1 Ein Spezial des Zeitverlags | NAME SONDERTHEMA | ANZEIGE
UWE BAHN
Was haben Chicago, Detroit
und Toronto gemeinsam? Sie
liegen nicht am Meer – und
sind trotzdem Kreuzfahrtziele.
Die »Hamburg« hat sie im Pro-
gramm, und zwar zur besten
Reisezeit: dem Indian Summer.
Rot-gelb-braun ist das Laub: Es ist
Indian Summer in den USA und
in Kanada. Und zwar nicht nur
in den Neuengland-Staaten oder
in Quebec, wo der Oktober die
»high season« ist, sondern auch
weiter landeinwärts im Gebiet der
Großen Seen – die man zu dieser
prachtvollen Jahreszeit auch mit
einem Kreuzfahrtschiff erleben
kann. Nur wenige Hochseeschif-
fe können das – die kleine »Ham-
burg« ist eines davon. Sie befährt
das Revier zwischen Lake Michi-
gan und Lake Ontario regelmäßig
im Herbst. Sie hat die richtigen
Maße für die Schleusen, die wir
passieren auf dem Weg von Chica-
go über Detroit und Toronto nach
Montreal. Eine Woche in pracht-
voller Naturkulisse – und eine fan-
tastische Städtereise zugleich.
In Chicago, der drittgrößten
Stadt der USA, beginnt die Seen-
fahrt. Da wir nur eine Teiletappe
der großen Indian-Summer-Reise
fahren, bleibt leider nur Zeit für
eine Busrundfahrt. Genug, um
zu ahnen, dass es sich lohnt, ein
paar Tage hier zu verbringen.
Chicago ist bekannt für Jazz, für
Blues – und für organisiertes Ver-
brechen. Von alldem ist auf der
»Hamburg« nichts zu fi nden. Als
wir den Cruise Terminal verlas-
sen, verschwindet die Sonne hin-
ter der Skyline. Der Lake Michi-
gan könnte auch ein Meer sein, so
uferlos wirkt er schon bald nach
dem Ablegen. Flächenmäßig ist
er so groß wie Nordrhein-West-
falen und Mecklenburg-Vorpom-
mern zusammen.
Weiter geht es über Traverse
City zu einem Hafen, der zu Recht
in keinem Reiseführer auftaucht:
Alpena, der Ort mit dem gewissen
Nichts im Nordosten des Bun-
desstaates Michigan. Die Lady
im örtlichen Infocenter gesteht,
dass die »Hamburg« das einzige
Kreuzfahrtschiff in diesem Jahr
ist. Wir wandern die Main Street
rauf und runter, deren Hotspots
ein Beerdigungsinstitut und eine
tote Katze am Straßenrand sind.
»Dead Cat Village« werden wir
den Flecken fortan nennen.
Mit Windsor erreichen wir die
erste kanadische Stadt. Per Bus
soll es wieder in die USA gehen,
denn auf der anderen Seite des
Flusses liegt Detroit, unser Ziel
für heute. Das bedeutet: erneute
Passkontrolle. Der dafür zustän-
dige US-Grenzer will alles wis-
sen. »Wie viele Stunden haben Sie
in der Grundschule gefehlt?« Nur
diese Frage habe ich vermisst.
Detroit, die Motor City also.
Kein Hochglanzerlebnis, aber
amerikanischer Alltag hautnah.
Und mit einem kleinen Einfami-
lienhaus am West Grand Boule-
vard besuchen wir einen Ort, an
dem Musikgeschichte geschrie-
ben wurde: Es ist die Heimat des
legendären Plattenlabels Motown.
Die größten Soul-Hits der Sech-
ziger- und frühen Siebzigerjahre
wurden hier produziert, hier im
»Studio A« von Berry Gordy, dem
Motown-Macher. Michael Jack-
son, Stevie Wonder, Diana Ross
- sie alle sangen auf diesen paar
Quadratmetern ihre Welthits
ein. Das Haus ist seit 1985 ein
Museum, aber der Soul ist immer
noch spürbar.
Von nun an fi ndet der Indian
Summer vor allem auf Ahornblät-
tern statt – wir bleiben in Kanada.
