8 POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,11.SEPTEMBER
U
S-Präsident Donald
Trump hat überra-
schend seinen Nationa-
len Sicherheitsberater John
Bolton entlassen. Trump
schrieb auf Twitter, er habe
Bolton am Montagabend zum
Rücktritt aufgefordert. Dieser
habe am Dienstagmorgen sei-
nen Rückzug erklärt. Trump be-
gründete den Schritt mit in-
haltlichen Meinungsverschie-
denheiten. „Ich war mit vielen
seiner Vorschläge nicht einver-
standen, wie auch andere in der
Administration, und deshalb
habe ich ihn gebeten zurückzu-
treten.“ In der kommenden
Woche werde er einen Nachfol-
ger benennen.
Trump feuert
Berater für
Sicherheit
Abdul Hafiz al-Samadi
S
eit Beginn des Bürger-
krieges im Jemen gera-
ten dort immer wieder
Journalisten zwischen die
Fronten. Laut Schätzungen der
Organisation Reporter ohne
Grenzen sind seit 2015 mehr als
20 Medienschaffende von Re-
gierungstruppen oder Milizen
entführt worden. So erging es
auch Abdul Hafiz al-Samadi.
Am 27. Juli dieses Jahres war al-
Samadi auf dem Weg zu einem
Supermarkt in der Hauptstadt
Sanaa, als ihn eine Gruppe be-
waffneter Männer überfiel.
Drei Tage lang wussten seine
Kollegen und Angehörigen nicht,
was geschehen war. Dann melde-
te sich al-Samadi unter einer un-
bekannten Handynummer. „Al-
les, was wir wissen, ist, dass er
im Gefängnis sitzt und verhört
wird“, berichtete sein Bruder
nach dem Telefonat. Al-Samadi
hatte ihn im Gespräch unter an-
derem dazu aufgefordert, seinen
Laptop an die Milizen zu überge-
ben. Sie seien hinter Informatio-
nen her und würden seine ganze
Familie verhaften, wenn sie die-
se nicht bekämen. Zum Zeit-
punkt seiner Entführung war al-
Samadi nicht mehr als Journalist
tätig. Zuvor hatte er für die Zeit-
schrift „Akhbar al-Yom“ eine
Reihe von Artikeln geschrieben,
in denen er sich kritisch mit der
Rolle der Huthi-Rebellen im Je-
men befasste.
#Free
them
all
FFFreeree
them all
In Kooperation mit
„REPORTER OHNE GRENZEN“
B
eratungskomitee für
Zusammenarbeit und
Sicherheit“ klingt nicht
sehr aufregend, und
man könnte es für einen unspek-
takulären Vorgang halten, dass
der französische Außenminister
Jean-Yves Le Drian und die Ver-
teidigungsministerin Florence
Parly am Montag gemeinsam
nach Moskau reisten, um dort ih-
re russischen Amtskollegen zu
treffen. Doch der Besuch ist alles
andere als trivial: Er markiert ei-
ne Wende in der Russlandstrate-
gie des französischen Präsiden-
ten Emmanuel Macron. Es ist ein
Manöver, das Folgen haben wird,
auch für die deutsche Russland-
politik.
VON SASCHA LEHNARTZ
Die „2+2“-Gesprächsrunde
zwischen den Außen- und Vertei-
digungsministern war in den
90er-Jahren entstanden, als man
in Russland noch den freundli-
chen großen Nachbarn im Osten
sah. Nach der Annexion der Krim
2014 setzte der damalige Präsi-
dent Hollande sie aus. Macron
wagt nun einen Neuanfang, den
er gezielt vorbereitet hat. Am
Sonntag telefonierte er mit dem
russischen Präsidenten. Der
Élysée gab danach eine Presseer-
klärung heraus. Man wolle die ge-
meinsamen Beratungen nach
dem Treffen der Minister fortset-
zen, heißt es da, „auf der Grund-
lage eines gemeinsamen strategi-
schen Fahrplans“.
Was Macron sich darunter vor-
stellt, hatte er unmittelbar nach
dem G-7-Gipfel in Biarritz am 27.
August beim Jahresempfang der
französischen Botschafter in Pa-
ris erklärt: „Ich glaube, wir müs-
sen eine neue Architektur des
Vertrauens und der Sicherheit in
Europa aufbauen, denn der euro-
päische Kontinent wird nie stabil
und in Sicherheit sein, wenn wir
unsere Beziehung zu Russland
nicht befrieden und klären“, er-
klärte Macron vor seinen Diplo-
maten. Die Beziehungen zu den
„großen Mächten“ müssten
grundlegend neu gedacht und
überarbeitet werden, es sei ein
„schwerwiegender strategischer
Fehler“ gewesen, Russland aus
Europa „fortzustoßen“. Wen er
für diesen Fehler verantwortlich
macht, sagte Macron nicht.
