Süddeutsche Zeitung - 10.09.2019

(Darren Dugan) #1

Meinung


Diefinanziellen Anreize für


Kliniken müssen im Sinne des


Patienten geändert werden 4


Politik


Die Wahl eines NPD-Mitglieds


zum Ortsvorsteher in Hessen soll


rückgängig gemacht werden 5


Feuilleton


Margaret Atwoods neuer


Roman wird mit enormem


Aufwand vermarktet 9


Wirtschaft


Selbstfahrende Autos werden


zu mehr Verkehr


in den Städten führen 17


Medien


Alle gegen Netflix:


Französische Sender starten eine


gemeinsame Mediathek 31


TV-/Radioprogramm 32
Forum & Leserbriefe 15
Kino · Theater im Lokalteil
Rätsel 31
Traueranzeigen 13


München–Die deutsche Fußballnational-
mannschaft hat das EM-Qualifikations-
spiel gegen Tabellenführer Nordirland am
Montagabend mit 2:0 (0:0) gewonnen. Drei
Tage nach der Heimniederlage gegen die
Niederlande schoss Marcel Halstenberg in
Belfast kurz nach der Halbzeitpause das
erste Tor, den zweiten Treffer erzielte in
der 90. Minute Serge Gnabry.sz  Sport

Berlin – Nichts ist den Menschen in
Deutschland so wichtig wie die Familie –
und kaum etwas hat sich so stark gewan-
delt wie das Familienbild. Zu diesem Ergeb-
nis kommt eine Umfrage des Meinungsfor-
schungsinstituts Allensbach im Auftrag
des Bundesfamilienministeriums. Für
77 Prozent der Befragten kommt demnach
die Familie an erster Stelle, weit vor dem
Freundeskreis. Während diese Einschät-
zung in den vergangenen Jahren ziemlich
konstant blieb, haben sich der Blick auf Vä-
ter und Mütter und die Erwartungen an die
Familienpolitik teils deutlich verändert.
Während vor zwölf Jahren noch 43 Pro-
zent der Eltern mit Kindern unter 18 Jah-
ren das Modell bevorzugten, in dem der
Vater voll arbeitet und die Mutter in Teil-
zeit, sind es heute nur noch 28 Prozent.

Auch der Anteil derer, die sich das Haus-
frauenmodell wünschen, sank leicht von
20 auf 18 Prozent. Dass beide Elternteile
Vollzeit arbeiten, streben dagegen heute
fast ein Viertel der Befragten an; 2007 wa-
ren es nur 15 Prozent. Fast ebenso beliebt,
und zudem etwas beliebter als zuvor, ist
das Modell, in dem beide in Teilzeit arbei-
ten. Insgesamt ist die Gruppe derer, die
sich eine gleichgewichtige Aufteilung von
Beruf und Familie wünschen, ebenso groß
wie die Gruppe derer, die das herkömmli-
che Modell bevorzugen.
Noch gravierender gewandelt hat sich
das Väterbild. Unter den heutigen Eltern
mit Kindern unter 18 Jahren finden 84 Pro-
zent, ein Vater solle so viel Zeit wie möglich
mit den Kindern verbringen. Aber nur
30 Prozent gaben an, das sei auch schon in

der Generation der eigenen Eltern die Er-
wartung gewesen. Die Partnerin im Beruf
unterstützen, sich nachts ums Baby küm-
mern, kranke Kinder betreuen, im Haus-
halt arbeiten: Auf all diesen Feldern wird
von heutigen Vätern großes Engagement
erwartet, während eine Generation zuvor
derlei Dinge kaum eine Rolle spielten.
Auch bei den Erwartungen an die Famili-
enpolitik gebe es Veränderungen, sagte
Allensbach-Geschäftsführerin Renate
Köcher am Montag. Den Beruf der Erziehe-
rin attraktiver zu machen etwa, sei der
Bevölkerung heute wichtiger als noch vor
einigen Jahren. Ebenfalls wichtig sei den
Menschen eine stärkere finanzielle Förde-
rung von Familien mit kleinen Einkom-
men und eine leichtere Vereinbarkeit von
Familie und Beruf.

