Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.09.2019

(Nandana) #1

SEITE 6·FREITAG, 6. SEPTEMBER 2019·NR. 207 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


LONDON,5. September


D


ankbar hatten einige Lords in der
Nacht ihre Schlafsäcke eingerollt
und waren nach Hause gegangen.
Der befürchtete Belagerungskrieg im
Oberhaus konnte in den frühen Morgen-
stunden abgewendet werden. Downing
Street forderte die Regierungstreuen in
der Zweiten Kammer auf, die Verzöge-
rungstaktik aufzugeben und das verhasste
„No-Deal-Verhinderungsgesetz“ bis zu die-
sem Freitag anzunehmen. Damit dürfte
es, nach der Unterzeichnung durch die
Queen, am Montag in Kraft treten – recht-
zeitig vor der Beurlaubung des Parla-
ments.
Bewirkt hat den Sinneswandel pure
Verzweiflung. Johnson verlor mit dem
Gesetz die Kontrolle über die Brexit-Poli-
tik, kann sein zentrales Wahlversprechen


  • einen Austritt am 31. Oktober – nicht
    mehr erfüllen und verfügt obendrein
    über keine Mehrheit mehr im Parlament.
    Eine Neuwahl bietet den einzigen Weg
    aus seiner Misere, aber ohne die Hilfe
    der Opposition kann er sie nicht errei-
    chen. Labour-Chef Jeremy Corbyn hat in
    der Nacht zu Donnerstag Johnsons An-
    trag auf eine Neuwahl im Unterhaus
    scheitern lassen, aber danach signali-
    siert, ihn zu unterstützen, sobald das No-
    Deal-Verhinderungsgesetz von der Köni-
    gin in Kraft gesetzt wird.
    Darauf will ihn Johnson nun festna-
    geln. Am Donnerstag setzte die Regie-
    rung eine weitere Abstimmung über eine
    Neuwahl für kommenden Montag an. In
    einer Rede in Yorkshire, die er vor Polizis-
    ten hielt, sagte er, Corbyn solle „an sich
    glauben“ und den Weg für Neuwahlen
    freimachen. Die Bürger müssten entschei-
    den können, ob er, Johnson, das Land am



  1. Oktober aus der EU führen, oder ob
    Corbyn das Land auf unbestimmte Zeit in
    der EU lassen soll. Er liege „lieber tot im
    Graben“ als in Brüssel einen Aufschub
    des Austrittstermins zu beantragen.
    Johnson, der seit Anfang der Woche
    eine Niederlage nach der anderen einste-
    cken muss, erhielt am Donnerstag einen
    weiteren Nackenschlag. Sein jüngerer Bru-
    der Jo Johnson räumte nicht nur seinen
    Posten als Staatssekretär im Bildungsmi-
    nisterium, sondern gibt auch sein Abgeord-
    netenmandat ab. Die beiden Brüder lie-


gen seit langem (europa-)politisch über
Kreuz, aber der Wortlaut der Rücktrittsbe-
gründung hatte es in sich. Er sei „zerrissen
zwischen Familienloyalität und dem natio-
nalen Interesse“, schrieb Jo Johnson. Viel
deutlicher hätte er nicht ausdrücken kön-
nen, dass er von seinem Bruder Schaden
für das Land ausgehen sieht.
Nicht nur der Premierminister, auch der
Oppositionschef steht unter Druck. Seine
Partei will einer Neuwahl am 15. Oktober
auf keinen Fall zustimmen. Führende Frak-
tionsmitglieder wie Keir Starmer oder
Emily Thornberry begründen dies mit
mangelndem Vertrauen in Johnson. Der
könnte, so heißt es, Tricks anwenden, um
den Wahltermin in den November zu ver-
schieben und so das Parlament in den Ta-
gen vor dem Austrittstermin zur Sitzungs-
freiheit zu verdammen; es hätte dann kei-
ne Möglichkeit, auf möglicherweise dra-
matische Ereignisse beim EU-Gipfel am


