Die Welt Kompakt - 10.09.2019

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SPORT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,10.SEPTEMBER2019 SEITE 28


D


en Kragen der Regen-
jacke hatte Sebastian
Vettel weit nach oben
gezogen. Wie zum
Schutz – Ferraris Motorhome
war wohltemperiert. Kein Lä-
cheln, nur nervöses Kauen auf
der Unterlippe bei der Aufarbei-
tung des Rennens in Monza. Er
sprach dann von Hingabe, das
ging nicht anders, nach seinem
persönlichen Desaster konnte
selbst das infrage gestellt wer-
den. „Ich liebe noch immer, was
ich mache. Aber wenn du es nicht
gut machst, kannst du auch nicht
glücklich sein“, sagte der For-
mel-1-Pilot also.

VON BURKHARD NUPPENEY

Wie auch? Platz 13, ein dum-
mer Fahrfehler, ein idiotisches
Manöver bei der Rückkehr auf

die Strecke. Ciao Heimsieg, wie-
der einmal. Die britische BBC er-
rechnete, dass Vettel nicht nur
seit dem 26. August 2018 sehn-
süchtig auf den 53. Grand-Prix-
Erfolg wartet, sondern sich in
den vergangenen 27 Rennen
auch insgesamt neun kapitale
Fehler leistete. Wie nun in Run-
de sieben, als ihm das Heck aus-
brach, er sich erst drehte und
dann bei der Rückkehr auf die
Strecke auch noch dem heran
rauschenden Lance Stroll die
Vorfahrt nahm. Glücklicherwei-
se demolierte der nur Vettels
Frontflügel.
Das alles ausgerechnet in
Monza und ausgerechnet mit
dem denkbar ungünstigsten Sie-
ger, zumindest aus Vettels Sicht:
Charles Leclerc. An sich Team-
kollege, an sich nur ein Talent im
Ferrari-Rennstall, nun aber wohl

die Nummer eins und sogar in
der WM-Wertung schon vor dem
32-jährigen Altmeister.
Monza war Vettels Menetekel,
zweifelsohne. Ferrari war auf
Sieg gepolt, der letzte vor der ei-
genen Haustür lag neun Jahre
zurück, die Tifosi dürsteten
nach Erfolg, das Auto war wie
geschaffen für den Kurs. Doch
nur einer beherrschte es: Lec-
lerc. Mit Folgen. Der Ferrari-
Rookie habe „in knapp sechs
Monaten alles erobert: die Scu-
deria, die Liebe der Fans und
wahrscheinlich die ganze Zu-
kunft Ferraris. Sein Triumph
gleicht einer Krönung“, urteilte
die italienische Zeitung „Gaz-
zetta dello Sport“. Die Botschaft
und auch der interne Diskurs bei
Ferrari waren schon vor dem
Rennen klar: Wer beim italieni-
schen Rennstall im Rahmen der

Feierlichkeiten zum 90-jährigen
Bestehen der Automobilschmie-
de das Monster Monza bezwin-
gen kann, der wird mit Ruhm
überschüttet. Während also
Loblieder auf den neuen Lieb-
ling angestimmt wurden, blieb

BASKETBALL

Glimpfliches Ende
einer verkorksten WM

Die deutschen Männer haben
bei der WM in China ihr letz-
tes Platzierungsspiel gegen
Kanada gewonnen und sind bei
einen Qualifikationsturnier für
Olympia 2020 in Tokio dabei.
Zum Abschluss setzte sich das
Team um NBA-Profi Dennis
Schröder 82:76 durch. Nach
dem zweiten Sieg in der Plat-
zierungsrunde reichte es we-
gen des blamablen Vorrunden-
scheiterns nur für WM-Rang
18, das schlechteste deutsche
Abschneiden bei einer WM.

FUSSBALL

Camacho bangt um
seine Karriere

Ignacio Camacho vom VfL
Wolfsburg bangt nach zwei
Operationen am Sprunggelenk
um die Fortsetzung seiner
Karriere. „Er hat permanent
Schmerzen“, sagte VfL-Trainer
Oliver Glasner. Camacho war
im Sommer 2017 für rund 15
Millionen Euro vom FC Malaga
nach Wolfsburg gewechselt.
Sein vorerst letztes Bundes-
liga-Spiel bestritt der 29 Jahre
alte Mittelfeldspieler im Sep-
tember 2018.

HOCKEY

Deutsche Gegner
stehen fest

Die deutschen Hockey-Teams
haben bei der Auslosung der
Olympiaqualifikation mach-
bare Gegner erwischt. Die
Männer bekommen es mit
Österreich zu tun, die Frauen
treffen auf Italien. Beide
Teams des Deutschen Hockey-
Bundes haben Heimrecht und
bestreiten am 2. und 3. Novem-
ber je zwei Spiele gegen den-
selben Gegner in Mönchen-
gladbach. Der Sieger wird
durch die Addition beider Er-
gebnisse ermittelt.

TURNEN

Nguyen führt
deutsche Riege an

Einen Tag nach seinem 32.
Geburtstag wurde Marcel
Nguyen aus Unterhaching für
die WM vom 4. bis 13. Oktober
in Stuttgart nominiert. Es ist
die neunte WM-Teilnahme des
Olympia-Zweiten von 2012. Zur
WM-Riege des Deutschen Tur-
ner-Bundes gehören auch
Nguyens Vereinskollege Lukas
Dauser, der deutsche Mehr-
kampf-Meister Andreas Toba,
Nick Klessing sowie WM-Neu-
ling Karim Rida. Cheftrainerin
Ulla Koch gibt ihr Frauen-
Team Donnerstag bekannt.

