Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.09.2019

(Nandana) #1

ZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND


Freitag, 6. September 2019·Nr. 207/36 D2 HERAUSGEGEBEN VON GERALD BRAUNBERGER, WERNER D’INKA, JÜRGEN KAUBE, BERTHOLD KOHLER 2,90€ D 2954 A F. A. Z. im Internet:faz.net


Mehr als Licht anknipsen per


Handy: Die Künstliche Intelligenz


zieht in die Immobilienbranche


ein.Immobilien, Seite I 1


Utopie und Untergang: In


Düsseldorf ist erstmals eine


große Ausstellung zur


DDR-Malerei in Westdeutschland


zu sehen.Feuilleton, Seite 11


Eine Klarstellung: Gerade


in der Schule schützt das Berliner


Neutralitätsgesetz vor


Diskriminierung.Feuilleton, Seite 13


Joachim Löw ist zurück beim


Nationalteam. Und alle Zeichen


stehen auf Erneuerung und


Zuversicht.Sport, Seite 32


In China grassiert die Schweine-


pest, die Preise für Fleisch steigen



  • und Parteikader fürchten um die


baldigen Feierlichkeiten in der


Volksrepublik.Politik, Seite 3


Die Kanzlerin ist auf schwieriger


Mission in China. Kann sie die


angespannten Beziehungen


verbessern?Wirtschaft, Seite 17


Schlaue Bürogebäude


D

ie Vorsitzende Richterin im Fall
Lügde äußerte, es falle ihr
schwer, das Geschehen in Worte zu
fassen; Begriffe wie „abscheulich,
monströs, widerwärtig“ reichten nicht
aus. Ja, die Justiz muss Worte finden,
aber nur zu dem Zweck, eine Entschei-
dung zu fällen und zu begründen. Das
Urteil sollte dann für sich sprechen.
Im Fall Lügde sind wegen vielfachen
schweren sexuellen Missbrauchs von
Kindern nahezu Höchststrafen ver-
hängt worden: zwölf und dreizehn Jah-
re Freiheitsstrafe mit anschließender
Sicherungsverwahrung.
Grauenvoll wird dieser Fall aber vol-
lends durch die Umstände. Der Staat
kann nicht jedes Verbrechen verhin-
dern, schon gar nicht jedes, das in „Nä-
hebeziehungen“ und gesellschaftli-
chen Schutzräumen begangen wird.
Hier aber gab es mehrere Hinweise,
dass es sich bei dem Haupttäter um ei-
nen Kinderschänder handeln könnte.
Schon aufgrund der äußeren Umstän-
de muss man sich fragen, wie der
Mann als Pflegevater eines kleinen
Mädchens anerkannt werden konnte


  • das er dann als eine Art Lockvogel
    für weitere Opfer einsetzte. Nicht nur
    wurden Warnungen nicht beachtet; es


gab Ermittlungspannen, Beweismittel
verschwanden. Nun muss darauf nicht
gleich eine große Polizeireform fol-
gen. Im Fall eines jeden Versagens
muss gesondert geprüft werden, ob
strukturelle Defizite vorliegen. Ein
Untersuchungsausschuss des Landta-
ges arbeitet den Komplex (partei)poli-
tisch auf.
Es geht auch um Grundsätzliches.
Der nordrhein-westfälische Innenmi-
nister Reul gab offen zu, dass er zuvor
nie mit Kindesmissbrauch befasst ge-
wesen sei. Dabei ist das, insbesondere
Besitz und Verbreitung kinderporno-
graphischen Materials, keineswegs sel-
ten und beileibe nicht nur auf Cam-
pingplätzen anzutreffen. Manche Er-
mittler sind überrascht, wie oft die
Spur in akademische Milieus führt. Zu-
gleich ist besondere Sorgfalt geboten.
Bilder auf dem Computer reichen für
eine Strafbarkeit aus; schon die Be-
kanntgabe von Ermittlungen bedeutet
in der Regel den „sozialen Tod“. Da
hilft die Betonung der Unschuldsver-
mutung kaum. Im Fall Lügde wurde
skandalöserweise lange weggesehen;
viele Kinder sind schwer missbraucht
worden und traumatisiert. Diese Tä-
ter werden kein Unheil mehr anrich-
ten können. Doch hoffentlich ist der
Blick geschärft – für das Erkennen
von Missbrauch ebenso wie für sorgfäl-
tige Ermittlungen und abgewogene Öf-
fentlichkeitsarbeit.

