Süddeutsche Zeitung - 10.09.2019

(Darren Dugan) #1
Natürlich fuhr Max Jaeger auch an jenem
Junitagnach Hause. Es war ein großer Tag
für den VfL Gummersbach, und ein großer
Tag für den VfL Gummersbach ist ein gro-
ßer Tag für Jaeger. Der Linksaußen spielt
mittlerweile zwar für den HSC Coburg,
Gummersbach aber ist seine Heimat. Dort
hat sein Vater Handball gespielt, dort ist
sein Großvater eine Legende, dort ist er der-
jenige geworden, der er inzwischen ist.
Jaeger saß an jenem Junitag also auf
dem Sofa und verfolgte das Gummersba-
cher Spiel mit seiner Familie vor dem Fern-
seher. Es war der letzte Spieltag der vergan-
genen Saison, und auch wenn diese Formu-
lierung im Sport inflationär bemüht wird:
Für Gummersbach ging es um alles.

Der VfL ist nicht irgendein Handball-
Klub – er ist einer der erfolgreichsten über-
haupt, ein Mythos, irgendwie aber auch im
Gestern gefangen. An diesem Junitag rang
er mal wieder mit sich selbst. Er kämpfte
zum x-ten Mal gegen den erstmaligen Ab-
stieg aus der Bundesliga, und diesmal ver-
lor er den Kampf. Gummersbach spielte in
Bietigheim-Bissingen unentschieden und
stieg nach 53 Jahren tatsächlich ab. „Ich
war total perplex“, sagt Jaeger, „ich wusste
gar nicht, was da gerade passiert ist.“
Egal, wie schlecht es in all den Jahren
lief: Es konnte sich ja doch keiner vorstel-

len, dass es Gummersbach tatsächlich mal
erwischt. In jenem Augenblick aber, als es
schließlich geschah, da war es für einige
Minuten still im Wohnzimmer der Jaegers,
beinahe so, als hätte es einen Trauerfall ge-
geben. Wenn Jaeger jetzt über diesen Mo-
ment spricht, wirkt er gefasst. Er weiß ja,
dass es seinem VfL wieder gut geht. Trotz
des Abstiegs.
Jaeger, 22, hat ein jugendliches Gesicht.
Er ist zwar fast einsneunzig groß, wenn er
aber in der Deckung neben seinen Mitspie-
lern steht, könnte man ihn beinahe für ei-
nen Jugendspieler halten. Und vielleicht
ist es ja auch dieser Punkt, der erklärt, war-
um Jaeger der Durchbruch bei seinem Hei-
matverein verwehrt blieb – und warum er
jetzt, in Coburg, derart aufblüht. „Selbst
wenn du ein gutes Spiel machst, sieht der
Trainer in dir noch den Jugendspieler“,
sagt Jaeger über seine Zeit in Gummers-
bach: „Als Eigengewächs ist es schwieri-
ger, sich das Vertrauen zu erarbeiten.“
Manchmal kam Jaeger mitten in der
Nacht von einem Auswärtsspiel zurück
und musste tags darauf für die zweite
Mannschaft spielen. In Coburg hingegen
setzte Jan Gorr auf Anhieb auf ihn. „Er war
am Anfang ein Spieler auf dem Sprung“,
sagt der HSC-Trainer, „mittlerweile hat er
sich mit seiner ruhigen und disziplinierten
Art rangearbeitet und bewiesen, dass er
Verantwortung übernehmen kann.“
Im Torwurf, im Positionsangriff, auch
in der Deckung: Jaeger hat sich enorm ent-

wickelt, seit er vor rund einem Jahr zum
HSC kam. „Er ist im Gesamtpaket bemer-
kenswert“, findet Gorr – schließlich vertei-
digt Jaeger auf der Halbposition, obwohl er
ein Linksaußen ist.

Es gibt Spieler, bei denen es wie ein
Schimpfwort klingt, wenn man sie als Ta-
lent bezeichnet. Bei Jaeger aber klingt es
wie ein Versprechen. Auch Gorr weiß, dass
seinem Spieler eine verheißungsvolle Zu-

