschichte Anteil genommen ha-
ben, dokumentiert an diesem sonnigen
Freitagmittag vor der Wiesbadener
Staatskanzlei eine blaue, etwas abgenutz-
te Sporttasche mit der Aufschrift „Mün-
chen 1972“. Zaungäste haben sie als Ge-
schenk mitgebracht. Weil noch etwas
Zeit ist, begeben sich die Bouffiers über
die Straße und nehmen das gute Stück
entgegen. Es ist keine Schwierigkeit, im
Volk auch Schweden zu entdecken, denn
sie halten ihre blau-gelbe Fahne hoch.
Aber allzu viel Zeit zum Plaudern bleibt
doch nicht. Um drei Minuten vor drei
Uhr trifft der hohe Gast ein. Mit der Kö-
nigin steigt Per Thöresson, der schwedi-
sche Botschafter in Berlin, aus der Li-
mousine. Man reicht sich zur Begrüßung
die Hand. Die 100 Wiesbadener hinter
der Absperrung applaudieren. Auch die
in ein türkisfarbenes Kleid gewandete
Königin kommt zu ihnen und schüttelt
Hände. In der Staatskanzlei trägt sie sich
zuerst ins Goldene Buch ein – nur mit
ihrem Vornamen. Anschließend stellt
Bouffier ihr den Präsidenten des Staats-
gerichtshofs, Roman Poseck, vor. Neben
ihm hat das gesamte Kabinett Aufstel-
lung genommen. Wissenschaftsministe-
rin Angela Dorn (Die Grünen)hat zur
Feier des Tages das kleine Schwarze aus
dem Schrank geholt. Die Krawatte ihres
Parteifreundes Kai Klose besitzt dieselbe
Farbe wie das Kleid der Königin, wirkt
aber nicht ganz so elegant. Die Ministerin-
nen Lucia Puttrich (CDU) und Kristina Si-
nemus (parteilos) setzen auf Taubenblau.
„Dafür bewundere ich Sie“, sagt Königin
Silvia, als Bouffier ihr erklärt, dass Sine-
mus die Expertin der Regierung für Digi-
tales sei. Ein klein wenig ausführlicher
fällt die Begrüßung der Umweltministe-
rin Priska Hinz (Die Grünen) aus. Es
geht um Borkenkäfer. „Er ist bei allen be-
liebt“, sagt Bouffier, nachdem er die Köni-
gin mit Finanzminister Thomas Schäfer
(CDU) bekannt gemacht hat. Dass der
das Amt des hessischen Kronprinzen be-
kleidet, bleibt unerwähnt. (htr.)
Charmante Königin in Türkis
Radfahrer müssen ab-
steigen, und Fußballspie-
len auf den weitläufigen
Wiesen gehört sich
nicht. Aber der Old
Course des Golfclubs und die roten
Sandplätze des Tennisclubs erinnern
daran, dass der Bad Homburger Kur-
park schon immer ein Ort des Sports
war. Englische Kurgäste führten die
beiden Sportarten hier auf dem Fest-
land ein. Als erste Live-Übertragung
eines Reitturniers gilt das Bad Hom-
burger von 1953, bei dem Hans Gün-
ter Winkler mit seinem späteren
Olympiapferd Halla antrat. 24 Jahre
danach starteten an der Spielbank
Rallyewagen Richtung Monte Carlo.
Nicht wirklich in die Sportgeschichte
eingeschrieben hat sich der nächtli-
che Boxkampf von René Weller in
der Tennisbar.
Jetzt steht Bad Homburg kurz da-
vor, dass internationales Tennis in
die Kurstadt zurückkehrt. Denn um
Davis- und Federation-Cup wurde
hier auch schon gespielt. Das geplan-
te Damenturnier zur Wimbledon-
Vorbereitung dürfte die bisherigen
Dimensionen allerdings sprengen.
Neue Plätze werden gebaut, und die
Übertragungswagen, Tribünen so-
wie ein „Fan-Village“ werden für
mehr als eine Woche für einen Aus-
nahmezustand sorgen. Kein Wun-
der, dass insbesondere der Denkmal-
schutz von diesen Aussichten nicht
begeistert ist.
