Viele Mädchen sehen Lucero Marirza Vitola Salas durch eine rosarote Brille. Denn die 29-Jährige verbringt
ihre Freizeit damit, ihnen bei Haarschnitten und Zöpfen zu helfen. Sie arbeitet auf der Nachbarinsel Mucura
Meeresspiegels. Sie hat keinen Hügel
und keinen Deich, keinen Strand, kei
ne Mangroven. Die Jugend steht vor der
großen Frage: Bleiben und retten? Oder
es da draußen in der Welt schaffen?
Die Geschwister de Hoyos sind nur
ein Jahr auseinander, ähneln sich je
doch nicht. Sie haben dieselbe Mutter,
aber unterschiedliche Väter, so wie die
meisten Kinder und Jugendlichen auf
Islote. Adrüin hat schwarze Haut, er ist
lang und schlank, ein spinnenartiger
Körper, dessen Gliedmaßen sich wie in
Zeitlupe bewegen. Maya ist klein und
"milchkaffeebraun", eine Hautfarbe, die
sich zu ihrem Ärger von der Sonne der
vergangenen Tage gerade in Richtung
"zimtbraun" verdunkelt.
Für Maya sind es die wichtigsten
Tage des Jahres. Horden von Besuchern
werden über die Feiertage erwartet. Sie
alle kommen mit derselben Frage im
GEO 09 2019
Kopf: Wie leben Menschen bloß auf
solch engem Raum? Wie hält man das
aus? Maya führt sie als Tourguide her
um, es ist ihr Ferienjob.
Zügig schreitet sie aus der Enge des
Hauses hinaus in die noch engere Gas
se. Von einem N achbarviertel, Patio del
Baile, dringt noch der Rumba der Nacht.
Von einem anderen, Oasis, erschallen
schon die Litaneien des Gottesdienstes.
Kirche und Rumba -das sind die Eck
punkte des Lebens hier.
Dazwischen, im Viertel La Rampa,
auf dem einzigen größeren Platz der
Insel, versuchen sich die Bewohner am
Frühsport, verschrieben vom Arzt, der
einmal im Monat aus Cartagena kommt.
Sie gehen im Rechteck auf 15 mal sie
ben Metern, sie drehen rund 100 Run
den, um auf etwa fünf Kilometer zu
kommen. Sie bewegen sich wie auf ei
nem Gefängnishof
KARIBISCHER MIKRO-KOSMOS
Santa Cruz del lslote liegt
etwa 20 Kilometer westlich des
kolumbianischen Festlands.
Die kleinste Insel des San-Ber
nardo-Archipels wurde künst
lich auf einem Korallenriff
im Karibischen Meer errichtet.
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