F.A.Z.FRANKFURT,5. September. Die
CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Kar-
renbauer hat in einem Beitrag für diese
Zeitung hervorgehoben, dass sie „Politik
für alle in unserem Land“ machen wolle.
„Wir wollen jede Wählerin und jeden Wäh-
ler erreichen, ob traditionell und aktuell
der Union zugewandt oder nicht. Politikan-
gebote an alle verlangen Zugehen auf
alle.“ In Sachsen habe Michael Kretsch-
mer in bemerkenswerter Weise dafür ein
Beispiel gegeben. Die CDU-Vorsitzende
will zugleich Linien ziehen, „die wir nicht
überschreiten: keine Zusammenarbeit mit
Parteien, die ausgrenzen, spalten, mit ih-
rer Sprache und Haltung das gesellschaftli-
che Klima vergiften und Rassismus und
Ressentiments schüren“.(Siehe Seite 10.)

Chinesische Schweinerei


OhneKopftuch


Der Ruf des Drachens


Wieder auf Höhe der Zeit?


Kramp-Karrenbauer: Wir


wollen jeden erreichen


D

er Brexit droht zur unendlichen
Geschichte zu werden. Aber an-
ders als in der phantastischen Erzäh-
lung Michael Endes ist der Weg von
Briten und Nordiren aus der Europäi-
schen Union kein märchenhaftes
Abenteuer, obschon dessen Protago-
nisten die Leute das glauben machen
woll(t)en, sondern ein politischer Alb-
traum, der nicht vergeht. Das Land ist
gespalten, die Politik paralysiert, der
Schaden beträchtlich.
Zwei konservative Premierminister
liegen am politischen Straßenrand:
David Cameron, der das Referendum
ansetzte und zurücktrat, weil es an-
ders ausging als erhofft; Theresa May,
die sich zunächst in Widersprüche ver-
fing, dann für ihr Austrittsabkommen
mit der EU keine Mehrheit fand und
den Rückhalt in den eigenen Reihen
verlor. Jetzt erlebt Boris Johnson, seit
wenigen Wochen im Amt, wie seine
vollmundige Austrittsankündigung in
sich zusammenfällt und er ohne Mehr-
heit dasteht. Das Parlament hat er in
den Zwangsurlaub geschickt, aber die
ersten Schlachten hat er verloren: Am


  1. Oktober wird das Vereinigte Kö-
    nigreich mutmaßlich nicht aus der EU
    austreten, jedenfalls nicht ohne Ab-
    kommen. Dafür wird es früher oder
    später Neuwahlen geben. Darauf rich-
    tet Johnson seine Energie; die Propa-
    gandamaschine läuft schon. Der früh
    Gescheiterte sucht Mandat und Macht-
    erhalt an der Wahlurne.
    Wer einem Verein beitritt, der muss
    ihn auch wieder verlassen können.
    Das gilt auch für die EU. Die Mitglied-
    schaft beruht auf freiwilliger Entschei-
    dung des beitrittswilligen Landes
    (und auf dem Erfüllen von Vorausset-
    zungen). Sie kann „gekündigt“ wer-
    den, so wie es im EU-Vertrag vorgese-
    hen ist. Im Juni 2016 hat eine Mehr-
    heit der Wähler im Vereinigten König-
    reich für den Austritt gestimmt. Dass
    er bis heute nicht vollzogen ist und
    demnächst vermutlich das dritte Mal
    verschoben werden muss, liegt offen-
    sichtlich darin, dass das Abkommen
    dreimal im Unterhaus gescheitert ist.
    Doch es hat noch einen anderen
    Grund: Wer zur EU gehört, ist Teil ei-
    nes immer enger werdenden Ge-
    flechts wirtschaftlicher, politischer
    und gesellschaftlicher Beziehungen –
    je länger die Mitgliedschaft, desto tie-
    fer, breiter und enger die Verflech-
    tung. Der Austrittsvertrag suchte die-
    se Verflechtung so aufzulösen, dass
    der Austritt einvernehmlich geregelt
    wird – schließlich wollen beide Seiten
    auch künftig gute Partner füreinander
    sein – und für Bürger und Unterneh-
    men im Königreich und in der EU die
    Trennungskosten möglichst gering
    bleiben. Den Vertrag lehnte das Unter-
    haus ab, wenn auch aus unterschiedli-
    chen Motiven. Der Widerstand gegen
    die Rückfalloption für die irische
    Grenze, die nur nach der Übergangs-
    frist zur Geltung gekommen wäre und
    auch nur dann, wenn bis dahin eine
    langfristige Regelung nicht zustande
    gekommen wäre, war nur eines da-
    von.


