Die Welt Kompakt - 09.09.2019

(Ben Green) #1

WIRTSCHAFT MONTAG,9.SEPTEMBER2019 SEITE 10


U


m Schulungen und
Weiterbildungen müs-
sen sich einer Umfra-
ge zufolge viele Beschäftigte
in Deutschland selbst küm-
mern. Mit 55 Prozent hat zwar
gut jeder Zweite im vergange-
nen Jahr seine Qualifikation
erweitert, wie das Beratungs-
unternehmen Gallup für eine
Studie ermittelte. Gut vier
von zehn dieser Befragten ga-
ben aber an, dass sie ihre Teil-
nahme selbst veranlasst hät-
ten. In den übrigen Fällen
sorgte der Arbeitgeber dafür.
Viele Schulungen gingen
am Bedarf der Beschäftigten
vorbei, meint Studienautor
Marco Nink. „Es spricht viel
dafür, dass mit der Gießkanne
gearbeitet wird“, sagte er. Ar-
beitgeber passten Angebote
nicht ausreichend an den ein-
zelnen Beschäftigten an. Oft
sei anschließend nicht klar,
was die Mitarbeiter im Ar-
beitsalltag mit dem neuen
Wissen anfangen können.
Laut der Umfrage konnten
41 Prozent der Beschäftigten
im vergangenen Jahr ihre
Qualifikation nicht erweitern,
weil ihr Unternehmen dafür
kein Angebot machte. Etwa je-
der Siebte gab an, keine Zeit
für Schulungen gehabt zu ha-
ben. Insgesamt fühlt sich eine
Mehrheit aber von ihren Ar-
beitgebern unterstützt, die
notwendigen Fähigkeiten und
Fertigkeiten zu erlangen. Ins-
gesamt zwei Drittel stimmten
hier vollständig oder weitge-
hend zu, nur etwa jeder
Sechste ging da ganz oder
größtenteils nicht mit.
Die Bundesregierung zeich-
net ein anderes Bild. In der
vergangenen Woche hatte ihr
Weiterbildungsbericht erge-
ben, dass die Bereitschaft stei-
ge und dass die Teilnehmer
immer zufriedener mit den
Veranstaltungen seien.


Firmen müssen


Weiterbildung


verbessern


Angebote passen oft


nicht, so eine Studie


D


ie Lieferwagen sind
meistens weiß lac-
kiert und tragen
kein großes Firmen-
zeichen. Nur in kleiner Schrift
an einer Seite ist der Aufdruck
„im Auftrag von Amazon“ zu le-
sen. Tausende derartiger Fahr-
zeuge sind mittlerweile kreuz
und quer durch Deutschland
unterwegs. Von morgens bis
spätabends bringen sie Pakete
des Onlinehändlers zu den Be-
stellern. Manchmal sogar im
Eiltempo: Nutzt der Kunde
einen besonderen Service, er-
hält er sein Paket noch am Tag
der Bestellung.

VON BIRGER NICOLAI

Am Lenkrad dieser Paketwa-
gen sitzen Fahrer von kleinen
Stadtkurierfirmen oder mittel-
ständischen Speditionen. Ama-
zon beschäftigt kein eigenes
Fahrerpersonal. Um für diese
Subunternehmer und deren Zu-
stellfahrer attraktiv zu sein, er-
laubt der amerikanische Onli-
nehändler, dass die Wagen am
Abend mit nach Hause genom-
men werden dürfen. Ange-
schafft werden die Transporter
nämlich oftmals von Amazon
selbst. Als Stundenlohn sprin-
gen allerdings selten mehr als
der Mindestlohn und damit
rund zehn Euro heraus. In eini-
gen Großstädten dürfte der
Lohn zwar höher sein. Genaue
Angaben von Amazon dazu gibt
es nicht.
Die Gewerkschaften kritisie-
ren regelmäßig die geringe Ent-
lohnung und Unsicherheit die-
ser Arbeitsplätze. Doch aufzu-
halten ist der Weg von Amazon
zu einem großen Paketzusteller
nicht. Rund 3,5 Milliarden Pake-
te werden in diesem Jahr an die
Haushalte ausgeliefert. Deut-
lich mehr als zehn Prozent da-
von stammen aus einem Wa-
renlager von Amazon.

Bis vor ein paar Jahren lagen
diese Sendungen in den Liefer-
wagen der Post-Tochter DHL,
von Hermes und DPD oder
auch einmal UPS im Laderaum
und wurden von diesen Paket-
diensten zugestellt. Das ändert
sich gerade rasant: Fast im Mo-
natstakt eröffnet der Online-
händler große Sortierzentren
oder kleine Paketdepots. Das
Unternehmen übernimmt im-
mer mehr die Zustellarbeit
selbst. „Es ist ein Irrtum zu
denken, dass Amazon primär
die eigene flächendeckende Pa-
ketzustellung in Deutschland
anstrebt“, sagte Horst Manner-