Aber er stellte klar, dass seine
Kritik auch den Strategen im
Quai d’Orsay gilt. Alte „Gewohn-
heiten und Dogmen“ gelte es zu
überwinden. Er warnte die Diplo-
maten sogar offen davor, „den
Präsidenten einfach mal reden zu
lassen“ und seinen Versuch einer
Neuausrichtung der Russlandpo-
litik ins Leere laufen zu lassen.
Macrons Annäherungsversuch
ist insofern erstaunlich, da russi-
sche Trolle sehr wahrscheinlich
während des Wahlkampfs gezielt
Fehlinformationen und Gerüchte
über Macron gestreut hatten und
die Kampagne von Marine Le Pen
mit Hilfe russischer Kredite un-
terstützt worden war. Doch ein-
mal im Amt zeigte sich Macron
wenig nachtragend. Mit großem
Pomp empfing er Putin zur Er-
öffnung einer Ausstellung über
Peter den Großen in Versailles.
Die Wiederaufnahme Russlands
in den Europarat hat Macron mit
eingefädelt. Noch vor dem G 7
lud er Putin in seine Sommerre-
sidenz im Fort Brégançon ein
und ließ danach durchblicken,
dass er sich eine zeitnahe Rück-
kehr Russlands in den Kreis der
G 8 vorstellen kann. Gesprochen
wird auch über einen Besuch Ma-
crons in Moskau anlässlich der
Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag
des Endes des Zweiten Weltkrie-
ges im kommenden Jahr.
Die Annexion der Krim um-
schreibt Macron inzwischen
nachsichtig als „militärische Ges-
te“. Ein großer Fan der Sanktio-
nen war er eh nie. Schon in seiner
Zeit als Wirtschaftsminister
stellte er sie 2016 bei einem Be-
such in Moskau infrage. Macrons
Kurswechsel basiert durchaus
auf einer rationalen Analyse der
Lage: Russland habe in einer in
Unordnung geratenen Welt in
den vergangenen Jahren in nahe-
zu allen Konflikten eine einzigar-
tige Rolle eingenommen. Weder
in der Ukraine, im Konflikt mit
Iran, in Syrien, in Libyen oder
sonst wo in Afrika könne man
den russischen Einfluss ignorie-
ren. Dass es dazu kam, liegt für
Macron vor allem an der Schwä-
che und den Fehlern des Wes-
tens.
Eine Neuausrichtung der Stra-
tegie sei daher unausweichlich.
„Wenn es uns nicht gelingt, mit
Russland etwas Nützliches zu er-
reichen, werden wir in einer
fruchtlosen Spannung verharren,
werden wir weiter eingefrorene
Konflikte haben und ein Europa,
das der Schauplatz eines strategi-
schen Kampfes zwischen den
USA und Russland bleibt, also die
Folgen des Kalten Krieges auf un-
serem Boden erdulden“, glaubt
Macron.
Macrons Sicht auf Russland ist
dabei nicht vollkommen naiv, er
erwähnt die vielfältigen Versuche
Moskaus, Demokratien zu desta-
bilisieren, etwa durch Cyber-
attacken. Das russische „Projekt“
sei heute gegen die EU ausgerich-
tet, doch dieser Konflikt sei ent-
standen aus einer Kultur des
Misstrauens, die in den Nuller-
jahren gewachsen sei. Der Ton-
fall, mit dem Macron seine Diplo-
maten auf die Notwendigkeit ei-
ner Annäherung an Russland ein-
schwört, ist dennoch erstaunlich.
Stellenweise klingt es, als über-
nähme er das Narrativ des Kreml.
Etwa, wenn er beklagt, dass Eu-
ropa in den Nullerjahren gegen-
über Russland „nicht sauber ge-
spielt“ und das „Gefühl vermit-
telt hat, das Trojanische Pferd zu
sein, dessen Ziel die Zerstörung
Russlands wäre“. In Russland ha-
be sich da die Vorstellung heraus-
gebildet, man müsse den Westen
bekämpfen und folglich die Euro-
päische Union schwächen. Man
könne diese Situation beklagen,
in ihr zu verharren sei aber sei
nicht im europäischen Interesse,
findet Macron. Deshalb will er
aus der strategischen Sackgasse
ausbrechen.
Dass diese Wende unter seinen
eigenen Diplomaten auf Wider-
stand stoßen wird, ist ihm be-
wusst. In seiner Rede ging er so-
gar so weit, vor einem „tiefen
Staat“ zu warnen, der seine Be-
mühung um eine Erneuerung der
Russlandpolitik unterlaufen und
sabotieren könnte. Die Diploma-
Neue Freundschaft: Wladimir Putin besucht Emmanuel und Brigitte Macron in ihrer Sommerresidenz
Russlandverführer
Emmanuel Macron sucht neuerdings die Nähe zu
Wladimir Putin – und unterläuft damit Angela Merkels Strategie