Süddeutsche Zeitung - 10.09.2019

(Darren Dugan) #1
von jan schmidbauer

München– Esist eine Entwicklung, die in
Zeiten von Klimastreiks und schmelzen-
den Gletschern paradox anmutet: Energie-
sparen lohnt sich für viele Stromkunden in
Deutschland nicht mehr so sehr. Das zeigt
eine Auswertung des Vergleichsportals
Verivox. Demnach zahlen Kunden, die we-
nig verbrauchen, relativ betrachtet immer
mehr für ihre Energie, während Kunden,
die vier- oder fünfmal so viel Strom ver-
brauchen, besser davon kommen. Das Ver-
gleichsportal, das mit der Veröffentli-
chung natürlich ein Eigeninteresse ver-
folgt und die Verbraucher zum Anbieter-
wechsel animieren will, hat für seine Stu-
die die Strompreise und Netzkosten (inklu-
sive Messkosten) zwischen 2014 und 2019
verglichen.
Die Gründe für das beobachtete Phäno-
men sind komplex, das Ergebnis ist aller-
dings eindeutig: Für Kunden mit einem
Verbrauch von 1500 Kilowattstunden stieg
der Strompreis in der Grundversorgung
seit 2014 um 8,4 Prozent. Kunden, die
6000 Kilowattstunden verbrauchen, müs-
sen dagegen nur 4,8 Prozent mehr zahlen.
Bei Haushalten mit einem Verbrauch von
10000 Kilowattstunden stieg der Strom-
preis sogar nur um 4,5 Prozent.

Der Effekt entsteht dadurch, dass die so-
genannten Grundkosten der Netzbetrei-
ber in den vergangenen Jahren vielerorts
deutlicher gestiegen sind als der sogenann-
te Arbeitspreis. Stark vereinfacht gesagt
besteht der Strompreis aus zwei Anteilen:
einem variablen und einem festen. Der Ar-
beitspreis wird pro Kilowattstunde erho-
ben, ist also variabel. Die Netzkosten glei-
chen dagegen einem Pauschalbetrag, der
unabhängig vom Verbrauch erhoben wird.
Besonders stark gestiegen sind zuletzt ge-
nau diese Kosten. Kunden, die wenig Ener-
gie verbrauchen, zahlen pro Kilowattstun-
de (je nach Wohnort) also mehr, als Kun-
den, die sehr viel Strom verbrauchen.
Die Netzkosten, um die es geht, werden
von den sogenannten Verteilnetzbetrei-
bern erhoben, die seit der Liberalisierung
von den Stromanbietern getrennt sind.
Stromkunden können den Netzbetreiber
nicht wechseln und diese Kosten daher
auch nicht beeinflussen: Die Netzbetreiber
lassen sich die Kosten, die sie den Strom-
kunden in Rechnung stellen, von der Bun-
desnetzagentur genehmigen.

Doch warum verlangen sie immer mehr
Geld für den Erhalt ihrer Infrastruktur und
den Transport des Stroms? Ein wichtiger
Grund ist die Energiewende. „Die Netzbe-
treiber reagieren darauf, dass immer mehr
Verbraucher ihren eigenen Strom verbrau-
chen“, sagt Udo Sieverding, Energieexper-
te der Verbraucherzentrale Nordrhein-
Westfalen. Gemeint sind die vielen Haus-
halte, die sich etwa eine Solaranlage aufs
Dach bauen. Viele von ihnen nutzen den er-

zeugten Strom selbst. Weil dieser nicht
mehr durch das Stromnetz transportiert
werden muss, sparen sich die Haushalte
die Netzkosten.
Viele Netzbetreiber holen sich die ent-
gangenen Einnahmen wieder, indem sie
die Grundkosten erhöhen. Dabei gibt es al-
lerdings eine Art „Kollateralschaden“, wie
Energieexperte Sieverding es formuliert.
Auch Verbraucher, die sich keine Solaranla-
ge auf dem Dach leisten können, müssen

die höheren Grundkosten mit bezahlen.
Nach Ansicht des Verbraucherschützers ist
das eine „sozial ungerechte“ Entwicklung
und ein weiterer Beweis dafür, dass es eine
Reform der Steuern und Umlagen in Ener-
giebereich geben müsse.
Stromkunden haben unterdessen keine
Möglichkeit, die höheren Kosten zu umge-
hen. Sie können lediglich nach einem An-
bieter Ausschau halten, der an anderer Stel-
le günstiger ist.