Auch wenn die Stadtverordneten
den jetzt vorliegenden Verträgen zu-
stimmen, wird noch um Details ge-
rungen werden. Und die Ersatzplät-
ze für den Tennisclub sind noch lan-
ge nicht gebaut. Deren neuer Stand-
ort im Quellenschutzgebiet dürfte
teuer werden.
Betrachtet man allein das Turnier,
stellt es allerdings eine echte Chance
dar. Keine Marketingkampagne
könnte die Stadt für 175 000 Euro
derart bekannt machen. Der Name
„Wimbledon“ zieht, und das für zu-
nächst fünf Jahre. Die Radsportler al-
lerdings dürften ein wenig neidisch
auf die Tennisspieler schauen. Auch
für das Radrennen am 1. Mai hat
sich Bad Homburg fünf Jahre lang en-
gagiert, um dann für dieses Jahr über-
raschend seinen Ausstieg zu erklä-
ren. Aus heutiger Sicht der Stadt ste-
hen einige Minuten im Hessenfernse-
hen gegen eine Woche Übertragung
in 120 Länder. Mal sehen, wie 2024
die Tennis-Bilanz ausfällt.
Großes Rad
mit kleinen Bällen
Von Bernhard Biener
Defilee:Ministerpräsident Volker Bouffier (rechts) stellt Königin Silvia die Mitglieder des hessischen Kabinetts vor. Foto Cornelia Sick
bie. BAD HOMBURG.Die Chancen,
dass im Frühsommer nächsten Jahres die
besten Tennisspielerinnen der Welt nach
Bad Homburg kommen, stehen gut.
Wenn am Montag der Magistrat und am
nächsten Donnerstag die Stadtverordne-
ten zustimmten, könnten am Tag darauf
die Verträge für ein Turnier der Profi-Da-
mentennisorganisation WTA unterschrie-
ben werden, sagte gestern der Bad Hom-
burger Oberbürgermeister Alexander Het-
jes (CDU). Beim Lizenznehmer und Wim-
bledon-Ausrichter All England Lawn Ten-
nis and Croquet Club (AELTC) gebe es
großes Interesse an einem Vorbereitungs-
turnier für Wimbledon in Bad Homburg.
Es würde eine Woche vor Beginn des Tur-
niers in London vom 20. bis 27. Juni im
Kurpark stattfinden. Die Vereinbarung
reicht zunächst bis einschließlich 2024.
Nach Worten des Oberbürgermeisters
würde der AELTC den größten Teil der
Kosten von 1,375 Millionen Euro tragen.
Dazu gehört der Bau von insgesamt sechs
Rasen-Tennisplätzen: Der mittlere Sand-
platz des Tennisclubs Bad Homburg soll
für fünf Jahre zum Center-Court mit tem-
porärer Tribüne werden. Wo genau die
beiden weiteren Turnierplätze liegen wer-
den, stehe noch nicht abschließend fest,
sagte Hetjes. Gegen die Rasenfläche vor
der Thai Sala habe der Denkmalschutz Be-
denken. Die Alternative zwischen Kis-
seleffstraße und Kaiser-Wilhelms-Bad sei
wegen des Gewässerschutzes schwierig.
An ganz anderer Stelle, bei der Bad Hom-
burger Turngemeinde am Niederstedter
Weg, sollten drei Rasenplätze für das Trai-
ning der Weltklassespielerinnen entste-
hen.
Der städtische Anteil von 475 000 Euro
reduziert sich durch einen Zuschuss der
Sportförderung des Landes Hessen auf
175 000 Euro. „Das decken wir über Mehr-
erträge der Spielbank in diesem Jahr, so
dass der städtische Haushalt nicht belas-
tet wird“, sagte der Oberbürgermeister.
Allerdings entstehen weitere Kosten, um
dem Tennisclub Bad Homburg entgegen-
zukommen. Der Vorsitzende Uwe Eyles
sprach zwar von einer tollen Gelegenheit,
für den Traditionsclub und die Stadt zu
werben. Die Spiel- und Trainingsmöglich-
keiten der 30 Mannschaften würden aller-
dings durch das Turnier und den für eige-
ne Wettbewerbe nicht nutzbaren Rasen-
platz eingeschränkt. Die Stadt verpflich-
tet sich daher zum Bau zweier Sandplätze
in fußläufiger Entfernung, die durch eine
Traglufthalle auch im Winter nutzbar
sein sollen. Nachdem der Standort auf
dem Kasino-Parkhaus direkt vor einem
Altenwohnheim nicht mehr weiterver-
folgt wird, sollen sie jetzt auf dem gemein-
samen Parkplatz von Kur Royal Aktiv und
Tennisclub an der Kreuzung von Paul-Ehr-
lich-Weg und Kisseleffstraße entstehen.
