Süddeutsche Zeitung - 09.09.2019

(C. Jardin) #1

Meinung


Deutschland musssich in Syrien


und im Irak mehr als bisher


für den Frieden engagieren 4


Panorama


„Alles Fake“: Wie Deutschlands


Sehenswürdigkeiten im


Internet verrissen werden 8


SchuleundHochschule


Wettbewerbsfrust, Rebellion,


Führungschaos: die Krise


der Universität Göttingen 12


DasPolitische Buch


Erfolgreiche Zumutung:


Norbert F. Pötzl bilanziert


die Arbeit der Treuhand 13


Wirtschaft


Die Europäische Zentralbank


tüftelt im Geheimen an Plänen


für den Krisenfall 15


Medien, TV-/Radioprogramm 20,
Kino · Theater im Lokalteil
Rätsel 7
Traueranzeigen 19


ImNordosten und Osten stark bewölkt mit
Regen. In Bayern zunächst regnerisch, spä-
ter freundlicher. Oberhalb von 1700 Me-
tern Schneefall. Im Westen und Südwesten
abwechselnd Sonne und Regen. Zwölf bis
19 Grad.  Seite 13 und Bayern

Die Eingangshalle des neuen Bauhaus Museums in Dessau, mit Zoomeffekt bei Nacht aufgenommen. Der Glasbau des jungen Büros
AddendaArchitects aus Barcelona hat den Geist der Denkfabrik Bauhaus mit kongenialer Nüchternheit in die Gegenwart geholt. Am
Sonntag eröffnete Bundeskanzlerin Angela Merkel das Gebäude mit einem Festakt. „Die Avantgarde-Schule hat sehr stark unsere
Alltagskultur geprägt – ich würde sagen, so stark wie keine andere Schule“, sagte sie.FOTO: HARTMUT BÖSENER / IMAGO  Feuilleton

Berlin – Das Land Berlin will über den Bun-
desrat durchsetzen, dass in Deutschland
die Grundsteuer nicht mehr von den Ver-
mietern auf die Mieter abgewälzt werden
kann. Nach Informationen derSüddeut-
schen Zeitungwird der Berliner Senat des-
halb am Dienstag eine entsprechende Bun-
desratsinitiative beschließen. Derzeit wird
die Grundsteuer in der Regel im Rahmen
der Betriebskostenabrechnung auf die Mie-
ter umgelegt. Dies will der Berliner Senat
nun mit einem „Mieter-Grundsteuer-Ent-
lastungsgesetz“ abstellen.
In dem Gesetzentwurf heißt es, von der
nötigen Änderung im Bürgerlichen Gesetz-
buch würden fast 58 Prozent aller Haushal-
te profitieren. Wie groß die Erfolgsaussich-
ten der Berliner Initiative im Bundesrat
sind, lässt sich noch nicht abschätzen.

Die Höhe der Grundsteuer je Mietver-
hältnis unterscheidet sich erheblich. Für ei-
ne Einzimmerwohnung im Berliner Osten
können weniger als 80 Euro jährlich fällig
werden, für ein Reihenhaus mit kleinem
Garten im Berliner Westen mehr als 800.
Die Grundsteuer sei für die Mieter „ein
relevanter Kostenfaktor“, heißt es in dem
Berliner Gesetzentwurf. Das gelte auch des-
halb, weil vielen Haushalten „in den letz-
ten Jahren durch steigende Mieten reale
Kaufkraft verloren gegangen“ sei. Berlins
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sagte
der SZ: „Weil Eigentum verpflichtet, müs-
sen die Eigentümer die Grundsteuer tra-
gen.“ Mit der Berliner Initiative könne die-
se Steuer nicht mehr umgelegt werden –
„damit sinken die Nebenkosten und wir
entlasten die Mieterinnen und Mieter“.

Es seien vor allem die Eigentümer, „die
von einer intakten Infrastruktur profitie-
ren, welche über die Grundsteuer finan-
ziert wird“, heißt es in dem Berliner Gesetz-
entwurf. Dies trage „zum Werterhalt, zur
Wertsteigerung ihrer Immobilien bei und
beeinflusst auch die zu erzielende Miethö-
he“. Deswegen solle mit dem Gesetzent-
wurf die Umlagefähigkeit der Grundsteuer
auf die Mieter beendet werden.
Das kann der Bundesrat jedoch nicht al-
leine durchsetzen, es Bedarf auch einer
Mehrheit im Bundestag. Die SPD-Bundes-
tagsfraktion will die Mieter zwar ebenfalls
von der Grundsteuer entlasten. Und Ende
2018 hat das auch die damalige Justizmi-
nisterin Katarina Barley (SPD) gefordert.
In der großen Koalition sperrt sich aber die
Union gegen dieses Anliegen.