  1. Oktober und in den Wochen danach
    zu reagieren. Selbst wenn es beim Wahlter-
    min bliebe, könnte Johnson im Falle sei-
    ner Wiederwahl das No-Deal-Verhinde-
    rungsgesetz mit einer neuen Parlaments-
    mehrheit aushebeln. Von einer „Falle“ ist
    die Rede – aber ohne Hinterlist ist auch
    die Taktik der Labour-Strategen nicht.
    Ohne Wahlen und ohne Mehrheit ist John-
    son zu peinlicher Untätigkeit verdammt.
    Wird die Neuwahl erst nach der vollzoge-
    nen Austrittsfristverlängerung in die
    Wege geleitet, müsste Johnson zudem mit
    einem gebrochenen Versprechen in den
    Wahlkampf ziehen: Es wäre ihm dann
    nicht gelungen, das Königreich am 31. Ok-


tober aus der EU zu führen, was, so das
Kalkül, seine Glaubwürdigkeit unter den
eigenen Anhängern untergraben würde.
Auch die Liberaldemokraten, mit de-
nen die Labour Party in den vergangenen
Wochen eng zusammengearbeitet hat,
wollen Neuwahlen erst nach dem erfolg-
ten Aufschub des Austrittstermins zustim-
men. Eine Unbekannte ist die Schottische
Nationalpartei (SNP). Sie befindet sich
im Aufwind und könnte derzeit laut Um-
fragen fast alle Wahlkreise in Schottland
gewinnen. Das hat nicht zuletzt mit dem
Rücktritt der schottischen Tory-Vorsitzen-
den Ruth Davidson zu tun, der den Kon-
servativen im Norden zugesetzt hat. Nico-
la Sturgeon, Ministerpräsidentin in Edin-
burgh und SNP-Parteivorsitzende, scheint
bereit, einen Wahlantrag schon nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes zu unterstüt-
zen, also Anfang kommender Woche.
Aber eine Entscheidung ist nicht gefallen.
Noch ist unklar, ob Corbyn dem Drän-
gen seiner Fraktion sowie der Liberalde-
mokraten nachgibt und die Neuwahl noch
weitere zwei Monate blockiert. Er scheint
zu befürchten, dass das Etikett des „Feig-
lings“ an ihm haften bleiben könnte. Die
Boulevardzeitung „The Sun“ bildete ihn
am Donnerstag auf ihrer Titelseite als
Huhn ab – „chicken“ steht im Englischen
für Angsthase. Zugleich setzt sich Corbyn
dem Vorwurf aus, aus taktischen Gründen
den politischen Prozess zu behindern.
Bliebe Johnson der Weg zu Neuwahlen
über eine Zweidrittelmehrheit verbaut,
könnte er zu anderen Mitteln greifen. Ver-
non Bogdanor, einer der führenden Ver-

fassungslehrer des Landes, brachte am
Donnerstag ein einfaches Neuwahlgesetz
ins Spiel, mit dem der „Fixed-term Parlia-
ments Act“ und damit die Hürde der Zwei-
drittelmehrheit umgangen werden kann.
Johnson würden in diesem Fall etwa drei-
ßig Stimmen aus der Opposition genü-
gen. Der Nachteil für ihn liegt darin, dass
die Zeit knapp werden könnte. Ein sol-
cher Antrag müsste auch vom Oberhaus
abgesegnet werden, und er bietet dem Par-
lament – in dem Johnson keine Mehrheit
mehr hat – die Möglichkeit, ihn mit Aufla-
gen zu versehen, also etwa das Datum fest-
zulegen oder das Wahlalter zu senken.
Einen anderen Ausweg böte ein Miss-
trauensvotum, das Johnson gegen sich
selbst einleiten könnte. Die Opposition
könnte den Sturz des Premierministers –
und den darauf folgenden Neuwahlauto-
matismus, sollte binnen 14 Tagen keine
neue Regierung gebildet werden – nur ver-
hindern, indem sie Johnson das Vertrau-
en ausspricht. Das wäre ein neuer Höhe-
punkt in der langen Brexit-Groteske.
Die Zeit drängt, sollen die Wahlen noch
vor dem Austrittstermin stattfinden. In der
Regel werden mindestens fünf Wochen für
die Vorbereitung eingeplant. Auch wenn
sich diese Frist – wiederum mit Parla-
mentsmehrheit – verkürzen ließe, müsste
die Entscheidung rasch gefällt werden. Die
Queen hat aber auf Anraten Johnsons eine
fünfwöchige Beurlaubung des Parlaments
verfügt, die frühestens am Montag, spätes-
tens jedoch am kommenden Donnerstag
beginnt. Diese Entscheidung könnte John-
son nun auf die Füße fallen.

