Die Zeit - 12.09.2019

(singke) #1

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Herr Brüggemann, Herr Kruse, Sie waren drei Wochen lang in


Malaysia und haben eine Fotoserie zum Thema Freundschaft
gestaltet, mit Fotos, die auf diesen Seiten zu sehen sind. Wie


kam es dazu?
Jörg Brüggemann: Wir sind zusammen auf die Insel Penang in


Malaysia gefahren, weil wir von einem Fotografie-Festival ein Stipen-
dium erhalten hatten. Wir haben gedacht: Was ist ein gemeinsames


Thema? Und so kam das mit der Freundschaft.
Warum ist Freundschaft für Sie ein wichtiges Thema?


ToBias Kruse: Weil es das noch nicht gab, wir sind beide auf der
Suche nach Themen, die nicht so unmittelbar erzählbar sind.


Inwiefern war Malaysia als Ort wichtig?
Kruse: Wir waren in Georgetown, einer Stadt auf der Insel, wo das


Leben ein bisschen anders ist als auf dem Festland. Es leben viele
Chinesen und Inder dort. Die Insel hat auch mit unserer eigenen


Freundschaft zu tun. Wir haben dort bereits zweimal Foto-Work-
shops geleitet. Dabei hat sich unsere Freundschaft vertieft.


Wie schwierig ist es, ein Thema zu bebildern, das man nicht
konkret greifen kann?


Brüggemann: Es ist eine Frage des Zugangs. Man muss sich da
reinfühlen, das ist das Entscheidende. Freundschaft ist ja vor allem


erst mal ein Gefühl. Das muss man ausleben, man muss sich rein-
fühlen, es aushalten. Und daraus entstehen dann Bilder.


Ihre Bilder zeigen auch Fische und Hunde. Können denn Tiere
Freunde sein?


Brüggemann: Ich glaube, dass Menschen solche Gefühle wie
Freundschaft oft in Tiere hineininterpretieren, weil sie sich gerne


von Tieren repräsentiert sehen. Wenn man ein Foto von einem
Fischschwarm sieht, und da steht die Überschrift »Freundschaft«


drüber, dann denkt man sich: »Okay, das ist ’ne Gang.« Sind Fische


miteinander befreundet? Ich glaube nicht. Bei Hunden halte ich das
allerdings für möglich.
Wenn man sich das Bild mit der Frau und dem Hamster an-
schaut: Die Frau kann mit dem Hamster befreundet sein – der
Hamster aber nicht mit der Frau?
Brüggemann: Es gibt auf jeden Fall eine enge Verbindung zwischen
Menschen und Tieren. Die haben wir in diesem Fall auch gespürt,
sonst hätten wir dieses Foto nicht gemacht.
Kruse: Ich weiß nicht, ob ich mich in einen Hamster hineinfühlen
kann. Aber wenn es um Menschen und Tiere geht, gibt es natürlich
auch dieses Verhältnis von Stärke und Schwäche, ganz besonders
auch bei so einem kleinen Tier. Da gibt es diesen großen Menschen,
der sich um dieses kleine Wesen kümmert. Und das nicht ganz ohne
Eigennutz, weil er auch etwas davon hat.
Menschen erzählen sich seit Jahrhunderten Tierfabeln, um abs-
trakte Sachverhalte zu veranschaulichen. Ist das auch Ihr Ziel?
Brüggemann: Das Geschichtenerzählen wohnt der Menschheit ja
fundamental inne. Mit der Sprachfindung des Menschen sind die
Geschichten gekommen. Und das ist im Prinzip genau das, was
auch wir machen. Unsere Bilder erzählen ebenfalls Geschichten.
Die Dinge, von denen wir erzählen, sind so alt wie die Menschheit:
Freundschaft, Liebe, Zuneigung, abgestoßen werden, also auch die
negativen Seiten von alledem. So, dass sich jeder auf seine Weise
damit verbunden fühlen kann.
Ihr Foto vom Baum und seinen immensen Wurzeln – wie passt
das zum Thema Freundschaft?
Kruse: Es gibt diesen Baum, der hat eine Wurzel, dazu kann man
sich Gedanken machen. Manchmal ist es auch einfach nur ein Ge-
fühl, was man zu Bildern hat. Das muss auch nicht erklärt werden.
Sie zeigen auch Menschen, die auf den Fotos allein zu sehen sind.
Wo ist da der Freund oder die Freundin?
Kruse: Es gibt zum Beispiel das Bild von dieser lachenden Frau.
Die ist in der Situation nur so erfreut und total gelöst, weil sie mit
Freunden zusammen ist. Aber man muss die ja nicht unbedingt
ebenfalls zeigen.
Was macht Ihre eigene Freundschaft zueinander aus?
Kruse: Wir sehen uns oft, wir haben Spaß miteinander, wir ver-
reisen miteinander. Wir erzählen uns Dinge, die wir anderen nicht
erzählen würden.
Brüggemann: Wir streiten uns und vertragen uns.
Ab wann ist man eigentlich miteinander befreundet? Wie war
das bei Ihnen?
Kruse: Bei uns hat es länger gedauert.
Brüggemann: Irgendwann merkt man, dass man den anderen an-
ruft, ohne einen Grund dafür zu haben, sondern weil man einfach
reden will. Das ist bei mir häufig der Moment, wo ich merke, das
ist Freundschaft. Ich will nichts, und niemand will was von mir,
sondern es geht nur darum, dass man Zeit miteinander verbringt,
weil man das genießt.
Kruse: Ziellos im positiven Sinne – es hat keinen Grund. Man ver-
folgt kein Ziel, um irgendwas zu erreichen.
Sind Sie nach dieser Arbeit nun zu Experten geworden in Sachen
Freundschaft?
Brüggemann: Nein.
Kruse: Wir sind Experten unserer eigenen Freundschaft geworden.

Vo n JOHANNES PALM


12 .9.19 N^0 38

Tobias Kruse (links), 40, geboren in Waren an der Müritz,


ist Mitglied der renommierten Fotoagentur Ostkreuz


in Berlin. Er gewann mehrere Preise, unter anderem den


New York Foto Award. Jörg Brüggemann, 39, geboren


in Herne, ist ebenfalls bei Ostkreuz. 2 012 erschien


sein Fotoband »Metalheads – The Global Brotherhood«

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