Jan-Marco Luczak (CDU), Mietrechtsex-
perte der Unionsfraktion, sagte der SZ, die
Umlagefähigkeit zu streichen, sei „ein Irr-
weg“. Er sei „nicht durchdacht, da er am En-
de zu einer Mehrbelastung aller Mieter
führt“. Denn die Eigentümer würden zum
Ausgleich bei Neuvermietungen die Kalt-
mieten erhöhen. Das führe dann „zu einem
Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete
und gibt damit allen Vermietern größeren
Spielraum für Mietsteigerungen“. Der Vor-
schlag sei deshalb „absurd“.
Luczak sagte, er sehe stattdessen zum
Beispiel den Berliner Senat in der Pflicht.
Er könnte in der Hauptstadt in eigener Ver-
antwortung „den Grundsteuerhebesatz
senken – auch das würde zu einer soforti-
gen und spürbaren Entlastung der Mieter
führen“. robert roßmann

Berlin – Derfrühere Grünen-Vorsitzende
Cem Özdemir strebt mit einer Kandidatur
um den Fraktionsvorsitz im Bundestag zu-
rück in die erste Reihe der Politik. Gemein-
sam mit der Abgeordneten Kirsten Kap-
pert-Gonther will er die Fraktionschefs An-
ton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt
ersetzen. Die Amtsinhaber verteidigten ih-
ren Führungsanspruch. Der Vorstand der
67-köpfigen Fraktion wird am 24. Septem-
ber gewählt. sz  Seiten 4 und 5

Kiew – Nach dem größten Austausch von
Gefangenen seit Beginn des Krieges in der
Ostukraine 2014 wollen Russland und die
Ukraine weiter verhandeln. Am Samstag
ließen die beiden Länder je 35 Inhaftierte
frei und wollen über weitere Übereinkom-
men dieser Art reden. Zudem wollen sie –
unter Beteiligung von Bundeskanzlerin An-
gela Merkel und Frankreichs Präsident Em-
manuel Macron – auch über ein Ende des
Krieges sprechen.sz  Seite 6

Monza – Beim Großen Preis von Italien hat
Charles Leclerc am Sonntag seinen zwei-
ten Formel-1-Sieg in Folge geholt. Der
21-jährige Monegasse hatte vor einer Wo-
che das Rennen im belgischen Spa gewon-
nen, nun verwies er Valtteri Bottas und
Louis Hamilton auf die Plätze zwei und
drei – und bescherte so Ferrari den ersten
Heimsieg seit 2010. Leclercs Teamkollege
Sebastian Vettel schaffte es nach einer Zeit-
strafe nur auf den 13. Platz.  Sport

Washington – Kurz vor einem erwarteten
Abkommen zwischen den USA und den Ta-
liban hat US-Präsident Donald Trump
überraschend erklärt, er habe weitere Ver-
handlungen mit den Islamisten wegen ei-
nes tödlichen Anschlags in Kabul abgebro-
chen. Trump schrieb in der Nacht zum
Sonntag auf Twitter, er habe zudem ur-
sprünglich für Sonntag in Camp David an-
gesetzte Geheimtreffen mit den Taliban
und – getrennt davon – mit dem afghani-
schen Präsidenten Aschraf Ghani abge-
sagt. Ob dies das endgültige Aus für die
Verhandlungen beider Seiten ist oder die
Gespräche nur ausgesetzt sind, blieb zu-
nächst unklar. Der Abbruch der Gespräche
schadet den Islamisten zufolge vor allem
der Regierung in Washington. Er beschädi-
ge die Glaubwürdigkeit der USA und zeige
der Welt, dass sie gegen Frieden seien,
hieß es in einer Mitteilung der Taliban am
Sonntag. In der Erklärung hieß es weiter,
man habe mit dem US-Verhandlungsteam
ein Abkommen erzielt, mit dem auch die
US-Seite zufrieden gewesen sei. Beide Sei-
ten seien damit beschäftigt gewesen, sich
auf die Unterzeichnung des Abkommens
vorzubereiten. sz  Seiten 4 und 6