Wie bestellt und nicht abgeholt:der Premierminister am Donnerstag vor seinem Amtssitz in Downing Street Foto Imago


KINSHASA,5. September. Im Osten
Kongos herrscht Optimismus, aber er
ist verhalten. Seit einem Jahr bekämp-
fen dort internationale Hilfsorganisa-
tionen den jüngsten großen Ausbruch
des Ebola-Fiebers – und sie erhoffen
sich eine stetigere Unterstützung
durch die internationale Gemein-
schaft, um die Epidemie besiegen zu
können. Während seines Besuchs in
Goma und Kinshasa beklagten Vertre-
ter der Hilfsorganisationen gegenüber
Außenminister Heiko Maas unter ande-
rem Mängel bei der Finanzierung. Der
Not-Koordinator der Vereinten Natio-
nen, David Gressly, der seit drei Mona-
ten die Aktivitäten der verschiedenen
Hilfsorganisationen besser abstimmen
soll, bemühte einen Superlativ: „Wir
betreiben hier die aufwendigste Be-
kämpfung von Ebola in der Geschichte
dieses Virus.“ Es gebe aber „Lücken
beim Zugang in die Gebiete“, in denen
die Seuche aufgetreten sei, „Lücken
bei der Finanzierung, Lücken in der
geographischen Abdeckung des betref-
fenden Gebietes“.
Dass die Bedrohung auch in der Mil-
lionenstadt Goma ernst genommen
wird, wurde Maas gleich bei seiner An-
kunft demonstriert: Wie die gesamte
Delegation musste der Minister am
Fuß der Gangway seine Temperatur
messen lassen – ein kurzes Innehalten,
ein Thermometer ans Ohr, erst dann
konnte die Begrüßungszeremonie fort-
gesetzt werden.
Der Koordinator der Weltgesund-
heitsorganisation (WHO) in Goma,
Ibrahima Socé Fall, berichtete, die
Zahl der Neuerkrankungen, die eine
Zeitlang bei 80 Fällen pro Woche lag,
sei zuletzt leicht gesunken; von 29 be-
troffenen Gegenden würden noch in
18 neue Fälle registriert. Es gebe große
Anstrengungen, eine Ausbreitung in
den Norden des Landes zu verhindern.
Auch einige Regionen, in denen es er-
heblichen Widerstand durch rivalisie-
rende oder regierungsfeindliche Mili-
zen gegeben habe, seien wieder er-
reichbar, sagte der Repräsentant der
WHO. Oft gebe es auch Widerstand ge-
gen Ebola-Impfungen in der Bevölke-
rung, die den mobilen Hilfstrupps der
Gesundheitsdienste skeptisch gegen-
überstehe. Der Ausbruch von Masern
sei, gemessen an den Todesfällen, aktu-
ell zudem ein größeres Problem als
Ebola.
Socé Fall sagte, bislang sei es den in-
ternationalen Helfern gelungen, jeden
„hotspot“, in dem neue Ebola-Fälle auf-
treten, einzudämmen, doch die lokale
Gesundheitsversorgung sei weiterhin
stark verbesserungsbedürftig. Es müs-
se vermieden werden, dass Patienten
ein Gesundheitszentrum aufsuchen,
um sich gegen Masern behandeln zu
lassen, „und es mit einer Ebola-Infekti-
on wieder verlassen“.
Der deutsche Außenminister traf in
Kinshasa auch die Leiterin der UN-Sta-
bilisierungsmission in der Demokrati-
schen Republik Kongo, Leila Zerrou-
gui. Als zeitweiliges Mitglied des UN-
Sicherheitsrates muss Deutschland im
Dezember über die Verlängerung des
UN-Einsatzes mitentscheiden – eine
der größten Sicherungsaktionen der
UN überhaupt. Geht es nach den Verei-
nigten Staaten, wird die Monusco-Mis-
sion künftig erheblich verkleinert. Zer-
rougui sagte, sie hoffe, dass Deutsch-
land sich dafür einsetze, dass das Bud-
get der Blauhelm-Mission, die ohnehin
in den vergangenen Jahren schon mit
weniger Geld habe zurechtkommen
müssen, nicht weiter gekürzt werde. In
drei der sechs Provinzen, in denen UN-
Soldaten mit der Beilegung bewaffne-
ter Konflikte befasst seien, sei eine Be-
friedung erreicht worden; die Mission
wolle sich auf die übrigen Provinzen
konzentrieren. Auch Deutschland sol-
le sich an der Mission beteiligen: Die
Stabilisierung Kongos, das neun Nach-
barstaaten in Afrika habe, sei nicht nur
im Interesse des Landes selbst. Sie sei
auch von Bedeutung für die Nachbar-
staaten, also für ganz Afrika und damit
für die Welt – insbesondere für den eu-
ropäischen Nachbarkontinent, hätte
sie hinzufügen können.
Die Erwartungen der Hilfsorganisa-
tionen nahm Maas am Donnerstag
mit in seine Begegnung mit dem kon-
golesischen Präsidenten Félix Tshise-
kedi. Er sagte, der Präsident, der vor ei-
nem Jahr nach einem umstrittenen
Wahlgang zum Nachfolger Joseph Ka-
bilas bestimmt worden war, habe es in
der Hand, den Kampf gegen Ebola zu
gewinnen und die Hoffnungen der
Menschen, auch auf wirtschaftliche
Besserung, zu erfüllen. Es gebe auch
die Erwartung, dass mehr gegen die
grassierenden Misshandlungen und
Vergewaltigungen von Frauen getan
werde, die längst nicht mehr auf die
Krisengegenden im Land beschränkt
seien, sondern, wie ihm der Arzt und
Friedensnobelpreisträger Denis Muk-
wege versichert habe, auch in anderen
Gegenden ein Alltagsphänomen ge-
worden seien. Kongo stehe am An-
fang einer Entwicklung, die Deutsch-
land und die internationale Staatenge-
meinschaft, „wenn sie positiv ist“, un-
terstützen wollten.