Tennis würde auf dem Dach eines in den
Boden versenkten Parkdecks gespielt.
„Technisch ist alles machbar“, sagte Het-
jes. Allerdings gelte hier der Heilquellen-
schutz.
Turnierbotschafterin für Bad Homburg
soll die deutsche Top-Spielerin Angelique
Kerber sein, deren Management zusam-
men mit der Schweizer Sportagentur Per-
fect Match und dem Wimbledon-Tennis-
club Veranstalter des Turniers ist. Für
Bad Homburg sieht der Oberbürgermeis-
ter große Chancen durch die internationa-
le Vermarktung. „Das Turnier wird in 120
Länder übertragen.“ Angesichts der Höhe
des Eigenanteils sprach er von einem „Ge-
schenk.“ Das Risiko hingegen bleibe für
die Stadt überschaubar. Die Aufträge für
den Bau der Plätze vergebe der Verein für
Rasentennis- und Croquet für ganz Eng-
land, wie der Name des AELTC übersetzt
heißt. Damit befasst sei ein deutsches Spe-
zialunternehmen, das Bodenproben ge-
nommen habe. Aber auch der oberste Ra-
senhüter von Wimbledon, der Head
Groundsman, habe sich die Verhältnisse
im Kurpark schon angesehen.
In den drei Wochen vor Wimbledon fin-
den jeweils zwei Vorbereitungsturniere
statt. Zunächst in Nottingham und’s-Her-
togenbosch, dann in Birmingham und
Berlin und schließlich in Eastbourne und
Bad Homburg, sollte das Votum der Stadt-
verordneten positiv ausfallen.
obo.TAUNUSSTEIN.Die Polizei hat
einen 54 Jahre alten Taunussteiner er-
mittelt, der mit einer Zwille offenbar
mehrfach Jagd auf Ausländer gemacht
und diese mit Metallkugeln beschos-
sen hat. Der Mann sitzt jetzt in Unter-
suchungshaft, die Polizei sucht nach
weiteren Opfern und Zeugen.
Ins Rollen gebracht hatte den Fall
der jüngste Vorfall. Am Dienstag war
ein 25 Jahre alter Syrer in der Aarstra-
ße von einer Metallkugel am Kopf ge-
troffen und so schwer verletzt worden,
dass er ambulant behandelt werden
musste. Dank einer Zeugin wurde die
Polizei auf den Tatverdächtigen auf-
merksam. Sie schilderte, dass der Ver-
dächtige am Busbahnhof Hahn aus ei-
nem Auto heraus mit der Zwille auf
zwei Frauen mit afrikanischem Erschei-
nungsbild geschossen habe. Diese sei-
en aber nicht getroffen worden. Dann
meldete sich ein alter Somalier, der
schon Mitte Januar ebenfalls am Bus-
bahnhof von einer Metallkugel getrof-
fen, aber nicht verletzt worden war. Die
Polizei nahm den Verdächtigen fest
und entdeckte in dessen Wohnung zwei
Zwillen sowie Metallgeschosse.
Aufschlag haben jetzt die Stadtverordneten
obo. WIESBADEN. Eine mögliche
Reaktivierung der Aartalbahn zwi-
schen Bad Schwalbach und Diez soll
im Mittelpunkt einer Machbarkeitsstu-
die stehen. Darauf haben sich die bei-
den Bundesländer Rheinland-Pfalz
und Hessen, die beiden regionalen
Nahverkehrsverbünde RMV und
SPNV-Nord sowie der Rheingau-Tau-
nus-Kreis geeinigt. „Wir möchten den
öffentlichen Personennahverkehr in
der Region stärken. Mit der Machbar-
keitsstudie untersuchen wir, ob eine
wirtschaftlich tragfähige Lösung für
die Gesamtstrecke gefunden werden
kann“, sagten der rheinland-pfälzische
Verkehrsstaatssekretär Andy Becht
und sein hessischer Amtskollege Jens
Deutschendorf anlässlich der Unter-
zeichnung der Vereinbarung.