Johnson wollte die EU zur Ände-
rung des Abkommens zwingen. Seine
Behauptung, er sei auf gutem Wege ge-
wesen, hat keine Grundlage; Vorschlä-
ge, die den „Backstop“ überflüssig ma-
chen sollten, blieben ominös. Die
Wahrheit ist: Johnson, der Hasardeur,
wollte und will den Austritt ohne Ab-
kommen, weil das so gut zu seinem
Gerede von der Befreiung Britan-
niens aus der Knechtschaft der EU ge-
passt hätte. Das Parlament hat ihm
jetzt in die Speichen gegriffen. Ver-
schiedene Kräfte haben sich endlich
zusammengetan, um das Schlimmste
zu verhindern. Dass das Parlament zu-
vor keinen Konsens über das künftige
Verhältnis zu „Europa“ finden konn-
te, steht auf einem anderen Blatt.

Sollte es also bis zum 19. Oktober
kein Abkommen geben, ist der Pre-
mierminister verpflichtet, in Brüssel
eine Verlängerung der Austrittsfrist
um drei Monate zu beantragen. Diese
Peinlichkeit, an der er selbst schuld
ist, würde er sich natürlich gern erspa-
ren; aber der Versuch, schon am 15.
Oktober ein neues Parlament wählen
zu lassen in der Hoffnung auf eine
Mehrheit für die Konservativen, ist als
gescheitert zu betrachten. Neuwahlen
dürften erst später stattfinden; für die
kann sich Johnson allerdings gute
Chancen ausrechnen – wenn sich sein
autoritäres Gebaren gegenüber kon-
servativen „Rebellen“ nicht rächt.
Die 27 EU-Staaten wiederum wer-
den einem Londoner Begehren, die
Austrittsfrist abermals zu verlängern,
zustimmen, wenn auch widerwillig.
Denn das Interesse, den Austritt so
sanft wie möglich zu gestalten, mit ei-
nem Abkommen, besteht ja fort. Von
diesem Interesse sollten die EU und
ihre Mitglieder sich auch bei der Frage
leiten lassen, wie viel Flexibilität sie
der britischen Seite entgegenbringen
können. Sie sollten sich nicht dem Vor-
wurf aussetzen, sie hätten der Radikali-
sierung jenseits des Kanals Vorschub
geleistet. Dennoch muss die Sache
auch aus EU-Sicht bald ein Ende ha-
ben.
Drei Jahre Brexit-Chaos haben dem
Vereinigten Königreich keine Erlö-
sung gebracht, von welchen realen
oder eingebildeten Übeln auch im-
mer. Die langfristigen Folgen sind
noch nicht abzuschätzen. Es ist klar,
dass die Wähler ranmüssen. Sie müs-
sen entscheiden, wie es mit dem Land
weitergehen soll. Aber dann müssen
alle, die genug von billigen Angeboten
und schneidigen Parolen haben, ihr
Wahlrecht auch ausüben. Traumtän-
zern sollten sie das Königreich, des-
sen Einheit in Gefahr ist, nicht über-
lassen. Denn es wird noch gebraucht.