Mit Blick auf Letzteres verwies Familien-
ministerin Franziska Giffey (SPD) auf Fort-
schritte beim Rechtsanspruch auf Ganz-
tagsbetreuung an Grundschulen, der von
2025 an gelten soll. Bund und Länder hät-
ten sich darauf geeinigt, dass unter „ganz-
tags“ eine Acht-Stunden-Betreuung an
fünf Tagen in der Woche zu verstehen sei,
mit höchstens 20 Schließtagen im Jahr.
Giffey kündigte zudem eine Reform des
Elterngeldes noch in diesem Jahr an. Im
Zentrum sollen Eltern von Frühgeborenen
stehen; auch das Thema Partnerschaftlich-
keit, also die Rolle von Vätern und
Müttern, werde diskutiert. Giffey machte
allerdings deutlich, dass eine grundlegen-
de Änderung der Vätermonate wohl eher
noch nicht zum Reformpaket gehören
werden. henrike roßbach  Seite 4

Berlin– Die Bundesregierung will in eini-
genHandwerksberufen wie Fliesenleger,
Orgelbauer und Raumausstatter die Meis-
terpflicht wieder einführen. Das teilten
Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann
und SPD-Fraktionsvize Sören Bartol mit.
Betriebe, die jetzt nicht der Meisterpflicht
unterliegen, sollen durch Bestandsschutz
ihr Handwerk weiter selbständig ausüben
dürfen.dpa  Seite 4, Wirtschaft

London– Die Fluggesellschaft British Air-
ways hat wegen eines Pilotenstreiks nahe-
zu alle Flüge am Montag gestrichen. Der Ar-
beitskampf soll an diesem Dienstag fortge-
setzt werden. Die Piloten verlangen eine
bessere Beteiligung am Unternehmensge-
winn. Das Büro des britischen Premiermi-
nisters Boris Johnson forderte „dringend“,
den seit neun Monaten andauernden Kon-
flikt zu beenden.am  Wirtschaft

TV-Programm
vom10. bis 16. September 2019

Als Faustformel für Kleinanleger kann
man vielleicht festhalten: Ab zwei Dut-
zend wird’s kritisch. Das zumindest legt
eine Studie der Bank of America nahe, die
untersucht hat, ob ein Zusammenhang
zwischen der Zahl der täglichen Twitter-
Botschaften von Donald Trump und der
Entwicklung der Aktienkurse besteht. Er-
gebnis: Je öfter der Präsident seine 64 Mil-
lionen Follower über sein Seelenleben in-
formiert, desto größer ist die Wahrschein-
lichkeit, dass die Kurse sinken. Bei mehr
als 35 Tweets pro Tag geht es sogar ziem-
lich sicher bergab. Umgekehrt steigen die
Kurse meist, wenn sich Trump binnen
24 Stunden weniger als fünf Mal meldet.
Was klingt wie die Spielereien einiger
nicht ausgelasteter Bankmitarbeiter, hat
einen ernsten Hintergrund. Immer öfter
nämlich äußert sich Trump per Tweet zu
Themen, die auf den Finanzmärkten als
potenziell kursbewegend gelten: Egal ob
der Handelsstreit mit China und Europa

oder das sensible Thema der US-Leitzin-
sen – jede Zorneswallung wird in Echtzeit
verbreitet. Je nervöser der Präsident da-
bei wird, desto mehr überträgt sich diese
Nervosität auch auf die Märkte. Entspre-
chend müssen Börsianer, Profis wie Hob-
byhändler, bei ihren Kauf- und Verkaufs-
entscheidungen heute neben den übli-
chen Kursen und Grafiken auch Trumps
Twitter-Konto im Auge behalten.
Die Großbank J. P. Morgan hat nach ei-
nem Bericht des Senders CNBC gar einen
eigenen Index entwickelt, der die Zahl der
„marktbewegenden“ Tweets misst und
sie ins Verhältnis zu den Preisschwankun-
gen am Rentenmarkt setzt. Seit Anfang
2018 ist die Zahl der Botschaften, die eine
unmittelbare Kursreaktion nach sich zo-