Romberg, Chef der Beratungs-
firma MRU. „Der Onlinehänd-
ler baut in denjenigen Regionen
selbst Sortieranlagen und Zu-
stellung auf, in denen es aus
Sicht des Unternehmens keine
ausreichende Versorgung gibt“,
sagte Logistikexperte Manner-
Romberg. Entscheidend dabei
seien die Maßstäbe, die Amazon
an Qualität und Leistung anle-
ge. Soll zum Beispiel die 24-
Stunden-Zustellung ausgebaut
werden, dann wartet der deut-
sche Ableger des US-Konzerns
nicht darauf, bis DHL, Hermes
oder DPD dazu in der Lage
sind. Das bedeutet: Wenn die

großen Paketdienste regionale
weiße Löcher haben oder An-
sprüche nicht erfüllen können,
tritt Amazon auf den Plan.
Dass gerade jetzt zahlreiche
Neubauten in Betrieb genom-
men werden, hängt mit dem
unmittelbar bevorstehenden
Herbst- und Weihnachtsge-
schäft zusammen. Ab Novem-
ber verfünffachen sich die Pa-
ketmengen im Durchschnitt.
Hinzu kommt ein weiterer Ef-
fekt: Nach Angaben von Ama-
zon sorgt eine wachsende Zahl
von unabhängigen Onlinehänd-
lern, die ihre Waren über das
Unternehmen ausliefern las-
sen, für zusätzliches Geschäft.
Tatsächlich fällt bei der re-
gionalen Verteilung der Sortier-
zentren auf, dass die Neubau-
ten längst nicht immer die
Städte betreffen. Der Bran-
chendienst CEP-Research hat
eine Liste der Standorte zusam-
mengetragen. Danach verfügt
Amazon derzeit über 25 Logi-
stikstandorte in Deutschland.
Darunter sind 13 große Sortier-
und Verteilzentren, die vor
allem die Großstädte und vor-
nehmlich das Ruhrgebiet be-
treffen. Hinzu kommen drei
mittelgroße derartige Anlagen
in der Fläche sowie neun lokale
Auslieferstationen. Beschäftigt
werden dort rund 13.000 Mitar-
beiter, bis Ende dieses Jahres
sollen laut CEP-Research wei-
tere 2800 Stellen neu entste-
hen. Amazon selbst nennt auch
hierzu keine Zahlen.
Allein in die beiden jüngsten
Sortierzentren hat das Unter-
nehmen laut CEP-Reserch 185
Millionen Euro investiert. An-
gesiedelt sind sie in Franken-
thal in Rheinland-Pfalz und
Mönchengladbach in Nord-
rhein-Westfalen. In Schönefeld
in der Nähe des geplanten Flug-
hafens Berlin-Brandenburg, in
Bremen und Erfurt sowie Wun-
storf bei Hannover kommen
demnächst weitere Sortier-
standorte hinzu.
Bei den kleineren Paketsta-
tionen ist die Liste der Städte-
namen noch länger. Völklingen
im Saarland, Nürnberg, Eggols-
heim, Potsdam, Eschweiler,
Borgstedt oder Nützen stehen
in den Amazon-Listen. Nach ei-
genen Angaben findet Amazon
die für das Wachstum benötig-
ten Zustellfahrer bei „mittel-
ständischen unabhängigen Lie-
ferunternehmen“. Das ist er-
staunlich, schließlich herrscht
in der gesamten Paketbranche
ein großer Personalmangel.
Als beispielhaft für die Ziele
und Entwicklung gilt die Lan-
desgesellschaft von Amazon in
Großbritannien. Dort betreibt
das Unternehmen 45 große Sor-
tierzentren. Um hierzulande
eine vergleichbare Verbreitung
zu erreichen, müsste der Onli-
nehändler die Aktivitäten in
Deutschland vervierfachen. Ob
das geplant ist, dazu äußert sich
der US-Konzern nicht. Doch
völlig von der Hand zu weisen
ist das nicht.

WWWeiß und unauffällig beschriftet: Die Zahl dieser Lieferwagen dürfte künftig steigeneiß und unauffällig beschriftet: Die Zahl dieser Lieferwagen dürfte künftig steigen

GETTY IMAGES

/SEAN GALLUP

Amazons


Aufstieg


zum Zusteller


Neue Sortierzentren eröffnet


der Konzern fast im Monatstakt.


Schon 13.000 Beschäftigte in


dieser Sparte in Deutschland


      

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Quelle: Deutsche Post

Von der Post-Tochter DHL beförderte Pakete pro JahrVon der Post-Tochter DHL beförderte Pakete pro JahrVon der Post-Tochter DHL beförderte Pakete pro Jahr in Millionen Stück in Millionen Stück

Immer mehr Pakete

Preise in Euroje 100 Liter bei Kauf
von 3000 Litern einschließlich
1 9Prozent Mehrwertsteuer


Stadt Diese Woche VVVorwocheorwoche
Berlin 6 7,40–70,15 6 6,35–70,
Hamburg 6 4,25–70,80 6 4,40–71,
Hannover^6 5,45–74,30^6 5,55–73,
Düsseldorf 6 8,45–72,25 6 7,80–71,
Frankfurt/M. 6 7,00–76,85 6 9,90–78,
Karlsruhe 7 0,50–74,40 6 9,90–73,
Stuttgart 7 2,35–75,80 7 2,85–76,
München 7 1,30–72,50 7 2,00–73,
Rostock 6 4,85–72,60 6 4,75–70,
Leipzig 6 5,70–72,00 6 5,45–71,
Bei höherer Abnahmemenge
sind Preisnachlässe möglich.
Quelle: Energie Informationsdienst


Heizöl-Preise aktuell

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