löw. WIEN, 5. September. Im österrei-
chischen Wahlkampf sieht sich die ÖVP ei-
nem Hackerangriff ausgesetzt, durch den
große Mengen an internen Daten abge-
flossen und möglicherweise auch manipu-
liert worden sein sollen. Der ÖVP-Vorsit-
zende Sebastian Kurz sagte am Donners-
tag: „Es gab einen sehr gezielten Hacker-
angriff auf die Server der Volkspartei mit
dem Ziel, Daten zu entwenden, zu plazie-
ren, zu manipulieren und zu verfälschen.
Das ist nicht nur ein Angriff auf die Volks-
partei, sondern auch ein Angriff auf das
demokratische System.“ Die Partei hatte
eine für Cyberabwehr spezialisierte Fir-
ma beauftragt, nachdem mehrmals in Me-
dienberichten parteiinterne Daten ver-
wendet worden waren.(Siehe Seite 2.)

reb./bin. DÜSSELDORF/HANNOVER, 5.
September. Im Prozess um den hundertfa-
chen schweren Kindesmissbrauch auf ei-
nem Campingplatz in Lügde hat das Land-
gericht Detmold die beiden Haupttäter zu
dreizehn und zwölf Jahren Haft verur-
teilt. Zudem ordnete die Kammer am Don-
nerstag anschließende Sicherungsverwah-
rung an. Der 56 Jahre alte Andreas V. und
sein 34 Jahre alter Komplize Mario S. hat-
ten bereits zum Auftakt des Verfahrens
im Juni gestanden, in den vergangenen
Jahren auf dem Campingplatz an der Lan-
desgrenze zu Niedersachsen insgesamt
mehr als 400 Kinder vergewaltigt oder auf
andere Weise sexuell misshandelt zu ha-
ben. Die beiden Männer wurden für Taten
an insgesamt 32 Kindern verurteilt, unter
ihnen befand sich auch ein kleines Mäd-
chen, das V. 2017 vom Jugendamt Ha-
meln-Pyrmont als Pflegetochter zugewie-
sen worden war. „Sie haben 32 Kinder
und Jugendliche zu Objekten ihrer sexuel-

len Begierden degradiert und 32 Kindhei-
ten zerstört“, sagte die Vorsitzende Richte-
rin Anke Grudda in ihrer Urteilsbegrün-
dung. Zugleich wies sie darauf hin, dass
die Zahl der Opfer vermutlich höher sei.
Der Missbrauchsbeauftragte der Bun-
desregierung, Johannes-Wilhelm Rörig,
begrüßte, dass das Gericht das mögliche
Strafmaß weitgehend ausgeschöpft habe.
Es habe damit „auch das wichtige Signal
gesendet, dass der Rechtsstaat diese
schweren Verbrechen an Kindern hart be-
straft“. Bundesfamilienministerin Franzis-
ka Giffey (SPD) hieß das Urteil ebenfalls
gut. Nun komme es darauf an, mehr für
die Prävention zu tun. „Was wir brauchen,
ist eine stärkere Arbeit in den Ländern“,
sagte sie und unterstützte Rörigs Forde-
rung nach Missbrauchsbeauftragten in
den Ländern.
Bei der Causa Lügde handelt es sich
auch um einen der größten Fälle von Be-
hördenversagen in der jüngeren Vergan-