KAPSTADT, 5. September. Die auslän-
derfeindlichen Krawalle, die seit Tagen in
verschiedenen Städten und Townships
Südafrikas wüten, drohen sich zu einer in-
ternationalen Krise auszuweiten. Die ni-
gerianische Regierung stornierte die Rei-
se einer Delegation unter der Leitung von
Vizepräsident Yemi Osinbajo zum afrika-
nischen Weltwirtschaftsforum, das der-
zeit in Kapstadt tagt. Stattdessen erklärte
Nigerias Präsident Muhammadu Buhari,
er habe einen Sondergesandten nach Süd-
afrika geschickt und werde im nächsten
Monat persönlich nach Pretoria reisen,
um das Thema mit dem südafrikanischen
Präsidenten Cyril Ramaphosa zu erör-
tern. Zuvor hatten bereits die Präsidenten

Ruandas und Malawis, Paul Kagame und
Peter Mutharika, kurzfristig ihre Teilnah-
me an dem Gipfel abgesagt.
Die Ausschreitungen, von denen haupt-
sächlich die Millionenstädte Pretoria und
Johannesburg betroffen sind, richten sich
vorwiegend gegen Ausländer aus anderen
afrikanischen Ländern, die in Südafrika
ihr Glück suchen. Das Land ist trotz zu-
nehmender Schwierigkeiten immer noch
die stärkste Volkswirtschaft Schwarzafri-
kas. Allein aus dem Nachbarstaat Zimbab-
we sollen in den vergangenen Jahren drei
Millionen Menschen nach Südafrika ge-
flüchtet sein. Viele von ihnen haben eine
bessere Schulbildung und werden deshalb
beschuldigt, Südafrikanern die Arbeits-

