Die Welt Kompakt - 10.09.2019

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DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,10.SEPTEMBER2019 MITTELSTAND 13


SPEZIAL

Weil unsere Experten
Ihr Unternehmen mit der
richtigen Finanzierung
voranbringen.

Fortschritt


ist einfach.


sparkasse.de

L


eise surrt der Trans-
portroboter durch die
Halle, schiebt sich un-
ter einen bretterbela-
denen niedrigen Metalltisch, ei-
nen sogenannten Tray. Der kof-
fergroße Transbot hebt den
Tray einige Zentimeter an und
fährt ihn dann an sein Ziel. Dort
wartet ein weiterer Roboter da-
rauf, den nächsten Arbeits-
schritt zu übernehmen. Kein
Mensch lenkt das kompakte
Gefährt, seine Software hat ge-
lernt, die Fracht gefahrlos
durch die Halle zu steuern.


Der Transbot ist der autono-
me fahrende, vollautomatische
Packesel, der die verschiedenen
Produktionsinseln bei dem Mö-
belhersteller DeinSchrank.de
miteinander verbindet.
Und er ist keineswegs der
einzige computergesteuerte
Schwerarbeiter im Werk. Auch
bei den anderen Produktions-
schritten vom millimeterge-
nauen Zuschneiden der Bretter
für Schränke, Regale oder Side-
boards bis zur Fertigstellung
der Einzelteile übernehmen
Roboter die Arbeit.
Jedes Einzelteil ist mit einem
Etikett versehen, auf dem alle
Informationen zu Form, Farbe,
Oberfläche, Größe, den erfor-
derlichen Bohrungen, dem
Kunden und der Position im
fertigen Möbel stehen – lesbar
für Menschen und Maschinen.
Die nahezu vollständig digitali-
sierte Produktion ermöglicht
es, dass jedes Möbelstück von
DeinSchrank.de ein vom Kun-
den am eigenen Bildschirm in-
dividuell konfiguriertes Einzel-
stück ist – das in einem indus-
triellen Verfahren angefertigt
wird.
Das 2010 gegründete Unter-
nehmen hat seinen Hauptsitz
in Frechen bei Köln und fertigt
im rund 40 Kilometer entfern-
ten Rheinbach die Möbelstücke.
Es ist ein Musterbeispiel für ei-
ne vernetzte Produktion, ein
Pionier in der Möbelindustrie.
Maschinen, Transportroboter
und Werkstücke agieren mitei-
nander. Die Mitarbeiter können
zu jedem Zeitpunkt feststellen,
wo welches Teil sich im Ferti-
gungsprozess befindet. Die Ver-
netzung umfasst die gesamte
Produktions- und Lieferkette –
was verbraucht wird, wird auto-


matisch beim Lieferanten nach-
geordert. Vernetzt sind auch
Partnerunternehmen, die bei-
spielsweise Lackierarbeiten
übernehmen oder schließlich
die Auslieferung zum Kunden.
Die Firma, welche die Rhein-
länderin Gisela Cousland 2010
gemeinsam mit ihrem Ge-
schäftspartner Frank Budde ge-
gründet hat, ist ein reinrassiges
Digitalunternehmen. „Das
Herzstück des Unternehmens
ist unsere Software“, sagt die
studierte Wirtschaftswissen-
schaftlerin Gisela Cousland.
So weit sind nur die allerwe-
nigsten Mittelständler in
Deutschland. Eine Befragung
des Beratungsunternehmens
EY unter 1.157 mittelständi-
schen Industrieunternehmen
ergab im vergangenen Jahr,
dass lediglich jedes zwanzigste
Unternehmen seine Produktion
vollständig oder weitgehen ver-
netzt hatte. Fast die Hälfte der
Firmen war noch gar nicht ver-
netzt. Und jedes vierte Unter-
nehmen plante nicht einmal die
digitale Aufrüstung.
Auch die KfW-Bank kommt
in ihrem „Digitalisierungsbe-
richt Mittelstand 2018“ zu ei-
nem bestenfalls durchwachse-
nen Resultat. Der Anteil der
3 ,76 Millionen Mittelständler
in Deutschland, der in den zu-
rückliegenden Jahren erfolg-
reich Digitalisierungsprojekte
abgeschlossen hat, steige zwar
an, konstatiert die KfW. 30
Prozent der kleinen und mitt-
leren Unternehmen hätten in
den Einsatz neuer oder ver-
besserter digitaler Technolo-
gien für Prozesse, Produkte,
Dienstleistungen oder Ge-
schäftsabläufe investiert. Al-
lerdings seien die Ausgaben zu
niedrig: Für Digitalisierungs-
vorhaben seien 2017 lediglich
1 5 Milliarden Euro investiert
worden.
Dass Dein Schrank.de zu
konkurrenzfähigen Preisen in
Deutschland produziert , ist
nur durch die Digitalisierung
möglich. Und obwohl Maschi-
nen fast alle physischen Arbei-
ten übernehmen, wächst die
Belegschaft permanent. Ein
großes Ziel hat Gisela Cousland
noch. „Unser Vorbild ist Ama-
zon: Heute bestellt, morgen ge-
liefert. Dank der Digitalisierung
und unserer Nähe zum Kunden
ist das grundsätzlich möglich.
Wir arbeiten daran.“

Unikate aus


industrieller


Produktion


Die Digitalisierung beim Möbelhersteller


DeinSchrank.de umfasst Lieferkette und


Fertigung. Maschinen, Werkstücke und


Roboter kommunizieren miteinander


Gisela Cousland ist Gründerin und Chefin von DeinSchrank.de. Dort erledigen Roboter die Schwer-
arbeit. Menschen sind vor allem für kreative Prozesse, für Planung und Kontrolle zuständig

DEINSCHRANK.DE (3)

VON CHRISTINA PETRICK-LÖHR

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