Wiesbaden– Lichtblick für die Exportnati-
on Deutschland: Nach einem Einbruch im
Juni haben Deutschlands Exporteure im
Juli dieses Jahres trotz internationaler Han-
delskonflikte wieder bessere Geschäfte ge-
macht. Waren aus Deutschland im Gesamt-
wert von 115,2 Milliarden Euro wurden in
dem Monat ins Ausland verkauft, wie das
Statistische Bundesamt mitteilte. Das wa-
ren nach Berechnungen der Wiesbadener
Statistiker 3,8 Prozent mehr als ein Jahr zu-
vor und 0,7 Prozent mehr als im Juni 2019.
„Der deutsche Außenhandel startet nach
einem gedämpften ersten Halbjahr leicht
erholt in die zweite Jahreshälfte“, stellte
der Präsident des Außenhandelsverban-
des BGA, Holger Bingmann, fest. Das US-
Geschäft laufe trotz aller Streitigkeiten
sehr zufriedenstellend. „Dies ist aber kein
Grund zur Entwarnung, denn die vielen Ri-
siken und Konfrontationen im Außenhan-
del sowie die generelle konjunkturelle Ab-
schwächung bleiben bestehen“, warnte
Bingmann. Auch der Deutsche Industrie-
und Handelskammertag (DIHK) sieht kei-
nen Grund für Euphorie. „Die Unsicherhei-
ten vor allem aufgrund der schwelenden
globalen Handelskonflikte und des weiter-
hin unklaren Brexits bleiben für die Unter-
nehmen bestehen“, sagte DIHK-Außen-
wirtschaftschef Volker Treier. „Ein Ende
der Protektionismus-Spirale ist nicht in
Sicht.“ Auf Sicht von sieben Monaten lagen
die Ausfuhren mit 781,3 Milliarden Euro
noch knapp über dem Vorjahreswert von
773,5Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr
2019 rechnet der Bundesverband Großhan-
del, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA)
mit 1,5 Prozent Wachstum des Exportvolu-
mens. Im vergangenen Jahr hatten die
deutschen Exporte das fünfte Jahr in Folge
einen Rekordwert erzielt. Das Wachstums-
tempo hatte sich aber schon deutlich ver-
langsamt. Ausgeführt wurden 2018 Waren
im Wert von 1317,9 Milliarden Euro und da-
mit 3,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Der Handelskonflikt zwischen den USA
und China, die Unwägbarkeiten des briti-
schen EU-Austritts und die Abschwächung
der Weltkonjunktur bremsen die exportori-
entierte deutsche Wirtschaft nach neun
Jahren des Aufschwungs. Das Bruttoin-
landsprodukt (BIP) schrumpfte im zweiten
Quartal im Vergleich zum Vorquartal um
0,1 Prozent. Zum Jahresanfang war Euro-
pas größte Volkswirtschaft noch um 0,
Prozent gewachsen. Die Hoffnung auf eine
kräftige Konjunkturerholung in den kom-
menden Monaten schwindet. Einer Umfra-
ge der Marktforscher von Nielsen zufolge
sind mittlerweile 41 Prozent der Bundes-
bürger der Meinung, Deutschland befinde
sich in einer Rezession. dpa

München– Große Neuigkeiten zu verkün-
den, damit ist das saudische Königshaus
derzeit ganz groß. Aber mindestens genau-
so groß ist es darin, diese immer wieder
nach hinten zu verschieben. Zum Beispiel
beim Börsengang des weltgrößten saudi-
schen Ölkonzern Aramco. Im Jahr 2016 hat-
te der saudische Kronprinz Mohammed
bin Salman die Börsenpläne vorgestellt:
Fünf Prozent des Konzerns sollten an die
Börse gehen bei einer Gesamtbewertung
von zwei Billionen Dollar. Analysten schätz-
ten den Wert von Aramco allerdings eher
auf 1,2 Billionen Dollar. Der Börsengang
sollte eigentlich ein Herzstück der Vision
2030 sein, der wirtschaftlichen Neustruk-
turierung des Landes. Doch er wurde seit-
dem immer wieder verschoben.
Nun musste der saudische Energiemi-
nister Khalid al-Falih nach drei Jahren ge-
hen. Erst vergangene Woche musste er sei-
ne Stelle als Aufsichtsratschef von Aramco
räumen. Prinz Abdulaziz bin Salman wur-
de am vergangenen Sonntag durch ein kö-
nigliches Dekret überraschend als neuer
Energieminister benannt. Erstmals über-

