Die Welt Kompakt - 09.09.2019

(Ben Green) #1
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DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,9.SEPTEMBER2019 KULTUR 21


E

s wird eng in Jerusa-
lem. In den schmalen
Gassen kommen die
vielen mit Waren,
Weinkrügen oder Kreuzen bela-
denen Einwohner, Kaufleute
und Touristen schon zu Fuß
schwer genug aneinander vor-
bei. Jetzt kommen auch noch
diese Esel dazu, die an jeder
Ecke willkürlich abgestellt wer-
den, in zweiter Reihe parken
(die Packesel vom Liefer-
dienst!) und den Weg versper-
ren. Von betrunkenen Reitern
ist die Rede, die gleich zu zweit
oder dritt im Sattel sitzen. Es
soll auch schon erste schwere
Unfälle gegeben haben; Pilger
stolpern über falsch abgestellte
Esel oder werden einfach um-
geritten. Aber glaubst du, die
römischen Soldaten würden
eingreifen und den Eselhaltern
ordentliche Bußen oder Kör-
perstrafen auferlegen? Die ha-
ben offenbar Wichtigeres zu
tun: Statt solcher eklatanten
Verstöße gegen die Straßenver-
kehrsordnung wird lieber Jesus
von Nazareth gegeißelt.
Was vor zweitausend Jahren
E-Sel waren, das sind heute
E-Roller, das behauptet jeden-
falls die Tierschutzorganisati-
on Peta: „Heutzutage würde


Jesus nicht mehr auf einem
Esel reisen. Er würde sich ver-
mutlich auf einem E-Roller
oder mit einem anderen tier-
und umweltfreundlichen Elek-
tromobil fortbewegen.“ Von
den Oberammergauern Passi-
onsspielen verlangt Peta daher,
im kommenden Jahr bei der
Reinszenierung der christli-
chen Leidensgeschichte auf
Esel zu verzichten. „Der Ritt
eines erwachsenen Mannes auf
einem Esel“, sei „nach heuti-
gen Erkenntnissen tierschutz-

widrig.“ Esel seien nämlich gar
keine Reit- und Lasttiere, son-
dern „verspielte und freundli-
che Tiere“, überdies intelli-
gent. Ja, sie zeigten sogar „logi-
sche und flexible Problemlö-
sungskapazitäten“. Esel sind
also eigentlich Smart-Hufer,
selbststeuernde Vehikel.
Als Jesus sich beim Einzug in
Jerusalem auf einen Esel setzte,
missbrauchte er ihn folglich als
Lastentier und Fortbewegungs-
mittel, was für die radikalen
Tierschützer ein No-Go ist:

„Gemäß den allgemein aner-
kannten Leitlinien der Tier-
ärztlichen Vereinigung für Tier-
schutz e. V. darf die Belastung
eines Esels keinesfalls mehr als
20 Prozent seines Eigenge-
wichts betragen.“ Ob beim hi-
storischen Jesus ein Fall von
Tierquälerei vorlag, könnte
man freilich seriös nur beant-
worten, wenn man das genaue
Gewicht des Messias wüsste.
Nach seiner biblisch belegten
Fastenkur in der Wüste wird er
aber wohl eher ein dürres
Hemd gewesen sein. Gleich-
wohl trifft Peta einen Punkt mit
der Kritik am allgegenwärtigen
„Speziesismus“ (das ist die
Weltanschauung, der Mensch
sei allen anderen Tierarten
überlegen): Tiere werden in der
christlichen Religion immer
wieder missbraucht, nicht nur
als Lastenträger, sondern viel-
mehr noch als Symbol oder gar
als bloße Staffage. Nehmen wir
die Weihnachtsgeschichte mit
Ochs und Esel und den Schafen,
die von ihren Hirten ungefragt
zur Krippe (und wahrscheinlich
später zur Schlachtbank getrie-
ben werden). Warum soll Jesus
Christus ausgerechnet als
„Lamm Gottes“ tituliert wer-
den? Hat jemand die Lämmer

um Erlaubnis gefragt? Auch das
sind schließlich kluge und
freundliche Tiere. Im Zusam-
menhang mit Opferritualen
auch noch Osterlämmer zu
schlachten, das ist erst recht
mehr als zynisch. Schon bei den
Wundern Jesu ist es mit dem
Tierschutz nicht weit her: Bei
der Speisung der Fünftausend
am See Genezareth werden
nicht nur fünf Brote, sondern
auch zwei Fische so vermehrt,
dass alle satt werden. Das ist
fast schon Massentierhaltung.
Es gibt also noch eine Menge
zu tun für die Tierschützer,
wenn unsere skandalös anima-
lisch ausgestattete Heilsge-
schichte konsequent auf unbe-
denklichen Fleischersatz umge-
stellt werden soll. Krippenspie-
le mit Drahteseln und elektri-
schen Schafen, Sankt-Martins-
Umzüge mit Segways, von
Weihnachtsgänsen zu schwei-
gen. Immerhin, das letzte
Abendmahl war erfreulich ve-
gan, obwohl: mein Leib, mein
Blut? Was wird eigentlich in der
Eucharistiefeier verspeist,
wenn man die Theologie beim
Wort nimmt? Man kommt nicht
daran vorbei: Für radikale Vege-
tarier gehört das Christentum
verboten.

GLOSSE

RICHARD KÄMMERLINGS

Jesus sollte


E-Roller fahren


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