Die Welt Kompakt - 09.09.2019

(Ben Green) #1

12 WIRTSCHAFT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,9.SEPTEMBER


H


uawei stellt die
Markteinführung
seiner kommenden
Smartphone-Model-
le in Europa und Deutschland
auf den Prüfstand. Es sei noch
nicht entschieden, ob die bei-
den nächsten Flaggschiff-Hand-
ys Mate 30 und Mate X auch in
Europa und Deutschland ver-
kauft würden, sagte Richard Yu
im Gespräch mit WELT. Der
Manager leitet bei Huawei das
Smartphone-Geschäft.


VON THOMAS HEUZEROTH

Der chinesische Technolo-
giekonzern kämpft gegen den
Druck der US-Regierung, die
ihm vorwirft, mit seiner Tech-
nik Spionage durch die chinesi-
sche Regierung zu ermöglichen.
Die USA haben Huawei und vie-
le seiner Tochterfirmen auf die
schwarze Liste derjenigen Un-
ternehmen setzen lassen, mit
denen amerikanische Firmen
ohne Genehmigung keine Ge-
schäfte mehr machen dürfen.
Von diesem Ausschluss wäre
auch Google betroffen, sodass
Google-Dienste wie Maps, You-
Tube, Gmail und der Play Store
nicht auf den Geräten vorin-
stalliert werden dürfen. Auch
die amerikanischen Chipkon-
zerne Intel und Qualcomm dür-
fen ohne Genehmigung nicht
mehr an Huawei liefern. „Auf
diese Weise verhindert die US-
Regierung doch nur, dass
Dienste von US-Unternehmen


genutzt werden können“, sagte
Yu. Dies schade vor allem den
eigenen Unternehmen in den
USA. Aus Angst vor Spionage
hatten die USA auch Deutsch-
land und andere Länder davor
gewarnt, Telekomausrüstung
von Huawei einzusetzen. Grü-
nen-Chef Robert Habeck for-
derte in WELT AM SONNTAG,
die Chinesen beim Aufbau des
superschnellen 5G-Mobilfunk-
netzes hierzulande auszu-
schließen. Stattdessen sollten
europäische Firmen den Zu-
schlag erhalten. „Wir sollten da
dem Beispiel der australischen
Regierung folgen; sie hat Hua-
wei nicht zugelassen. Nokia
und Ericsson sollten das ma-
chen“, sagte Habeck. So könne
eigenes europäisches Know-
how entstehen.
Der Grünen-Parteichef setz-
te hinzu, China habe ein Know-
how in der künstlichen Intelli-
genz und der Digitalisierung
entwickelt, dem Europa noch
nichts entgegensetzen könne.
„Wenn wir chinesische Technik
benutzen und Peking würde ir-
gendwann entscheiden, über
sie gegen unsere Interessen zu
agieren, sind wir geliefert.“ Es
sei besorgniserregend, wie Chi-
na weltweit eigene machtstra-
tegische Interessen durchsetze.
Huawei hatte die Spionage-
Vorwürfe wiederholt zurückge-
wiesen. „Wir würden niemals
unsere Nutzer ausspionieren“,
sagte Yu. Huawei sei in einen
politischen Konflikt geraten.

Der chinesische Konzern befin-
det sich bereits seit Mai auf der
schwarzen Liste der US-Regie-
rung. Yu sieht trotz allem keine
großen Auswirkungen auf das
Geschäft. „Das zwingt uns nur,
alles allein zu machen“, sagte
der Manager. Am Ende werde
das Huawei stärken. Im Netzge-
schäft sei man bereits unabhän-
gig von US-Technologie, bei den

Smartphones noch nicht ganz.
Tatsächlich hat die US-Regie-
rung die Frist zweimal verlän-
gert, bevor der Bann wirksam
wird. Daher gab es bisher keine
echten Einschränkungen für die
Huawei-Smartphones. Doch bei
den nun geplanten Geräten
scheint sich das zu ändern.
Auf der Technik-Messe Ifa in
Berlin stellte Huawei einen
neuen Smartphone-Prozessor
mit eingebautem Modem für
den superschnellen 5G-Daten-

funk und einen kleinen Chip für
die Anbindung von tragbaren
Geräten wie Ohrhörer oder
Computer-Uhren vor. Während
seiner Keynote erwähnte Hua-
wei-Manager Yu den Streit mit
den USA allerdings nicht.
Der Konzern prüft nun, ob
Nutzer es akzeptieren würden,
Google-Dienste selbst auf ihren
Geräten zu installieren. Diese