19 °/3°

von alexander mühlauer


London – Premierminister Boris Johnson
treibt den Brexit-Streit mit dem britischen
Parlament weiter auf die Spitze. Medienbe-
richten zufolge ist er dazu bereit, sich über
das vom Unterhaus verabschiedete Gesetz
hinwegzusetzen, das einen No-Deal-Brexit
verhindern soll. Nach dem Willen des Parla-
ments muss die britische Regierung die EU
um eine Verlängerung der Austrittsfrist bit-
ten, sollte es beim EU-Gipfel am 17./18. Ok-
tober keine Einigung auf einen Brexit-Ver-
trag geben. Aus Downing Street verlautete
nun jedoch, dass Johnson dieses Gesetz
„sabotieren“ wolle. Im engsten Umfeld des
Premierministers sei man darauf vorberei-
tet, „die Kettensäge an alles anzulegen“,
was Johnsons Brexit-Kurs im Weg stehe,
berichtete dieSunday Times.

Johnson ist noch immer fest entschlos-
sen, Großbritannien am 31. Oktober, dem
bisherigen Austrittstermin, aus der Euro-
päischen Union zu führen – und sei es ohne
Abkommen. Sollte die Opposition ihn
dann wegen Missachtung des Gesetzes vor
dem Obersten Gerichtshof verklagen, spe-
kuliert der Premierminister darauf, dass
die Richter in der knappen Zeit bis Ende Ok-
tober zu keinem Urteil kommen. Ein unge-
ordneter Brexit wäre damit wohl nicht
mehr zu verhindern.
Um im Parlament eine Mehrheit für sei-
nen Brexit-Kurs zu bekommen, will John-
son Neuwahlen am 15. Oktober durchset-
zen. An diesem Montag möchte er im Unter-
haus erneut darüber abstimmen lassen.
Doch die Opposition dürfte sich weiter ge-
gen Neuwahlen aussprechen und Johnson
die nötige Mehrheit verwehren. Im Fall

von Neuwahlen lägen Johnsons konservati-
ve Tories laut einer am Sonntag veröffent-
lichten Umfrage unverändert bei 35 Pro-
zent der Stimmen – und damit deutlich vor
der Opposition. Die Labour-Partei ist bin-
nen weniger Tage in der Wählergunst um
vier Punkte gefallen und erreicht nur noch
21 Prozent. Die Liberaldemokraten liegen
bei 19 Prozent, die Brexit-Partei von Nigel
Farage erreicht 12 Prozent. Angesichts die-
ser Werte hofft Johnson auf einen Wahl-
sieg und damit auf ein klares Votum für sei-
nen Brexit-Kurs. Farage hat Johnson be-
reits einen Pakt angeboten. Beide wollen al-
les dafür tun, damit das Vereinigte König-
reich die EU am 31. Oktober verlässt.
Aus Protest gegen die Brexit-Politik der
Regierung legte die britische Arbeitsminis-
terin Amber Rudd am Wochenende ihr
Amt nieder. Sie glaube nicht mehr daran,

dass ein geordneter EU-Austritt das Haupt-
ziel der Regierung sei, schrieb die konserva-
tive Politikerin in ihrem Rücktrittsschrei-
ben an Johnson. „Die Regierung steckt viel
Energie in die Vorbereitungen für einen No
Deal, aber ich habe nicht das gleiche Maß
an Intensität in den Gesprächen mit der Eu-
ropäischen Union gesehen“, so Rudd.
Sie verurteilte auch den Rauswurf von
Abgeordnetenkollegen durch Johnson aus
der Tory-Fraktion. „Ich kann nicht zuse-
hen, wie gute, loyale, moderate Konservati-
ve ausgeschlossen werden“, schrieb Rudd.
„Ich kann diesen politischen Vandalismus
nicht mittragen.“ Deshalb trete sie auch
aus der Fraktion aus. Johnson hatte vergan-
gene Woche 21 Tories aus der Fraktion ge-
worfen, die im Streit um den Brexit-Kurs
des Premierministers gegen die eigene Re-
gierung gestimmt hatten.  Seite 4

