GEO - 09.2019

(Nancy Kaufman) #1
sie tragen weiße T-Shirts mit der Auf­
schrift "Retter des Riffs". Sie hängen an
seinen Lippen, nicht an denen ihrer El­
tern. Sie schimpfen sogar mit ihnen,
wenn die wieder Hai oder Schildkröte
zubereiten. "Wir haben den Konsum
dieser Tiere schon um 80 Prozent re­
duziert", sagt Adrian stolz.

E


IGENTLICH SOLLTE er
Fischer werden wie alle in
seiner alteingesessenen Fa­
milie. Seine Urgroßeltern
gehörten zu den ersten Fi­
schern der Region. "Aber kein Jugend­
licher macht das heute noch, die Meere

Platz ist fü r zwei Kirchen, drei


Läden, 150 Kampfhähne und


mebr als 200 Kinder


argumentiert sie, Solarpaneele aus Ja- richteten Tiere in die Arena, ein Event,
pan, Umweltmesstechnik aus den Nie- das an anderen Orten wegen Tierquä­
derlanden. lerei verboten ist. Auch Adrüin nimmt
Adrian sieht die Zukunft in der Be­
wahrung, der Begrenzung, der Tradi­
tion, aber -das gibt auch er zu: Die In­
spiration dafür kam aus der Welt, von
internationalen Naturschützern. Zum

teil. Hier kann er so viel verdienen wie
in einem Monat als Umweltschützer.
Ein blutiges Spektakel -das räumt er
ein. "Aber es ist Teil der Kultur", vertei­
digt er sich. "Man kann nicht immer
nur edel sein."
Anschließend ziehen er und Maya
zur Rumba ins Ausgehviertel Zona Rosa.
Es handelt sich eher um einen Mini­
platz von zehn Quadratmetern, den
man am süffigen Geruch erkennt. Der
Boden ist getränkt von Bier und Coca
Loco, dem Spezialgetränk aus Kokos­
wasser, Rum und Kondensmilch. Den
Gestank wird das Viertel erst nach ei­
nem Sturm wieder los, wenn das Meer­
wasser knietief in den Gassen steht.
Ein DJ hat sein Mischpult aufge­
stellt, ein Barkeeper seine Palette bun­
ter Cocktails. Aus den Boxen dröhnt
laut Musik, Salsa und Reggaeton, sie
hallt zwischen den Hütten wider und
beschallt die ganze Insel bis in den
Morgen. Alles unter dem Motto sin afan.
Ohne Drang, ohne Eifer. Die kolumbia­
nische Version des take it easy.

Auf der Insel geht es friedlich zu. Mit einer Ausnahme: Viele Männer
richten Gockel für Hahnenkämpfe ab und schicken sie in blutige Gemetzel,
die andernorts wegen Tierquälerei verboten sind

Adrian tanzt eng umschlungen mit
einer Umweltschützerin vom Kontinent,
die das Leben der Insulaner exotisch
findet. Maya hingegen findet keinen
ansprechenden Partner und tanzt lie­
ber mit ihren Freundinnen. Die Alten
trinken heftig, so haben sie es immer
gemacht. Im Morgengrauen fahren sie
zur Langustenjagd wieder hinaus, weil
sie auch das immer so gemacht haben.
Sie fühlen sich bevormundet vonalldem
Neuen, von Besserwissern wie Adrian
und Naturschützern, die ihnen erzäh­
len wollen, wie das Meer funktioniert.

sind auch hier leer gefischt", sagt er.
"Und wenn sie mal einen Hai fangen,
geben sie ihn mir und bekommen ein
paar Hühner dafür."
Es ist eine neue Rechnung: Was das
Meer hergibt, geben sie zurück.
Die Zukunft von Islote sieht Maya in
der Öffnung, im Tourismus, im besse­
ren Internet, in der Vermarktung. Die
guten Ideen kamen stets von außen,

GEO 09 2019


Schutz der Haie und Riffe, zum Groß­
ziehen der Meeresschildkröten.
Einig sind sie sich darin: Durchset­
zen muss die Ideen die Jugend. Die Al­
ten, schon die 40-Jährigen, sind nicht
mehr offen dafür.
Am Abend verwandelt sich Islote.
Beim Dominospiel feuern sich Gruppen
von Männern lautstark an. Und beim
Hahnenkampf schicken sie ihre abge-

Mayas und Adrians Mutter Maria
del Rosario, 42, kennt solche Kerle ge­
nau. Auch die Väter ihrer Kinder sind so.
Sie haben sich schnell nach der Geburt

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