Prüfung könnte auch einige
Monate in Anspruch nehmen.
Sollte sich Huawei für diese
Strategie entscheiden, könnten
die Mate-Smartphones doch
noch in Europa in den Verkauf
gehen. Das Mate X ist Huaweis
Smartphone mit einem faltba-
ren Display. Auf der Ifa hatte
Konkurrent Samsung den Ver-
kaufsstart des Konkurrenzmo-
dells Galaxy Fold noch für die-
sen Monat angekündigt. Aller-
dings hat Huawei bereits für

den 19. September zur Premiere
des Mate 30 nach München ein-
geladen. Gut möglich, dass
Smartphone-Chef Yu dort ein
Modell vorstellt, das es vorerst
nur in China zu kaufen gibt.
Schon heute ist es auf An-
droid-Smartphones möglich,
Anwendungen zu installieren,
die sich nicht in Googles Play
Store befinden. Dafür müssen
sie nur von einer Webseite he-
runtergeladen werden. Aller-
dings verzichten Nutzer dann
auf Sicherheitsprüfungen, die
üblicherweise von Google vor-
genommen werden. Auch Apple
kontrolliert sehr genau, welche
Anwendungen in seinem App-
Store aufgenommen werden.
Die Unternehmen machen un-
ter anderem Vorschriften, auf
welche Daten die Anwendun-
gen zugreifen dürfen. Wer die
App-Stores umgeht, erhöht also
das Risiko, dass Sicherheitslü-
cken auf dem Gerät ausgenutzt
werden.
Zuletzt hatte Huawei in ei-
nem Interview mit dem „Han-
delsblatt“ vorgeschlagen, ein
europäisches Betriebssystem
zu entwickeln. Dabei soll es
sich offenbar um das bereits
präsentierte Harmony OS han-
deln. „Wir wollen, dass es ein
europäisches System wird“,
sagte Yu im Gespräch mit
WELT. Bislang läuft das System
nur auf einem Fernseher der
Tochtermarke Honor. Der Ma-
nager rechnet nicht damit, dass
sich viele Smartphone-Herstel-
ler dem System anschließen, da
es nur noch wenige Firmen in
dieser Industrie gebe. Es soll
aber auch Herstellern von Au-
tos, Smartwatches und Compu-
tern offenstehen. Derzeit gehe
Huawei auf Entwickler zu und
unterstütze sie auch finanziell
dabei, ihre Anwendungen für
Harmony anzupassen. Dies sei
sehr leicht, sagte Yu. „Ich den-
ke, dass Harmony mit Syste-
men wie Android und Apples
iOS konkurrieren kann.“
Das erste Smartphone mit
dem Harmony-Betriebssystem
könnte es bereits im kommen-
den Frühjahr geben, sagte Yu.
Noch sei nicht klar, ob nur in
China oder auch auf dem globa-
len Markt. Huawei ist derzeit
der zweitgrößte Smartphone-
Hersteller und wollte ursprüng-
lich in diesem Jahr an Samsung
vorbei an die Weltmarktspitze
vorrücken. „Wir haben dieses
Ziel auf das nächste oder über-
nächste Jahr verschoben“, sagte
Yu. In China ist Huawei bereits
Marktführer mit einem Anteil
von 38 Prozent. Dort bietet der
Konzern seine Smartphones
zwar mit einem Android-Be-
triebssystem an, jedoch ohne
die Google-Dienste, die in Chi-
na verboten sind. Nutzer laden
ihre Anwendungen aus alterna-
tiven App-Stores auf die Gerä-
te. Der App-Store von Huawei
heißt AppGallery. Er befindet
sich auch auf Huawei-
Smartphones in Deutschland.
Doch auch über AppGallery
kann der Konzern die Google-
Dienste nicht anbieten.

Huawei-Manager Richard Yu stellt auf der Ifa Smartphones vor, von denen noch nicht klar ist, ob sie in Europa auf den Markt kommen

REUTERS

/HANNIBAL HANSCHKE

Wegeaus dem Google-Bann


Huawei prüft, ob seine neuesten Smartphones überhaupt in Europa verkauft werden –


weil Dienste wie YouTube oder Maps nicht mehr vorinstalliert werden dürfen


Samsung ��
Apple ��
Huawei ��
Sony �
LG �
HTC �
Nokia �
andere ��

Huawei ist in Deutschland die Nummer �

Quelle: Global Consumer Survey, Statista

Verteilung unter Smartphone-Nutzern in Prozent
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