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Die Hitze des Aufpralls sterilisierte
den Boden. Womöglich löschte sie viele
Mikroben aus; vor allem sehr einfache,
robuste widerstanden. Darunter solche,
die eine Urversion von Erbsubstanz in
sich trugen, eine simple DNA. Sie gel
ten heute als ausgestorben, weil sie mit
der Anpassungsfähigkeit der mit einem
moderneren Genom ausgestatteten Mi
kroben nicht mithalten konnten. Viel
leicht aber haben diese Urformen in
Refugien von Südafrikas Untergrund
überdauert- neben anderen Exoten wie
dem "wagemutigen Reisenden". Sie
könnten Aufschluss über die Gründer
zeit der Evolution geben -in welchen
Schritten entwickelte sich das Leben?
Den Forschern erscheinen so einige
Wesen, die sie finden, wie Außerirdische.
Kurz nach der Entdeckung von Desul
forudis audaxviator stöberte ein Team
wn Onstott in einer Mine nahe Moab
Khotsong den "Teufelswurm" auf. Der
etwa einen Millimeter lange Fadenwurm
lebt bis zu 3,6 Kilometer von der Ober
fläche entfernt und frisst mit Vorliebe
Bakterien. Inzwischen haben die For
scher in Bergwerken auch Gliedertiere,
Flachwürmer und Rädertierchen ge
funden. Niemand hätte mit einem gan
zen Zoo komplexer Tiere in so großer
Tiefe gerechnet.
,,In Minen lernen wir, unter welchen
Bedingungen wir auch auf fernen Pla
neten vielleicht Organismen erwarten
können", sagt Onstott, der die NASA bei
Marsmissionen berät. "Auch wenn die
Himmelskörper äußerlich tot erschei
nen, im Innern könnte es rund gehen."
Der Geologe glaubt gar, dass manche
Wesen ihre Heimat manipulieren. Zu
mindest auf unserer Erde. Onstott hat
Mikroben in Verdacht, die Wasserstoff
zum Überleben brauchen. Vielleicht lö
sen sie immer wieder Erdbeben aus,
während sie das Gestein zerfressen und
destabilisieren. Was für sie von Vorteil
wäre. Denn solche Erschütterungen be
günstigen die Abspaltung von Wasser
stoff aus Wassermolekülen. Jedes Be
ben würde die Organismen also besser
mit Wasserstoffversorgen-und ihre
Existenz sichern. Wenn Onstott damit
recht behalten sollte, dann wären die
Winzlinge machtvolle Gestalter.
M
OAB KHOTSONG, LEVEL 95. Zentimeter um
Zentimeter fräst sich der diamantbesetzte Bohr
kopfweiter hinein in den Fels. Doch nach zwei
Stunden Aufenthalt in der Tiefe muss Maggie
Lau zurück zum Aufzug, und zwar pünktlich. Jede Fahrt ist
akribisch geplant. Zeit und Ladekapazitäten sind kostbar in
einer Mine.
Als die Mikrobiologin am nächsten Tag zu einer weiteren
Inspektion hinabfahren will, streikt die Bohrmaschine. Ein
Scharnierbolzen ist gebrochen, ein unscheinbares Stück
Metall. Teile des Bohrers müssen demontiert und nach und
nach zur Reparatur im Fahrstuhl an die Oberfläche verfrach
tet werden, das dauert Tage. Priorität hat immer das Erz.
Wir machen uns per Aufzug stattdessen zum stillgelegten
LevellOO auf. Lau hat einen Plan: Sie will ein Ventil kontrol
lieren, mit dem die Kumpel vor Jahren eine alte Bohrung ab
gedichtet hatten. Bei der Goldsuche drillen auch sie zur Ex
ploration immer mal wieder in die Wände und verschließen
danach stets die Öffnungen.
Nicht nur die tief im
Gestein verborgenen
Lebewesen wecken
das Interesse der
Forscher. Sie nehmen
Proben auch von
Tropfsteinen, die sich
im Bergwerk gebildet
haben und oft von
Mikroben bewachsen
sind. Dabei handelt
es sich meistens um
•Zugezogene«: über
die Schächte einge
drungene, oberirdisch
lebende Einzeller
GEO 09 2019