gen, von durchschnittlich zwei oder drei
pro Monat auf mehr als 80 gestiegen. Be-
trachtet man zugleich die Preisschwan-
kungen am Rentenmarkt, die sogenannte
Volatilität, dann zeigt sich, dass beide Kur-
ven nahezu identisch verlaufen: je mehr
Tweets, desto größer die Kursausschläge.
Auf der Suche nach einem Namen für
das Börsenbarometer wurden die Banker
ebenfalls bei Trump höchstselbst fündig:
Es heißt „Volfefe-Index“ – eine Kombina-
tion aus Volatilität und jener rätselhaften
Wortschöpfung „covfefe“, die sich vor gut
zwei Jahren in einem Trump-Tweet fand.
Schaut man sich die mitten im Satz enden-
de, nach Mitternacht versandte Nachricht
heute noch einmal an, dann spricht alles
dafür, dass sich der Präsident einfach ver-

tippt hatte, wie es vielen Twitter-Nutzern
schon passiert ist. Da Trump aber nun ein-
mal nie Fehler eingesteht oder aber – wie
er es selber sieht – schlicht keine macht,
mussten seine Adjutanten erklären, er ha-
be in voller Absicht „covfefe“ geschrie-
ben: „Der Präsident und eine kleine Grup-
pe von Leuten wissen genau, was er damit
meint“, so sein damaliger Sprecher.
J. P. Morgan hat auch geprüft, um wel-
che Uhrzeit Anleger am ehesten mit einer
jener zehn Twitter-Botschaften rechnen
müssen, die Trump seit seinem Wahlsieg
2016 pro Tag im Schnitt absetzt. Beson-
ders kritisch ist es demnach zwischen
zwölf und 14 Uhr. Von fünf bis zehn Uhr
morgens dagegen herrscht meist Ruhe,
das, so folgern die Experten, scheine die
„Schlafenszeit“ des Präsidenten zu sein.
Ehemalige Mitarbeiter haben allerdings
anderes berichtet: Am frühen Morgen
sitzt Trump demnach fast immer vor dem
Fernseher. claus hulverscheidt

von cathrin kahlweit

London– Die britische Regierung hat das
Parlament mit Wirkung vom Dienstag an
in die angekündigte Zwangspause ge-
schickt. Laut der von der Queen unterzeich-
neten Weisung wäre die Prorogation, die
Vertagung, auch erst ab Donnerstag mög-
lich gewesen, aber Premier Boris Johnson
hat entschieden, das Parlament nach der
Sitzung vom Montag bis zur Regierungser-
klärung am 14. Oktober zu schließen.
Das bedeutet auch, dass keine Aus-
schusssitzungen mehr stattfinden. Der La-
bour-Abgeordnete Hilary Benn zeigte sich
empört darüber, dass Johnson damit seine
Vorladung vor den Brexit-Ausschuss umge-
he, der am Mittwoch hätte tagen sollen.
Die Abgeordneten wollten ihn zu den Vor-
schlägen befragen, die er nach eigenem Be-

kunden in Brüssel vorlegen will, um spätes-
tens zum nächsten EU-Gipfel Mitte Okto-
ber doch noch einen Austrittsvertrag aus-
handeln zu können. Das vom Parlament be-
schlossene Gesetz zur Verhinderung eines
Brexits ohne Abkommen trat indes am
Montag mit der Zustimmung der Königin
in Kraft.
Bei einem Besuch in der Republik Irland
am Montagvormittag, bei dem Johnson
den irischen Premier Leo Varadkar traf,
hatte Johnson betont, wie sehr ihm an ei-
nem Deal mit der EU gelegen sei. No Deal,
so der Brite, wäre ein „Versagen der politi-
schen Führung, für das wir alle verantwort-
lich wären“. Zugleich betonte Johnson er-
neut, dass er nicht vorhabe, eine Verschie-
bung des Austrittsdatums zu beantragen.
Varadkar sagte, Johnson irre, wenn er No
Deal als klaren Schnitt betrachte; die ei-

gentlichen Probleme seien damit nicht ge-
löst, und alle ungeklärten Fragen, die jetzt
auf die lange Bank geschoben würden,
müssten dann nach dem 31. Oktober ver-
handelt werden – unter mehr Zeitdruck
und schlechteren Bedingungen.
Zu Beginn der letzten Sitzung vor der
Zwangspause kündigte Parlamentspräsi-
dent John Bercow seinen Rücktritt an. Er
wolle entweder nach Neuwahlen oder aber
am 31. Oktober zurücktreten. Bercow hatte
schon vor längerer Zeit angekündigt, sich
zurückziehen zu wollen, dies aber wegen
des unerledigten Brexits nicht getan. Die
Tories hatten ihm zuletzt gedroht, ihn bei
Neuwahlen nicht mehr aufzustellen, weil
er als Remainer gilt.
Mit 311 zu 302 Stimmen beschloss das
Unterhaus am Montagabend, von Dow-
ning Street zu verlangen, dass bis 11. Sep-