nimmt damit ein Mitglied des Königshau-
ses die Verantwortung für die wichtige Öl-
politik des Landes. Abdulaziz ist der Sohn
von König Salman und der ältere Halbbru-
der des Kronprinzen. Der 59-Jährige arbei-
tete jahrelang als Spitzenbeamter im Ener-
gieministerium, 1995 wurde er zum stell-
vertretenden Ölminister ernannt. Prinz Ab-
dulaziz sorgte federführend dafür, dass die
Gespräche zwischen Riad und Kuwait über
eine gesteigerte Ölförderung in der Neutra-
len Zone kürzlich wieder in Gang kamen.
Die Länder hatten vor mehr als vier Jahren
die Produktion der gemeinsam betriebe-
nen Ölfelder Khafji und al-Wafra gestoppt.
Obwohl sein Vorgänger Khalid al-Falih
als erfahrener Akteur gilt, konnte er die Er-
wartungen in Riad offenbar nicht erfüllen.
Das Königreich braucht für einen ausgegli-
chenen Staatshaushalt laut einer Berech-
nung des Internationalen Währungsfonds
einen Ölpreis von etwa 85 US-Dollar. Doch
seit Monaten liegt der eher bei 60 US-Dol-
lar. Al-Falih setzte stets auf Marktstabilität
und kooperierte im Ölkartell Opec häufig
mit dem russischen Energieminister Alex-

ander Novak, mit dem er enge Beziehun-
gen pflegte. Auf der letzten Konferenz in
Wien warb al-Falih für eine intensivere Zu-
sammenarbeit mit den Nicht-Opec-Staa-
ten unter Moskaus Führung und konnte
dort mit seinen Verhandlungskünsten

punkten. Andere Opec-Staaten wie etwa
Kuwait fühlten sich da häufig außen vor.
Auch die vermehrten Drohnenangriffe
der schiitischen Huthi-Rebellen auf saudi-
sche Ölpumpstationen setzten den Minis-
ter unter Druck. Prinz Abdulaziz hat einen
engen Draht zum König, der seit dem Mord
am regimekritischen Publizisten Jamal
Khashoggi, für den viele den Kronprinzen
mitverantwortlich machen, wieder ver-
mehrt politische Entscheidungen trifft. En-
ge Verbindungen zum jüngeren Bruder
werden ihm nicht nachgesagt.
Mit dem Personalwechsel will sich das
Königshaus auch für den erneuten Börsen-
anlauf positionieren, der offenbar bevor-
steht. Laut einem Insiderbericht könnte
die US-Investmentbank JP Morgan als Be-
rater von Aramco infrage kommen. Auch
die US-Bank Morgan Stanley sowie die sau-
dische National Commercial Bank sind im
Gespräch. Geplant ist offenbar eine Erstno-
tiz von Aramco Anfang November. Der Kon-
zern soll zunächst an die heimische Börse
gehen und 2020 an einen internationalen
Handelsplatz. dunja ramadan

Berlin– Mehr als die Hälfte der Arbeit-
nehmerweltweit (53 Prozent) gehen
laut einer Studie davon aus, dass Auto-
matisierung in den kommenden zehn
Jahren einen deutlichen Einfluss auf
ihren Arbeitsplatz haben wird oder ihn
sogar gefährdet. In Deutschland sind es
57 Prozent. Ob dies positiv oder negativ
bewertet wird, hänge dabei stark vom
Bildungsniveau der Menschen sowie
der Bereitschaft zur Weiterbildung ab,
teilt das Beratungshaus PwC zur Veröf-
fentlichung der Studie mit. dpa