Passieren zwischen Lake Erie und
Lake Ontario den Wellandkanal:
Acht Schleusen hat das Nadelöhr,
hundert Meter Höhenunterschied
werden dabei auf einer Strecke
von 43 Kilometern überwunden.
Der Kanal verhindert, dass wir mit
der »Hamburg« die Niagarafälle
hinunterfahren müssen. Die er-
reichen wir am nächsten Tag mit
dem Bus von Toronto aus. Auf die
Idee kamen auch noch andere.
Entsprechend dicht ist die In-
frastruktur aus Fast-Food-Ketten
und Erlebnisgastronomie, von
»Hard Rock Cafe« bis »Margari-
taville«. Natürlich, Niagara ist
ein Pfl ichtausfl ug, doch er lohnt
sich wirklich – auf alle Fälle, so-
zusagen. Live zu erleben, wie die
Wassermassen hier an der Grenze
zwischen den USA und Kanada
über Felsen in die Tiefe stürzen –
das schlägt jedes YouTube-Video.
Von Toronto aus nimmt das
Schiff Kurs auf Montreal, unsere
Endstation. Auf dem Weg dorthin
erleben wir die schönste Passage
der ganzen Reise: Am Übergang
vom Ontariosee in den St.-Lorenz-
Strom kreuzen wir zwischen den
»Th ousand Islands«. Tatsächlich
ragen Tausende Eilande hier aus
dem Wasser, vergleichbar den
Schärengärten vor Stockholm. Ein
Eifriger hat nachgezählt und ist
auf 1 864 gekommen. Auf einigen
stehen prächtige Anwesen, kleine
Fluchten für Nordamerikas Mil-
lionäre. Und irgendwo hier soll vor
rund hundert Jahren jenes Salat-
dressing erfunden worden sein,
das seither ihren Namen trägt:
»Th ousand-Islands-Dressing«.
Unser Dressing für den Abend
heißt: Anzug. Im Restaurant hat
sich alles zum Galadinner ver-
sammelt. Die »Hamburg« ist noch
einer der Klassiker der Kreuz-
fahrt, der solche Traditionen be-
wahrt. Und damit es im Rennen
bleibt, wird das Schiff im März
2020 kräftig renoviert. Unter an-
derem erhalten die Kabinen auf
Deck 4 und 5 dabei absenkbare
Panoramafenster. Warum keine
Balkone? Das Schiff könnte dann
nicht mehr die Großen Seen be-
fahren, es wäre zu breit für die
Schleusen im Wellandkanal. Und
das wäre ein Jammer. z
Herbstfahrt auf den Großen Seen
Der Lake Michigan
könnte auch
ein Meer sein,
so uferlos wirkt er
schon bald nach
dem Ablegen.
Flächenmäßig
ist er so groß wie
Nordrhein-Westfalen
und Mecklenburg-
Vorpommern
zusammen.
Acht Schleusen hat der Wellandkanal, hundert
Meter Höhenunterschied werden dabei auf
einer Strecke von 43 Kilometern überwunden
Schiff e gucken an der Elbe
Alle zwei Jahre fi nden die
Hamburg Cruise Days statt –
an diesem Wochenende ist es
wieder so weit: Zwölf beliebte
Cruiseliner, darunter auch
zwei Flusskreuzer, besuchen
den Hamburger Hafen vom
- bis 15. September zum
größten Kreuzfahrt-Hafen-
fest der Welt. Höhepunkt ist
die Cruise Days Parade am
Samstagabend, wenn fünf
Kreuzfahrtschiff e elbabwärts
ziehen, begleitet von rund 20
Begleitschiff en und großem
Feuerwerk. Die Parade
wird vom NDR live
übertragen.
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STOPOVER IN DETROIT
Detroit, die einstige »Motor City«, hat zwar
schon bessere Zeiten gesehen, ist einen
Besuch aber dennoch wert. Die Passagiere
der Indian Summer-Reise der »Hamburg«
besuchen dort unter anderem das Studio,
in dem das Motown-Plattenlabel zu Hause
war. Die 700 000-Einwohner-Stadt liegt
an der kanadischen Grenze zwischen Lake
Erie und Lake St. Clair.
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Foto: Erika Tiren
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