HEUTE


Die SZ gibt es als App
fürTablet und Smart-
phone: sz.de/zeitungsapp

Ein paar Tage nach der Publikation ist das
immer gleiche Ritual zu beobachten: So-
bald eine hochrangige Fachveröffentli-
chung erscheint, in der vor Risiken der
Hormoneinnahme in den Wechseljahren
gewarnt wird, wiegelt der Berufsverband
der Frauenärzte ab: Stimmt ja gar nicht,
unsere Frauen sind anders. Die Reaktion
erinnert fatal an trotzige Dreijährige,
denn die Funktionäre scheinen sich prin-
zipiell gegen alles aufzulehnen, was ihren
eingeübten Gewohnheiten widerspricht.
Vor Kurzem ist im FachblattThe Lan-
cet, einem weltweit führenden Journal
für Mediziner, eine Analyse unter Beteili-
gung von Richard Peto und Valerie Beral
erschienen, beide Großmeister in den Be-
reichen Epidemiologie und Brustkrebs.
Das Ärzteteam kommt zu dem Schluss,
dass Hormone in den Wechseljahren das
Risiko für Brustkrebs erhöhen und von
den 20 Millionen Brust-Tumoren, die seit
1990 in westlichen Ländern aufgetreten

sind, etwa eine Million auf Hormone zu-
rückzuführen seien. Je nach Präparat und
Einnahmedauer falle das Risiko verschie-
den aus: Nach einem Jahr sei es gering er-
höht, nach fünf Jahren deutlicher.
Seit die WHI-Studie im Jahre 2002 er-
gab, dass durch Hormone in den Wechsel-
jahren das Risiko für Brustkrebs, Herzin-
farkt, Thrombosen und Embolien an-
steigt, haben zahlreiche hochrangige Ana-
lysen die Gefahr bestätigt. Entgegen der
eindeutigen Beweislage verharmlost der
Berufsverband der Frauenärzte die Tatsa-
chen immer wieder und verschickte noch
2016 eine Pressemitteilung mit dem ge-
wagten Titel: „Hormonersatzbehandlung
in den Wechseljahren hat mehr Nutzen
als Risiken“. Nun wird Falsches nicht

wahr, indem es wiederholt wird. Trotz-
dem findet Christian Albring, Präsident
des Berufsverbandes, dass auch die gera-
de erschienene Lancet-Studie „nichts
Neues enthält und inhaltlich problema-
tisch ist“.
„Es ist eine beliebte Reaktion medizini-
scher Berufsverbände, unliebsame Stu-
dien abzuwerten und die Ergebnisse zu
diskreditieren, ohne ihre Gegenposition
mit eigenen hochwertigen Untersuchun-
gen zu belegen“, sagt Studienexperte
Gerd Antes, lang jähriger Leiter des Coch-
rane-Zentrums in Freiburg, das die Quali-
tät medizinischer Studien bewertet. Tat-
sächlich haben weder der Berufsverband
noch andere Kritiker der Hormon-Kritik
bisher eine ernst zu nehmende Studie vor-

gelegt, die ihre Ansichten belegt. Dass
Hormone Beschwerden in den Wechsel-
jahren lindern können, ist unbestritten.
Diese Wirkung geht jedoch mit den be-
schriebenen Risiken einher.
„Vom Berufsverband der Frauenärzte
sind wir irreführende Meldungen ge-
wohnt“, sagt Ingrid Mühlhauser, Gesund-
heitswissenschaftlerin aus Hamburg.
„Der Verband scheint nicht die Interessen
der Frauen zu vertreten, sondern eigene
berufspolitische.“ Die Ärztefunktionäre
würden das Brustkrebsrisiko verharmlo-
sen und Daten missverständlich kommu-
nizieren. Das seien gerne genutzte Strate-
gien, um Fakten zu ignorieren, so die Ex-
pertin für Evidenzbasierte Medizin. Mühl-
hauser regt an, Mitteilungen des Berufs-
verbands der Frauenärzte mit Warnhin-
weisen zu versehen: „Achtung – der Be-
rufsverband vertritt Geschäftsinteres-
sen. Informationen nicht für den Ge-
brauch geeignet!“ werner bartens

Ukraine und Russland


in Verhandlungen



NACHTS

Britischer Brexit-Streit eskaliert weiter


Nachdem das Parlament ein Gesetz gegen den ungeordneten Brexit erlassen hat, scheint Premier


Boris Johnson bereit zu sein, sich über das Recht hinwegzusetzen – um den EU-Austritt zu erzwingen


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Bauhaus in Dessau


Grundsteuer soll nicht länger Mieter treffen

DasLand Berlin will über den Bundesrat erreichen, dass Eigentümer die Kosten selbst tragen müssen