Saudi-Arabien ist der weltgröß-
te Öl-Exporteur und wichtiges
Mitglied im Ölkartell Opec.
Im Bild der saudische Öltanker
„Amjad“ im Persischen Golf.
FOTO: KARIM SAHIB/AFP

Der König mischt sich ein


In Saudi-Arabien sortiert sich die Herrscherfamilie neu. Das betrifft den Posten des Energieministers, der erstmals in royale Hände fällt


Der Preis des Sparens


Nachdem die Netzkosten deutlich gestiegen sind, zahlen ausgerechnet Kunden mit niedrigem Verbrauch
besonders viel für ihren Strom. Grund für diese Entwicklung ist auch die Energiewende

Skeptisch bei Digitalisierung


München– Das deutsche Flugtaxi-
Start-up Volocopter hat sich in einer
neuen Finanzierungsrunde 50 Millio-
nen Euro gesichert, unter anderem von
der chinesischen Geely-Gruppe. Das
Unternehmen will seine elektrisch be-
triebenen Flugtaxis, die vertikal starten
und landen können, innerhalb von drei
Jahren auf den Markt bringen. Die Vol-
vo-Mutter Geely und Volocopter woll-
ten außerdem ein Joint Venture grün-
den, um das neue Konzept für städti-
sche Luftmobilität nach China zu brin-
gen. Auch Daimler hat bereits in das in
Bruchsal bei Karlsruhe ansässige Unter-
nehmen investiert. Volocopter entwi-
ckelt Lufttaxis, damit Passagiere in den
Megastädten der Zukunft Staus auf den
Straßen ausweichen und so schnell ihr
Ziel erreichen können. Insgesamt hat
das Start-up schon 85 Millionen Euro
eingesammelt. reuters


Berlin– Die Konjunkturflaute erfasst
einer Umfrage zufolge zunehmend die
kleinen und mittleren Unternehmen in
Deutschland. Das Barometer für deren
Geschäftsklima fiel im August um 4,
auf minus 1,5 Punkte, wie die KfW zu
der Befragung von 7500 Mittelständ-
lern mitteilte. Es liegt damit erstmals
seit Februar 2015 wieder im negativen
Bereich. Dabei wurden sowohl die Lage
als auch die Aussichten für die kommen-
den Monate deutlich negativer bewertet
als zuvor. „Konnte der in der Breite auf
das Inland fokussierte Mittelstand bis-
lang von der noch relativ soliden Bin-
nennachfrage profitieren, so bekommt
auch er allmählich die direkten und
indirekten Folgen des heftigen außen-
wirtschaftlichen Gegenwinds ein-
schließlich der handelspolitischen Un-
wägbarkeiten zu spüren“, erklärte die
KfW mit Blick auf Brexit, Handelsstreit
und schwächerer Weltkonjunktur. Von
diesen Ansteckungseffekten betroffen
seien in erster Linie Großhändler und
Dienstleister. reuters


Düsseldorf– Der Konsumgüterkon-
zern Beiersdorf bringt im September
erstmals nach 30 Jahren eine neue Mar-
ke in den Handel. Mit einer Körper-
creme speziell für tätowierte Haut(FO-
TO: UNSPLASH)will der Konzern vor allem


jüngere Kunden gewinnen, die sich von
Massenmarken wie Nivea abwenden
und eher kleinere, alternative Produkte
kaufen. Die Linie „Skin Stories“ um-
fasst einen Reparaturbalsam für neue
Tätowierungen, einen Sonnenschutz-
stift und eine tägliche Körperlotion.
Laut Beiersdorf hat fast jeder fünfte
Deutsche ein Tattoo. reuters


Ein Wechsel
des Anbieters hilft
in diesem Falle nicht

20 HF2 (^) WIRTSCHAFT Dienstag,10. September 2019, Nr. 209 DEFGH
Wieder Plus
bei Exporten
Deutschlands Ausfuhren
steigen im Juli leicht
Licht aus statt an ist der beste Weg zum Sparen. Doch der Effekt wird an anderer Stelle gebremst.FOTO: DAN DEALMEIDA/UNSPLASH
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