tember die Expertisen veröffentlicht wer-
den, welche die Gefahren eines No Deal auf-
führen. Ebenfalls am Montagabend wollte
das Unterhaus den erneuten Antrag der Re-
gierung auf vorgezogene Neuwahlen zu-
rückweisen, die Abstimmung war bis Re-
daktionsschluss noch nicht erfolgt. Alle Op-
positionsparteien bis auf die nordirische
DUP hatten sich geeinigt, so lange keine
Wahlen zu beschließen, bis die Verschie-
bung des Austrittsdatums beantragt ist.
Neuesten Umfragen zufolge dürften die To-
ries darüber aber gar nicht unglücklich
sein. Aktuelle Zahlen zeigen, dass es frag-
lich wäre, ob die Konservativen bei einem
schnellen Urnengang die Mehrheit bekä-
men. Trotz der Prorogation wird der Macht-
kampf zwischen Downing Street und Un-
terhaus weitergehen. Oppositionspolitiker
denken über eine Amtsenthebung nach.

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HEUTE


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British Airways


streicht fast alle Flüge


München– Italiens Premier Giuseppe Con-
te hat am Montag im römischen Abgeord-
netenhaus für die Koalition aus Fünf Ster-
nen und Sozialdemokraten geworben. Am
späten Abend stimmten dann in einer Ver-
trauensabstimmung 343 der 630 Abgeord-
neten für die neue Regierung, 263 stimm-
ten gegen sie. Das Vertrauensvotum im Se-
nat soll an diesem Dienstag folgen. Es wur-
de damit gerechnet, dass die Regierung
Conte II auch in der zweiten Parlaments-
kammer eine – wenn auch knappere –
Mehrheit erhält. Conte kündigte eine Pha-
se von Reformen an und einen veränder-
ten Kurs in der Einwanderungspolitik. Sie
solle nicht mehr von einer „Notstandslage“
ausgehen, zudem solle das Gesetzespaket
entschärft werden, das hohe Geldstrafen
für private Seenotretter vorsieht, die im
Mittelmeer Gerettete in Italien an Land
bringen. Diese Sicherheitsgesetze hatte
die vorige, auch von Conte geführte Regie-
rung auf Druck des damaligen Innenminis-
ters Matteo Salvini von der Lega beschlos-
sen. Conte plädierte für eine Änderung des
europäischen Stabilitätspaktes und räum-
te auch ein, dass Italiens Haushalt für 2020
„viele Herausforderungen“ mit sich brin-
ge. Man wolle Steuern für Arbeitnehmer
verringern und eine höhere Mehrwertsteu-
er möglichst verhindern. bac  Seite 7

In Mecklenburg-Vorpommern und Schles-
wig-Holstein wolkig, örtlich Regen. Sonst
nach Frühnebel wechselnd bewölkt und
sonnig. Nur noch vereinzelte Regenschau-
er. 17 bis 22 Grad.  Seite 15 und Bayern

Deutscher Sieg


gegen Nordirland


Der Börsen-Schreck


Trump lässt mit seinen Tweets die Kurse Achterbahn fahren


Johnson schickt das Parlament in Pause


Der britische Premier kommt damit den Abgeordneten zuvor, die ihn vorladen wollten. Ungeachtet


der Umfragen, die ihm schwindenden Rückhalt bescheinigen, strebt er weiterhin Neuwahlen an


Xetra Schluss
12226 Punkte

N.Y. Schluss
26836 Punkte

22 Uhr
1,1049 US-$

Feindbild SUV: Wie gefährlich sind die schweren Autos? Panorama


Die Deutschen wünschen sich engagierte Väter


Eine Studie zeigt das rapide gewandelte Familienbild, die Vereinbarkeit von Privatem und Beruf wird wichtiger