Wie berichtet, ist der Personenver-
kehr auf der Aartalbahn seit 1986 ein-
gestellt. Im Falle einer Reaktivierung
der Strecke würde die Bahn in der
Kreisstadt an die schon in der Planung
befindliche Citybahn zwischen Mainz,
Wiesbaden und Bad Schwalbach an-
schließen. Bad Schwalbach würde
dann zum Umsteigebahnhof. Nach An-
sicht von Deutschendorf würde diese
Option vielen Berufspendlern im Aar-
tal eine attraktive umwelt- und klima-
freundliche Verbindung zu ihren Ar-
beitsplätzen bieten und die Region für
den Tourismus besser erschließen.
Laut Becht sind gute Zugverbindungen
„ein strukturpolitisches Instrument
zum Erhalt der Attraktivität der ländli-
chen Räume“.
Unterdessen arbeitet der Rheingau-
Taunus-Kreis weiter an der Citybahn-
Planung zwischen Wiesbadener Stadt-
grenze und Bad Schwalbacher Stadt-
mitte und führt Gespräche mit den
Kommunen und der Forstverwaltung.
Zudem laufen Untersuchungen zu Fau-
na und Flora in einem Korridor 50 Me-
ter links und rechts der Trasse.
Noch immer keine Einigung mit der
Bahn und den Kommunen gibt es über
den beabsichtigten Ankauf der Strecke.
Gegenüber dem Kreistag hat der ehren-
amtliche Verkehrsdezernent Günter
Döring (SPD) noch einmal klargestellt,
dass der den in Wiesbaden für Frühsom-
mer 2020 geplanten Bürgerentscheid
für „außerordentlich problematisch“
hält, weil er über die Wiesbadener
Grenzen hinaus Auswirkungen auf
eine Region mit rund 700 000 Einwoh-
nern hat. In anderen Bundesländern
seien von Bürgerentscheiden jene The-
men ausgeklammert, die einem Plan-
feststellungsverfahren unterworfen sei-
en. Denn in einem solchen Verfahren
müssten alle Anregungen und Beden-
ken einer Abwägung unterzogen wer-
den. Döring fordert, das Land sollte die
Regelung in der Gemeindeordnung
„überdenken.“
htr.WIESBADEN.Der parlamentari-
sche Streit über die Erhebung von Aus-
baubeiträgen für kommunale Straßen
geht in die nächsten Runde. Die SPD-
Fraktion im Hessischen Landtag bean-
tragte jetzt für die nächste Sitzungs-
woche eine dritte Lesung.
Wie berichtet, hatten CDU, Grüne
und FDP im Mai 2018 beschlossen,
dass die Kommunen selbst entschei-
den können, ob sie ihren Bürgern Stra-
ßenausbaubeiträge abverlangen. Die
Bedingungen für die Anwohner, die
zur Kasse gebeten werden, wurden ver-
bessert. SPD und Linke verlangten die
vollständige Streichung der Beiträge
und die Übernahme der Kosten durch
das Land. Die entsprechenden Gesetz-
entwürfe wurden inzwischen zum drit-
ten Mal in den Landtag eingebracht.
In der Debatte am Donnerstag-
abend bekräftigten die Vertreter der
schwarz-grünen Koalition, dass sie an
ihrem Gesetz festhalten würden. Gün-
ter Rudolph der Parlamentarische Ge-
schäftsführer der sozialdemokrati-
schen Fraktion im Landtag kündigte
an, dass die Mehrheit noch eine Chan-
ce bekomme, „endlich zur Einsicht zu
gelangen“.
Ausländer mit
Zwillebeschossen
Goldene Zeiten:der Platz des Tennisclubs mit Blick auf die Thai Sala Foto Cornelia Sick
Umsteigen
in Bad
Schwalbach
Aartalbahn nach Diez
könnte reaktiviert werden
Weiter Streit über
Straßenausbaubeiträge
Außergewöhnlich persönlich:
Sabine & Gerhard Grohs.
Sie sind immer herzlich willkommen!
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BAD HOMBURG
Der oberste Rasenhüter
war schon da: Die
Verträge für ein Tennis-
turnier im Kurpark Bad
Homburgs sind nun
unterschriftsreif.