KOMPAKT


R


afael Nadal vergrub sein
Gesicht in den Händen
und weinte, als auf dem
großen Videowürfel im Arthur
Ashe Stadium die Bilder von sei-
nen bislang 19 Grand-Slam-Sie-
gen gezeigt wurden. Auf einem
Stuhl auf dem abgedunkelten
Centre-Court sitzend verfolgte
der spanische Tennis-Star die
Szenen seiner Triumphe von
2005 bis heute. „Ich versuche ei-
gentlich immer, meine Emotio-
nen unter Kontrolle zu halten.
Aber in diesem Moment war es
unmöglich“, sagte Nadal.
Zuvor hatte er in einem hoch-
klassigen und dramatischen Fi-
nale der US Open den Russen
Daniil Medwedew in 4:51 Stunden
mit 7:5, 6:3, 5:7, 4:6, 6:4 besiegt
und damit seinen 19. Grand-
Slam-Titel gefeiert. Nur der
Schweizer Roger Federer hat bis-
lang einmal mehr bei einem der
vier wichtigsten Turniere der
Welt gewonnen. Doch von der
Jagd nach Rekorden wollte Nadal
nach dem drittlängsten Finale in
der Geschichte des Turniers
nichts wissen. „Daran denke ich
überhaupt nicht. Ich stehe dafür
nicht jeden Tag auf dem Trai-
ningsplatz, spiele deswegen nicht
Tennis. Ich spiele Tennis, weil

ich es liebe“, sagte der 33 Jahre
alte Mallorquiner.
Mit dem 23 Jahre jungen und
nach einer beeindruckenden Sie-
gesserie in diesem Sommer ex-
trem selbstbewussten Medwe-
dew stand Nadal im Finale einer
der unbequemsten und gefähr-
lichsten Gegner gegenüber. Der
Russe gehört jener Gruppe von
aufstrebenden Spielern an, die
von der ATP so gern als Next Ge-
neration vermarktet wird. Med-
wedew, Alexander Zverev, Stefa-
nos Tsitsipas – sie sollen bald die
drei großen Superstars Roger Fe-
derer, Rafael Nadal und Novak
Djokovic ablösen. So sieht es zu-
mindest der Plan der Bosse der
Herren-Tour vor. Doch die gro-
ßen drei haben noch zu viel Spaß
an dem, was sie tun. „Diese drei,

das sind Legenden“, sagte Med-
wedew ehrfürchtig. „Es ist so
verdammt schwer, sie zu schla-
gen, sogar einfach nur einen Satz,
manchmal sogar einfach nur ein
Spiel gegen sie zu gewinnen.“
Bei den vergangenen zwölf
Grand-Slam-Turnieren hieß der
Sieger immer entweder Djokovic,
Nadal oder Federer. Drei lange
Jahre konnte niemand in diese
Phalanx einbrechen. Der letzte
Champion, der nicht aus dem
Kreis der großen drei kam, war
der Schweizer Stan Wawrinka bei
den US Open 2016. Sonntag hätte
er fast Medwedew geheißen.
Denn nachdem Nadal zweiein-
halb Sätze lang unspektakulär
auf seinen vierten Triumph bei
den US Open zugesteuert war,
begann der Russe, alles oder

nichts zu spielen. „Im dritten
Satz habe ich mir schon Gedan-
ken gemacht, was ich gleich bei
der Siegerehrung als Verlierer so
sage“, sagte Medwedew. „Aber
die Fans haben mich so laut un-
terstützt, dass ich einfach weiter
um jeden Punkt gekämpft habe.“
Wie aus dem Nichts holte sich
Medwedew den dritten Durch-
gang und zwang Nadal dann so-
gar in den Entscheidungssatz.
Die Fans tobten, Nadal wackelte.
Mehrere Strafen wegen Zeit-
spiels musste der Spanier hin-
nehmen, doch genau daraus zog
er wieder Energie für die Wende.
Mit dem dritten Matchball mach-
te er alles klar und ließ sich dann
völlig erschöpft auf den Boden
fallen, die Wachablösung muss
noch ein bisschen warten.
Was den Planern der Sieger-
ehrung sicher ganz recht war, wie
auch Medwedew vermutete. „Als
ich die Bilder von Rafas 19 Grand-
Slam-Titeln gesehen habe, habe
ich gedacht: Wenn ich gewonnen
hätte, was hätten sie dann ge-
zeigt?“, fragte der Russe. Spielt
er so weiter, wird es in der Zu-
kunft aber auch genügend Mate-
rial für Highlight-Clips über ihn
geben. „Ihm gehört die Zukunft“,
sagte Nadal. dpa

TTTennis-Profiennis-Profi
Rafael Nadal
fffeierte in Neweierte in New
YYYork seinenork seinen
111 9. Grand-9. Grand-
DPA Slam-Titel

/ CHARLES KRUPA

Dann kommen Nadal die Tränen


Spanier gewinnt dramatisches US-Open-Finale und nähert sich Federers Rekord


Sebastian Vettel wird in der Formel 1 von seinem jungen Teamkollegen


verdrängt. Charles Leclerc ist intelligent, entschlossen und rücksichtslos


Eiskalte Machtspiele


im Reich von Ferrari

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