Hormon-Propaganda


Wenn Ärztefunktionäre Fakten leugnen


Cem Özdemir will


Grünen-Fraktion führen


Heimsieg


für Ferrari


DAS WETTER



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Der Welterklärer: Sascha Lobos Gespür für die Gegenwart Die Seite Drei

Gewinnzahlen vom Wochenende
Lotto ( 07 .09.): 9, 11, 28, 29, 35, 36
Superzahl: 3
Toto: lag noch nicht vor
Auswahlwette: lag noch nicht vor
Zusatzspiel: lag noch nicht vor
Spiel 77: 9716249
Super 6: 1 5 3 8 1 4 (Ohne Gewähr)
 Weitere Gewinnzahlen:
Wirtschaft, Seite 18

Trump lädt


Taliban aus


Afghanische Islamisten sollten
in den USA über Frieden verhandeln

(SZ) Kaum etwas hat sich in der Vergangen-
heit so radikal gewandelt wie die Zukunft,
um hier zeithistorisch zu Beginn der neuen
Woche gleich mal in die Vollen zu gehen.
Die Zukunft war früher nämlich eine einzi-
ge Verheißung, sie war in der Vorstellung
der Leute ein ewiger Sommer, in dem alles
fast zwangsläufig immer heller und schö-
ner und in Summe jedenfalls besser wer-
den würde. Und weil die Leute an diese hel-
le Zukunft glaubten, fühlte sich auch ihre
Gegenwart irgendwie leichter an. Diesen
Zusammenhang verstand zwar niemand,
aber es gab ja auch noch Frank Schirrma-
cher, und der konnte ihn sogar erklären.
Wir lebten, schrieb Schirrmacher nicht nur
mit Blick auf die Börse, in einer Welt, in der
Erwartungen wichtiger seien als Ereignis-
se. Nun haben eine ganze Reihe von Ereig-
nissen die Erwartungen ziemlich einge-
trübt, und wir lebten, schreibt der Sozial-
psychologe Harald Welzer, fortan in einer
Welt, in der Zukunft bedeute, Schlimme-
res zu verhindern.
„Schlimmeres verhindern“, das könnte
so ähnlich auch die Linkspartei irgendwo
mal plakatiert haben, bei der man auch
sonst nie so recht weiß, wo genau zwischen
Vergangenheit und Zukunft sie eigentlich
zu verorten ist. Mit Sicherheit sehr gegen-
wärtig sind für die Linke ihre miserablen
Wahlergebnisse in Brandenburg und Sach-
sen. Ihr Vorsitzender wäre deswegen nicht
durchgekommen mit dem Versuch, diese
Resultate als bloße Ereignisse abzumode-
rieren, die ja bitte lange nicht so wichtig
seien wie die nach wie vor blendenden Er-
wartungen seiner Partei für die Zukunft.
Bernd Riexinger machte stattdessen dar-
auf aufmerksam, dass die Linke vor allem
von älteren Wählern getragen würde, also
solchen, bei denen der Urnengang perspek-
tivisch nicht mehr nur auf einen Sonntag
fällt. Er empfehle seiner Partei deswegen,
ist in derWeltzu lesen, sich „noch stärker
den Zukunftsthemen“ zuzuwenden.
Was aber sind Zukunftsthemen? Riexin-
ger nannte als ein Beispiel dafür die Digita-
lisierung, das war geschickt, denn eine
sicherere Anleihe als diese Vokabel lässt
sich auf dem Markt der Meinungen derzeit
nicht platzieren. Wichtiger aber ist, neben
solch offensichtlichen Zukunftsklassikern
kleinere Themen nicht außer Acht zu las-
sen, die auch nach übermorgen noch eine
Rolle spielen könnten. Über die digitale
Glaskugel Google etwa ist mit einer Suche
nach „Zukunftsthemen“ zu erfahren, dass
in Wesel am unteren Niederrhein die Ver-
füllung von Auskiesungsflächen derzeit
das bestimmende Zukunftsthema sei, in
Rothemühl in der Ueckermünder Heide
hingegen konzentriert sich alles auf das Zu-
wuchern eines Fernradweges. So geht das
seitenweise fort und wenn es die Sache für
Parteien und Politiker auch schwieriger
macht, so liegt in dem umfangreichen Be-
fund für alle anderen doch zunächst eine
gute Nachricht: Noch ist offenbar für alles
und jeden reichlich Zukunft vorhanden.


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