Meisterbrief soll


wieder Pflicht werden


(SZ) Felix Huchs Beethoven-Biografie war
einst überaus beliebt und schon deswegen
lesenswert, weil sie mit Details aus Beet-
hovens Kindheit aufwartete, die bis dahin
nicht bekannt waren. So etwa sagt gleich
im ersten Kapitel der Großvater, der Bon-
ner Hofkapellmeister Ludwig van Beetho-
ven sen., beim Anblick des in der Wiege lie-
genden Enkels: „Wie prächtig wölbt sich
seine Stirn! Gib acht, aus dem Jungen wird
mal ein Musiker!“ So kam es dann auch,
wiewohl der störrische Bub, seinem ersten
Biografen Anton Schindler zufolge, „stets
mit allem Ernst an das Klavier getrieben
werden musste“. Und wie war das bei Se-
bastian Kurz? Zeigte sich auch bei ihm das
Genie schon in der Wiege? Ja, und zwar
überdeutlich. Wer sich bisher darüber wun-
derte, dass Kurz derart lange und wohlge-
formte Sätze von sich geben kann, findet
die Wurzel dieser Gabe nun in dessen frü-
hester Kindheit: „Die ersten kompletten
Sätze sprach der kleine Sebastian Kurz be-
reits mit einem Jahr und stellte damit viele
andere Kinder in den Schatten. Es waren
keine Sprechversuche, die er machte, son-
dern er sprach bereits ganze Sätze.“
Dieser Bericht stammt aus Judith Groh-
manns eben erschienener Kurz-Biografie,
über die zur Zeit ganz Österreich staunt,
weil man sich weder an eine vergleichbare
Hagiografie erinnern kann noch gar daran,
dass Kurz überhaupt schon heiliggespro-
chen worden wäre. Die im Netz verfüg-
baren Proben verweisen dessen ungeach-
tet deutlich in die Sphäre jener Heiligen-
legenden, in denen es von Zwei- bis Dreijäh-
rigen wimmelt, deren Erwähltheit in die
Augen springt, um nicht zu sagen: auf die
Nerven geht. Einmal fragt die Autorin ihren
Helden, ob er sich nicht zu ihr und ihrer
Begleitung setzen wolle. Kurz jedoch schüt-
telt „nur sanft seinen Kopf, weiter in die
Leere blickend. Noch einmal atmete er tief
durch, dann sah er uns in die Augen und
nickte uns zu, bevor er sich umdrehte und
wortlos aus dem Raum verschwand“. Das
ist der Gestus eines Vollendeten, den die
Kleinigkeiten des Irdischen nicht mehr be-
rühren. Sein wortloser Abschied sagt uns,
dass wir die Welt, in der er lebt, weder ver-
stünden noch wahrscheinlich ertrügen. Bei
einem, der bereits als Baby ganze Sätze
sprach, ist diese Art von Wortlosigkeit als
donnernde Botschaft zu verstehen. Ein Klei-
nerer als er hätte vielleicht „Kusch, Oide!“
oder so etwas gesagt, doch ist Kurz viel zu
höflich, als dass er mit der Verfasserin sei-
ner „offiziellen Biografie“ so spräche.
Nicht alles, was Säuglinge tun, muss auf
ihr späteres Leben verweisen. Laut Groh-
mann war Sebastian Kurz ein Baby, „das
auf der Überholspur fuhr“; trotzdem wur-
de aus ihm kein Formel-1-Fahrer. Ludwig
van Beethoven hatte als Säugling nur seine
prächtig gewölbte Stirn vorzuweisen. Spä-
ter freilich wechselte er unübersehbar auf
die Überholspur und hielt sich dort so zäh,
dass ihm auf dem Red-Bull-Ring der Wie-
ner Klassik keiner mehr zuvorkam.


22 °/6°


Das neue Schuljahr beginnt,


und andeutschen Grundschulen


fehlen Tausende Pädagogen.


Helfen wird gegen den Mangel


nur eines: mehr Geld


 Thema des Tages, Meinung


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WWW.SÜDDEUTSCHE.DE HMG MÜNCHEN, DIENSTAG, 10. SEPTEMBER 2019 75. JAHRGANG/ 37. WOCHE / NR. 209 / 3,00 EURO


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FOTO: HULU

FOTO: MAURITIUS IMAGES

Dax▲


+ 0,28%

Dow▲


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Euro▲


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Italiens Premier


will Reform-Ära


Giuseppe Conte wirbt um
Vertrauen für die neue Regierung

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