plätze streitig zu machen. Nigerianer hin-
gegen stehen in Südafrika im Ruf, den
Drogenhandel zu kontrollieren. Auslöser
der Unruhe in Pretoria soll der Tod eines
Taxifahrers durch einen nigerianischen
Drogendealer gewesen sein.
Die südafrikanische Polizei berichtet
von mittlerweile fast 300 Festnahmen.
Die Zahl der Toten ist auf mindestens sie-
ben gestiegen. Unter den Opfern befin-
den sich auch zwei Südafrikaner, die von
angegriffenen Ladeninhabern erschossen
wurden – die Tageszeitung „The Sowe-
tan“ berichtet von vier Verhaftungen im
Zusammenhang mit den Schüssen. Der
Premierminister der am meisten betroffe-
nen Provinz Gauteng, David Makhura,

warnte vor Selbstjustiz. „Die Menschen,
die in die Verbrechen involviert sind, wur-
den eingesperrt. Niemand sollte jetzt das
Gesetz in die eigene Hand nehmen.“
Fremdenfeindliche Gewalt ist in Süd-
afrika alltäglich. Im Frühjahr waren bei
ähnlichen Unruhen in der Hafenstadt
Durban drei Menschen ermordet worden,
2015 wurden in dem Johannesburg-Town-
ship Soweto 80 Geschäfte geplündert,
2008 kamen bei landesweiten Unruhen
mehr als 60 Menschen ums Leben.
Nachdem die Berichte über die Gewalt-
taten in Nigeria bekanntgeworden waren,
zogen in diversen Städten Demonstran-
ten zu den Niederlassungen südafrikani-
scher Unternehmen wie dem Mobilfunk-
betreiber MTN und der Supermarktkette
Shoprite. Einige Geschäfte wurden ge-
plündert, in Ibadan wurde eine MTN-Fi-
liale in Brand gesetzt. Zwar hat Nigeria
die Sicherheit vor den Filialen mittlerwei-
le verstärkt und Polizisten mit Sturmge-
wehren aufmarschieren lassen, dennoch
haben die beiden südafrikanischen Kon-
zerne mittlerweile etliche Filialen in Nige-
ria schließen lassen. Nach Drohungen
wurde auch das südafrikanische Hoch-
kommissariat in Abuja vorübergehend ge-
schlossen. Die nigerianische Sängerin
Tiwa Savage sagte kurzfristig ein geplan-
tes Konzert im südafrikanischen Midrand
ab, wo es ebenfalls zu Plünderungen ge-
kommen war.
Ähnlich ist die Lage in Sambia. Vor
dem südafrikanischen Hochkommissariat
demonstrierten Hunderte schwarz gewan-
dete Studenten der Universität mit Plaka-
ten, auf denen die Parole „Keine Gewalt“
zu lesen war. Andernorts in der Haupt-
stadt Lusaka stürmte ein Mob einen Shop-
rite-Markt. Viele Fernfahrer, die auf süd-
afrikanischen Straßen unterwegs sind,
stammen aus Sambia und Zimbabwe.
Auch sie wurden in den vergangenen Mo-
naten vermehrt Opfer von Angriffen.
Auch Zimbabwes Außenminister Sibusiso
Moyo äußerte sich besorgt. Gegenüber
der Nachrichtenagentur Reuters sagte er,
es sei „unglücklich, dass sich afrikanische
Brüder zu einem Zeitpunkt gegenseitig
an die Gurgel gehen, an dem ganz Afrika
ein kontinentales Freihandelsabkommen
begrüßt, das die Grundlage für Integrati-
on sein soll“.