genheit. Unter anderem ging die lippische
Kreispolizei seit 2016 mehreren alarmie-
renden Hinweisen auf den Haupttäter An-
dreas V. nicht nach. Auch bei den Ermitt-
lungen kam es dann zunächst zu zahlrei-
chen Pannen; unter anderem verschwand
Beweismaterial aus einem Sichtungsraum
der Polizei. Mit dem Gebaren der nord-
rhein-westfälischen Behörden befasst
sich mittlerweile auch ein Untersuchungs-
ausschuss im Landtag.
Auch in Niedersachsen gab es im Fall
Lügde Behördenversagen. Dort hatte der
Landkreis Hameln-Pyrmont V. als Pflege-
vater anerkannt, obwohl dem Jugendamt
mehrere Hinweise auf Verwahrlosung
und sexuellen Missbrauch vorlagen. Die
Akten darüber wurden jedoch nachträg-
lich manipuliert. Die Staatsanwaltschaft
ermittelt derzeit gegen mehrere Behör-
denmitarbeiter. Zudem untersucht eine
externe Prüferin die Arbeitsweise des Ha-
melner Jugendamtes.(Siehe Seite 3.)

Heute


mwe./sha.BERLIN, 5. September. Ber-
lins Innensenator Andreas Geisel (SPD)
hält ein entschiedenes Vorgehen gegen
kriminelle arabischstämmige Clans für
entscheidend, damit die Bürger nicht den
Glauben daran verlieren, dass der Staat
Gesetze auch durchsetzt. „Die Gefährlich-
keit dieser Clans besteht darin, dass sie
den Glauben der Menschen an den
Rechtsstaat aushöhlen“, sagte Geisel im
Gespräch mit dieser Zeitung. Das Verhal-
ten krimineller Clans, „vom Parken in der
zweiten Reihe über den unregelmäßigen
Schulbesuch der Kinder bis zum Drogen-
handel“, habe die Politik zu lange hinge-
nommen. Als Gründe dafür nennt Geisel
„Political Correctness, Unterschätzung
der Situation, Personalmangel“. Der Poli-
zei habe der politische Rückhalt gefehlt.

Geisel wandte sich gegen den Vorhalt,
es passiere nicht viel. „Wir haben dieses
Jahr bis Mitte August 157 Einsätze gefah-
ren, davon 22 gemeinsam mit anderen Be-
hörden.“ Wegen illegaler Autorennen sei-
en im vergangenen Jahr 164 Kraftfahrzeu-
ge beschlagnahmt worden. Besonders
wichtig sei der Einzug von Vermögenswer-
ten. So hat Berlin 77 Immobilien des Rem-
mo-Clans beschlagnahmt; die Familie
komme an die Erträge der Häuser nicht
heran, sagte Geisel. Im vergangenen Jahr
habe Berlin 21 libanesische Straftäter ab-
geschoben, früher seien es nur fünf oder
sechs Personen gewesen. Abschiebungen
seien aber kein Allheilmittel, weil drei
Viertel der Clanmitglieder Deutsche sei-
en, das andere Viertel sei mit Deutschen
verheiratet oder habe deutsche Kinder.

Die eigentliche Herausforderung sei es,
den Einsatz gegen die Clankriminalität
über viele Jahre durchzuhalten. „Wir re-
den über einen Marathon und haben jetzt
die ersten 1000 Meter geschafft“, sagte
Geisel. Schnelle Erfolge gebe es nicht,
doch sehe er, dass das Schweigen in den
Clanfamilien aufbreche, vor allem durch
Frauen. „Keine Mutter will, dass ihr Sohn
oder ihre Tochter im Gefängnis landet“,
sagte der Senator. Auch durch das Arbeits-
verbot für Migranten aus dem Libanon sei
die Parallelgesellschaft der Clans entstan-
den. Mit Blick auf die Zuwanderer der ver-
gangenen Jahren heiße die Lehre: Bil-
dung, Wohnung, Arbeit und schnelle Inte-
gration. „Sonst stehen wir in 15 Jahren vor
einem ganz anderen Sicherheitsproblem.“
(Siehe Seite 4; Kommentar Seite 10.)

