Blickpunkt Film - 09.09.2019

(coco) #1

Sie haben sogar einen eigenen
Streamingservice aufgebaut...
Richtig! Rotterdam zeichnet sich mit
IFFR Pro durch einen starken Markt aus,
in dem unter anderem der internationale
Koproduktionsmarkt CineMart, der
Hubert Bals Fund oder die IFFR Pro Days
zusammengefasst sind. Dem Bedürfnis
der Branche sind wir mit der Gründung
von IFFRUnleashed entgegengekom-
men. Auf unserem Streamingdienst kann
man sich unsere Filme für je vier Euro
anschauen. Es ist eine Weiterführung
unsere Festivals, wenn man so will.
Denn viele der in unseren Reihen kura-
tierten Filme sieht man sonst nirgendwo,
erfahren keinen regulären Kinostart.
Wir brauchen Nischen wie einen 14-stün-
digen Film wie La Flor. Das Publikum
für solche Filme ist vorhanden. Und mit
unserem Streamingdienst leisten wir
unseren Beitrag. Wir müssen dafür
Sorge tragen, dass das Publikum nicht
ausschließlich Avengers guckt. Was gar
nicht schlimm ist! Aber von Popcorn
allein kann man nicht leben.


Und das leisten Festivals...
Ich plädiere für eine viel engere Zusam-
menarbeit mit anderen Festivals. Denn
wir wollen doch alle dasselbe: Dass die
Filme, die uns so inspirieren, ein Publi-
kum finden, dass über sie geschrieben
wird, dass sie Anerkennung erhalten und
im Idealfall auch verkauft werden. Un-
sere Zusammenarbeit mit Sundance im
letzten Jahr hat wunderbar funktioniert!
Wir sollten Kino positiv umarmen, damit
das Publikum das auch kann. Gerade
diese Positivität war einige Jahre ver-
schwunden. Wenn man nur in seiner
Echokammer sitzt und jammert, dass es
für Arthouse, für Kunst- oder Kommerz-
kino, für Kurzfilme oder interaktive
Installationen so schwer ist, kriegt man
nur noch depressive Werke, die wiede-
rum das Publikum depressiv machen!
Wenn man aber die Besonderheit her-
ausstellt, die Filme entsprechend prä-
sentiert, erfreut sich auch das Publikum
daran. Dann können wir eine Alterna-
tive zu dieser Content-Einheitswurst
kreieren, von der wir abhängig geworden
sind. Es gibt eine andere Welt und die
heißt »Planet IFFR«.


Das hört sich nach einer Insel der Glück-
seligen an. Oft ist es doch so, dass viele
Filme über einen Festivalauftritt hinaus
gar nicht wahrgenommen werden...
Ein Festival wie Rotterdam ist nicht die


Startrampe, um anschließende Kino-
starts zu promoten. Das ist der Job von
Cannes. Wir haben eine andere Aufgabe
und die heißt, Filmemacher und Talente
erfahrbar machen. Es kommt nicht dar-
auf an, ob die Filme anschließend einen
regulären Kinostart erleben. Wenn wir
ehrlich sind: Es werden mittlerweile
so viele Filme gemacht, die passen gar
nicht alle ins Kino und sollten auch
gar nicht alle ins Kino. Die Folge ist nur,
dass ein Film im Nu wieder verschwun-
den ist, wenn er dann ins Kino kommt –
manchmal sogar schon nach dem ersten

Wochenende. Das kann nicht funktionie-
ren. Uns geht es darum, die Talente zu
erkennen und zu fördern. Da wir ein
internationales Festival am Jahresbeginn
sind, starten auch viele Titel bei uns oder
in Kombination mit Sundance ihre Welt-
tour. Aber einen Film wie Present. Per-
fect., unser Gewinner der vergangenen
Ausgabe, der mit Livestream-Aufnahmen
ein Gesellschaftsporträt aus der Perspek-
tive der Selfiekamera kompiliert, wäre
vor ein paar Jahren gar nicht möglich
gewesen, weil es die Technologie noch
gar nicht gab. Eine solche Arbeit kann
man nicht einfach auf herkömmlichem
Weg ins Kino bringen. Sie braucht den
richtigen Kontext, ein Festival, eine
Filmtour etc. Dann erreicht man sein
Publikum. Diese Art von Resonanz ist
für die Filmemacher oft wichtiger als die
reinen Zahlen am Boxoffice, sie haben

»Von Popcorn


allein kann man


nicht leben.«


VOLLES HAUS
Für Bero Beyer ist es
ausschlaggebend, dass
ein Festival mit großer
Positivität ans Werk geht
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