ROM, 5. September. Italiens neue Re-
gierungskoalition aus Fünf-Sterne-Be-
wegung und den Mitte links orientier-
ten Demokraten schreibt sich das Ver-
dienst zu, Neuwahlen und einen gro-
ßen Wahlsieg des populistischen Lega-
Vorsitzenden Matteo Salvini verhin-
dert zu haben. Viele Italiener wetten
aber darauf, dass die neue Koalition
nicht lange halten wird und Salvini zu-
rückkehrt. In den kommenden Wo-
chen stehen Fünf-Sterne-Bewegung
und Demokraten nämlich vor etlichen
Herausforderungen.
Das Thema Migration war von Salvi-
ni für viel Populismus genutzt worden.
So konnte er seit den nationalen Wah-
len im Frühjahr 2018 bis zur Europa-
wahl im vergangenen Mai den Stim-
menanteil der Lega verdoppeln. Zu-
letzt versuchte der Spitzenmann der
Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di
Maio, Salvinis Rhetorik zu kopieren. In-
nenminister wurde jedoch nicht er, son-
dern eine ehemalige Spitzenbeamtin
des Hauses, die frühere Präfektin Lu-
ciana Lamorgese. Ihre Regierungsar-
beit wird ein Spagat zwischen den po-
pulistischen Tönen von Salvini aus der
Opposition und dem Verlangen der De-
mokraten nach mehr Menschlichkeit.
Als Ausweg sehen alle, dass die ande-
ren europäischen Länder die Asylsu-
chenden aufnehmen und einer Revisi-
on der Verträge von Dublin zustim-
men. Nicht erkannt wird dabei, dass
Deutschland und andere Länder ohne-
hin einen weitaus größeren Zustrom
an Migranten verzeichnen.
Anders als in seiner ersten Regie-
rung hat Ministerpräsident Giuseppe
Conte keine Stellvertreter mehr. In der
Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung
und Lega galt der Juraprofessor Conte
nur als Notar und Galionsfigur. Die ei-
gentliche Politik machten seine Stell-
vertreter Di Maio und Salvini. In der
neuen Regierung will Conte nun eine
Führungsrolle übernehmen. Noch ist
unklar, ob er inzwischen genug Autori-
tät besitzt, diese Rolle auszufüllen.
Obwohl die Regierungsparteien sich
harmonisch geben, waren sie sich bis-
her spinnefeind. Die Fünf-Sterne-Bewe-
gung ist eine Protestpartei gegen die
etablierten Kräfte. Gerade die Demo-
kraten gelten als Vertreter dieses Estab-
lishments. Wenn die Fünf-Sterne-Bewe-
gung ihr Ziel weiter darin sieht, die De-
mokraten im Parteienspektrum zu er-
setzen, sind Konflikte unvermeidlich.
Nach dem Ausscheiden der Lega aus
der Regierung wird die Frage nach ei-
ner Vertretung des Nordens wieder
wichtig. Die Lega, tief verwurzelt in
der Regional- und Kommunalpolitik
des Nordens, hatte zwar manche
Stammwähler enttäuscht. Nun aber
kann sie wieder rufen, Italien werde
vor allem von Süditalienern regiert.
Der Ministerpräsident und elf der 21
Minister sind aus dem Süden. Falls Ita-
liens Wirtschaft weiterhin nicht
wächst, wird die Regierung geschwächt
und die Lega bekommt Zulauf.
Kaum im Amt, muss sich die neue Re-
gierung außerdem mit dem Haushalt
für 2019 befassen. Das bedeutet eine
Grundsatzdiskussion. Ministerpräsi-
dent Conte garantierte gegenüber der
Europäischen Kommission ein Defizit
von 1,8 Prozent des Bruttoinlandspro-
dukts (BIP) für 2020, um damit ein Ver-
tragsverletzungsverfahren abzuwen-
den. Die Koalition will eine Änderung
der Regeln in der Europäischen Wäh-
rungsunion, um damit für den eigenen
Haushalt leichteres Spiel zu haben. So
hat die Regierung Conte keinen leich-
ten Start. Sie steht von Beginn an in ei-
nem Dreieck aus Verzicht, Verhandlun-
gen mit Brüssel und der Gefahr höhe-
rer Schulden.


Nicht ohne Hinterlist


Im Interesse


Europas


Heiko Maas besichtigt den
Kampf gegen Ebola

Von Johannes Leithäuser


Die Gewalt weitet sich aus


Appelle von Politikern zur Beruhigung der Lage in Südafrika verhallen ungehört / Von Thilo Thielke


Italienische


Reise


Vor welchen Problemen


die Regierung in Rom steht


Von Tobias Piller


Nach Johnsons


Niederlagen im


Parlament bleiben ihm


nur noch Neuwahlen.


Doch bislang weigert


sich Corbyn, diese


mitzutragen. Er


fürchtet, ausgetrickst zu


werden.


Von Jochen Buchsteiner


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