Her.FRANKFURT, 5. September. Der
türkische Präsident Recep Tayyip Erdo-
gan hat Europa gedroht, Flüchtlinge nach
Europa zu lassen, sollte er von der Euro-
päischen Union nicht mehr Unterstüt-
zung erhalten. Erdogan sagte in Ankara
vor Funktionären seiner AKP, die Türkei
könne „gezwungen“ sein, „die Türen für
die Flüchtlinge zu öffnen“, sollte Europa
nicht zu einer gerechten Lastenverteilung
bereit sein. Die Türkei könne die Last
nicht allein schultern. Sie habe für die 3,
Millionen Flüchtlinge aus dem Bürger-
kriegsland Syrien 40 Milliarden Dollar
ausgegeben, aber nur drei Milliarden
Euro von der EU erhalten. Die EU hatte
der Türkei im Flüchtlingsabkommen von
2016 sechs Milliarden Euro zugesagt. Er-
dogan wirft der EU regelmäßig vor, ihre
Versprechen nicht einzuhalten, und droht
mit einem Bruch des Abkommens. Eine
Sprecherin der EU sagte, die EU vertraue
darauf, dass die Kooperation fortgesetzt
werde. Die EU habe bisher 5,6 Milliarden
der vereinbarten sechs Milliarden Euro
bereitgestellt. Erdogan sagte ferner, die
Türkei wolle in der geplanten Sicherheits-
zone im Norden Syriens mindestens eine
Million Flüchtlinge ansiedeln. Die Türkei
werde „Häuser bis 30 Kilometer in den
Norden Syriens hinein“ bauen.(Siehe Sei-
te 2; Kommentar Seite 10.)


Die DDR und


ihre Künstler


mas. BERLIN, 5. September. Die Finanz-
hilfen und Steuervergünstigungen sind in
Deutschland auf einen neuen Rekordwert
gestiegen. Das Kieler Institut für Weltwirt-
schaft (IfW) schätzt die Subventionen für
das vergangene Jahr auf 187,8 Milliarden
Euro. „Die Subventionsmentalität er-
scheint ungebrochen“, heißt es in der Un-
tersuchung. „Der Staat sollte sein Geld lie-
ber für bessere allgemeine Rahmenbedin-
gungen ausgeben“, mahnte IfW-Präsident
Gabriel Felbermayr. (Siehe Wirtschaft,
Seite 19.)


Parteizentrale der ÖVP


gehackt


job.LONDON, 5.September. Der briti-
sche Premierminister Boris Johnson hat
Labour-Chef Jeremy Corbyn aufgefordert,
am kommenden Montag Neuwahlen zuzu-
stimmen. Corbyn solle „an sich glauben“
und den Weg freimachen, sagte er am Don-
nerstag in einer Rede. In den Oppositions-
parteien wird darüber gestritten, ob sie
Johnsons Neuwahlantrag unterstützen sol-
len oder bis Anfang November blockieren,
wenn das EU-Austrittsdatum verschoben
ist. Am Morgen hatte Johnsons jüngerer
Bruder, Jo Johnson, seinen Rücktritt als
Staatsekretär im Bildungsministerium ein-
gereicht. Zugleich will er sein Abgeordne-
tenmandat abgeben. Er sei „zerrissen zwi-
schen Familienloyalität und dem nationa-
len Interesse“.(Siehe Seite 6.)

Das Brexit-Drama


Von Klaus-Dieter Frankenberger


Staatliche Subventionen


erreichen Rekordwert


Geisel: Clans höhlen Glauben an Rechtsstaat aus


Berlins Innensenator sieht erste Erfolge / Abschiebungen aus der Strafhaft nehmen zu


Erdogan droht EU


mit Grenzöffnung


für Flüchtlinge


Briefe an die Herausgeber Seite 7


Johnsondringt weiter


auf Neuwahlen


Lange Haft und Sicherungsverwahrung


wegen Kindesmissbrauchs in Lügde


Richterin: Sie haben 32 Kindheiten zerstört / Ermittlungen gegen Behördenmitarbeiter


Im Angriffsmodus:Präsident Erdogan am Donnerstag in Ankara Foto AFP


Drei Jahre Chaos haben
keine Erlösung gebracht.
Die Wähler müssen
jetzt entscheiden.

Verbrechen und Versagen
Von Reinhard Müller

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