Blickpunkt Film - 09.09.2019

(coco) #1
Kontakt. Mit Bayern produziert Holland
sehr wenig. Das hat damit zu tun, dass
die Art der Filme, die man in Bayern will,
nicht so gut mit unseren Themen zusam-
menpassen, sondern hier eher noch
ein Auge auf große Unterhaltungsfilme
gelegt wird.

Können Sie uns einen Vorteil des
Netherlands Film Fund nennen?
Wir haben ein automatisches Incentive
innerhalb der substantiellen Förderung,
der einen Cash-Rebate von 35 Prozent für
berechtigte niederländische Ausgaben
bei Film- und Highend-TV-Produktionen
vorsieht. Hier kommen eigentlich nur
große, kommerziell aussichtsreiche
Projekte zum Zuge. Bei der selektiven
Förderung verfolge ich einen anderen
Gedanken: Der Anfang sollten gute Filme
sein. Wenn man nur Zahlen im Kopf hat
und dieses oder jenes Ziel, denkt man oft
falsch über das Kino, das man eigentlich
haben möchte. Das Publikum ist viel
schlauer, als viele denken. Es erkennt
ziemlich schnell, wenn etwas schlecht
ist. Wir gucken uns mittlerweile alles an,
auf dem Handy, dem Tablet, Laptop –
Filme in höchster Qualität, international.
Man soll sich nicht über die Zahlen den
Kopf zerbrechen. Meine Devise lautet:
Tell me a good story first and then we’ll
see! Dieser Schritt ist wichtiger. Ich halte
es für problematisch, wenn man zu
schnell sagt, es müssen diese oder jene
Regularien sein, um dieses oder jenes
Ziel zu erreichen. Man kann einen klei-
nen Film machen wie Moonlight, der
1,5 Mio. Dollar gekostet hat, unabhängig
produziert. Auf dem Papier unverkäuf-
lich, wenn man sich die Synopsis durch-
gelesen hat! Dann gewinnt der den Oscar!
Man muss immer mit gutem Kino anfan-
gen und dann schauen, wie man es am
besten platziert. Das haben die Amerika-
ner gut verstanden.
BARBARA SCHUSTER

waren. Deswegen hat sie die Förderan-
stalt mehr und mehr für internationale
Projekte geöffnet. Das gefällt mir un-
heimlich gut, weil mich damals als
Produzent auch ausschließlich inter-
nationale Koproduktionen interessiert
haben. Für mich ist es ausschlaggebend,
internationale Impulse zu setzen und ge-
nau zu wissen, wie das geht. Diese inter-
nationale Ausrichtung des Netherlands
Film Fund ist in der Branche bereits tief
verankert. Das heißt, die holländischen
Produzenten wissen, dass die Öffnung
für internationale Koproduktionen wich-
tig ist und dass es wichtig ist, auf diesem
Gebiet selbst zu arbeiten. Auch die neue
Garde unserer Regisseure wie Nanouk
Leopold, David Verbeek oder Sacha Po-
lak hat begriffen, dass sie nicht auf einer
Insel wohnen. Deshalb finde ich auch
Impulse wie den CoPro Award beim
Filmfest München wichtig. Diese Offen-
heit für internationale Koproduktionen
möchte ich beim Netherlands Film Fund
verstärken und vergrößern.

Wie steht es denn um die Zusammenar-
beit zwischen Holland und Deutschland?
Es wird unheimlich viel koproduziert
zwischen Holland und Deutschland -
oder auch zwischen Holland, Deutsch-
land, Belgien. Da gibt es auch Koproduk-
tionsverträge. Am meisten Projekte
entstehen mit Berlin-Brandenburg.
Auch NRW ist vorn mit dabei, aber auch
mit Hamburg und der MDM sind wir in

trotzdem eine Relevanz. Es ist ja kein
Geheimnis, dass jede blödsinnige Fern-
sehshow mehr Zuschauer macht als ein
qualitativ hochwertiger Kinofilm. Wenn
wir heute 100.000 Besucher generieren
im Kino, sind wir froh. Deshalb ist der
Einfluss, den man mit seiner Filmarbeit
auf Menschen erzielt, oft wichtiger.
Und der kann enorm sein, auch mit we-
nig Besucherzahlen. Yorgos Lanthimos
oder Ruben Östlund sind heute gefeierte
Filmemacher, weil sie konsequent ihre
Denkart und Vision umgesetzt haben,
ohne Kompromisse einzugehen.


Beim Netherlands Film Fund sitzen Sie
künftig an der Quelle des holländischen
Filmschaffens. Wie erleben Sie die Bran-
che in Ihrem Land?
Meine Vorgängerin Doreen Boonekamp
hat in den zehn Jahren ihrer Amtszeit
richtig erkannt, dass man doch sehr ein-
geschränkt ist, wenn man nur auf seine
eigene kleine Insel guckt, und nur den
immer gleichen Mischmasch an Projek-
ten auf den Tisch bekommt wie viel-
leicht Buchverfilmungen und romanti-
sche Komödien – mal abgesehen von den
Bereichen Dokumentar- und Kinderfilm,
die in Holland immer schon sehr stark
»Offenheit für


internationale


Koproduktionen.«


RUNDE 49
Das IFFR 2020 läuft
vom 22. Januar bis


  1. Februar


DAS INTERVIEW

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