GEO - 09.2019

(Nancy Kaufman) #1
Ludolf von Maltzan
Bauer und Geschäftsführer des
Ökodorfs Brodowin

Ludolf von Maltzan bedenkt auch
jene, die am Rande stehen: die
Blumen und Kräuter am Rain seiner
Felder und die Tiere, die sie
umschwärmen. Der Bauer und
Leiter des Biohofes in Brodowin
wirtschaftet erfolgreich und lässt
dabei trotzdem die Arten leben.
Manchmal »Wächst das Unkraut
ohne Ende«, sagt er. ••Aber wir
können das ja nicht einfach
wegspritzen.« Auch Maltzan wurde
als konventioneller Landwirt
ausgebildet. Wie öko geht, brachte
er sich selbst bei. »Heute weiß ich,
dass Biolandbau funktioniert. Auch,
weil die Gesellschaft mitgeht.«

GEO 09 2019


Der beschauliche
Hofladen täuscht
über die Größe des
Betriebs hinweg:
Das Ökodorf beliefert
viele Bioläden und
Supermärkte in
Berlin mit Naturkost.
Privatkunden können
auch direkt ordern;
das Unternehmen
verteilt die grünen
Kisten per Fahrrad

Bilderbuchlandschaft rahmt den Ort im
Biosphärenreservat Schorfueide-Chorin.
Hügel schwingt sich an Hügel, die Wie­
sen an den Hängen duften nach Thymian.
Über vielen Feldern schwebt jetzt, im
jungen Sommer, ein blau-roter Flor: die
Blüten von Klatschmohn und Kornblu­
men. Bald nach der Wende haben Ein­
wohner von Brodowin beschlossen, ihre
ehemalige LPG als Biobetrieb weiterzu­
führen. Inzwischen gibt es noch zwei
kleine Biohöfe im Dorf. Nur ein Bauer in
der Gemarkung Brodowin wirtschaftet
noch konventionell. Die Brodowiner ha­
ben deshalb einen zweiten Namen für
ihren Ort: Ökodorf.
Das Logo des größten Hofes kenne
ich, bevor ihn besuche. Ein stilisierter
Ochse vor einem Pflug. Der Betrieb be­
liefert auch den Schöneberger Biosuper­
markt. 1,49 Euro kostet dort der Liter
Brodowiner Milch. Rund 50 Cent da­
von, sagt Ludolfvon Maltzan, gehen an
ihn als Erzeuger. Von Maltzan leitet

den Hof. 220 Kühe, 300 Milchziegen, je
1800 Legehennen und Bruderhähne,
140 Angestellte, außerdem 1500 Hektar
Grün-und Ackerflächen. Von Maltzan
zeichnet auf einer Landkarte einen gro­
ßen Kreis um das kleine Dorf.
Neun Uhr morgens, ein blitzblauer
Himmel über Brodowin, für den Nach­
mittag sind 35 Grad Celsius angesagt.
Wir sind in von Maltzans Büro verabre­
det. "Kommen Sie", sagt er bald, "an ei­
nem Tag wie heute hält es einen Bauern
nicht am Schreibtisch."
Von Maltzan steuert seinen Gelände­
wagen über Feldwege, vorbei an Som­
mergerste und Winterroggen, Weizen,
Hafer. Entlang der Felder ein bunter
Saum. Ackerwildflora.
Echte und Falsche Kamille, Klatsch­
mohn, Acker-Vergissmeinnicht, Gelber
Günsel, Acker-Senf, Hellerkraut, Ge­
meiner Odermennig, Acker-Gauchheil,
Purpurrote Taubnessel, Acker-Schwarz­
kümmel, Kornblume: Kräuter und Blu­
men, die ihren Lebensrhythmus an je­
nen der Nutzpflanzen angepasst haben.
Geht die Kultursaat auf, keimen auch
sie. Manche im Herbst, wenn das Win­
tergetreide ausgebracht wird. Andere
im Frühjahr mit der Sommerfrucht. Bis
zur jeweiligen Ernte durchlaufen sie
den gesamten Vegetationszyklus- Blüte,
Samenbildung, Absterben.

w

ISSENSCHAFTLER DES
in Braunschweig ansässi­
gen Thünen-Instituts, des
Bundesforschungsinstituts
für ländliche Räume, Wald und Fische­
rei, haben in einer großen Studie das
Wirtschaften von konventionellen und
Ökobauern verglichen und dabei auch
die Folgen für die Biodiversität unter­
sucht. Die deutlichsten Unterschiede
zeigten sich bei genau der dezenten
Pracht, die längs von Maltzans Äckern
sprießt. Die durchschnittliche Arten­
zahl der Ackerflora liegt bei Biohöfen
um 95 Prozent über den Werten kon­
ventioneller Betriebe. Kräuter und Blu­
men bilden die Grundlage für ein bun­
tes Insektenleben (23 Prozent mehr
Spezies), von dem wiederum das Vogel­
leben profitiert (Arten plus: 35 Prozent).
Ein Biobauer spritzt die Kräuter niemals

35
Free download pdf