kunft bevorsteht. Er spricht deshalb ein
paar Sätze hinter vorgehaltener Hand,
wenn man ihn fragt, wohin Jaegers Weg
führen könnte. Gorr will nicht zu laut sa-
gen, welch großes Talent er in seinen Rei-
hen hat, nicht, dass die anderen da drau-
ßen am Ende noch mitkriegen, dass es ir-
gendwo in Oberfranken einen jungen Kerl
gibt, der mal ein Großer werden könnte,
wenn er ein bisschen älter ist. Gorr sagt al-
so nur: „Er hat das Zeug, ein Erstliga-Spie-
ler zu werden.“ Dann schickt er sicherheits-
halber aber noch hinterher: „Dafür muss
er sicher noch bestätigen, was er angedeu-
tet hat.“ Eine Aussage, die auf die gesamte
Coburger Mannschaft zutrifft.
Die ersten Wochen dieser Saison haben
ja das gezeigt, was Gorr schon vor dem ers-
ten Spiel vorhergesagt hat: dass die zweite
Liga im Vergleich zu den Vorjahren noch
ausgeglichener ist, noch offener, noch bes-
ser. Dass sein Team am zweiten Spieltag in
Aue verloren hat, will Coburgs Trainer des-
halb nicht als Ausrutscher werten, denn:
„Man kann in dieser Liga vor keinem Spiel
sagen: Es wird schon einigermaßen laufen,
wenn wir unsere Leistung bringen.“
Schon gar nicht, wenn der Gegner Gum-
mersbach heißt, wie am Samstag. Für Jae-
ger wird das Duell besonders. Ihn wird ein
merkwürdiges Gefühl beschleichen, wenn
er seinem Heimatklub gegenübersteht.
Doch Jaeger ist jetzt Coburger, das Kapitel
Gummersbach, „das ist geschlossen“, sagt
er. sebastian leisgang

von raphael späth

E


s gibt diese Momente, in denen man
Sportlern ansieht, wenn alle Anspan-
nung auf einmal abfällt. Tiago Apolo-
nia stand am vergangenen Samstag im
französischen Nantes regungslos am
Tisch, auf einmal hatte er nur ein breites
Grinsen auf dem Gesicht. Sekunden später
stürmten seine Mannschaftskameraden
auf ihn zu, das stoische Lächeln wich blan-
ker Freude. Gerade hatte er dem portugiesi-
schem Tischtennis-Nationalteam in einem
spannenden Kampf gegen den Schweden
Jon Persson den Einzug ins Endspiel der
Team-Europameisterschaft beschert – die
Silbermedaille war sicher.

Apolonia ist an diesem Samstagnach-
mittag der entscheidende Mann der Portu-
giesen gewesen, er gewann beide Einzel ge-
gen Persson und einen gewissen Mattias
Falck, der nur wenige Monate zuvor noch
Silber bei der Einzel-Weltmeisterschaft in
Budapest geholt hatte. „Das war erst das
zweite Mal, dass ich gegen ihn gespielt ha-
be“, sagt Apolonia. „Bei der WM in Buda-
pest hat er mich deutlich geschlagen. Also
habe ich dieses Mal meinen Spielstil etwas
verändert – und es hat funktioniert.“
Im Finale war aber auch Tiago Apolonia
gegen die haushohen Favoriten aus
Deutschland chancenlos, gegen seinen ehe-
maligen Mannschaftskollegen Patrick
Franziska unterlag er 0:3. „Momentan ist
Deutschland noch das klar beste Team Eu-
ropas“, sagt der 33-Jährige. Auch seinen Er-
folg gegen den Schweden Mattias Falck
möchte er nicht zu hoch hängen: „Im Halb-
finale einer Team-EM herrscht eine kom-
plett andere Atmosphäre als bei einer Ein-
zel-Weltmeisterschaft. Davon habe ich auf
jeden Fall profitiert.“
Dass der Sieg gegen den Weltranglisten-
Neunten aber keinesfalls ein Zufallspro-
dukt war, kann der Portugiese schon drei
Tage später beweisen: Bereits am heutigen
Dienstag trifft Apolonia wieder auf den
WM-Zweiten – dieses Mal allerdings nicht

im Nationaldress, sondern in der Bundesli-
ga, im Trikot des TTC Neu-Ulm. Der Ver-
ein, der als Projekt von Investor Florian Eb-
ner erst im Frühjahr ins Leben gerufen wur-
de und nur dank einer Wildcard in der Bun-
desliga starten darf, empfängt am dritten
Bundesliga-Spieltag Werder Bremen – mit
Mattias Falck.

„Das wird keine einfache Aufgabe“, sagt
Tiago Apolonia. „Ich bin hier in einem kom-
plett neuen Verein mit neuen Mitspielern.
Wir brauchen noch Zeit, um uns als Mann-
schaft einzuspielen – dabei können gerade
solche kleinen Details den Unterschied zwi-
schen Sieg und Niederlage machen.“ Die
ersten beiden Bundesliga-Partien des neu

gegründeten Vereins gegen Grünwetters-
bach und Mühlhausen gingen knapp verlo-
ren; „allerdings war die Art und Weise, wie
wir gespielt haben, schon ziemlich zufrie-
denstellend“, analysiert Apolonia. Der ehe-
malige Weltranglisten-13. ist das Aushän-
geschild der Neu-Ulmer; in den ersten bei-
den Spielen konnte er jeweils eins von zwei

Einzeln gewinnen. „Ich finde das Projekt
sehr interessant und habe auch vor, erst
einmal in Neu-Ulm zu bleiben“, sagt er.
„Die Neu-Ulmer wollen in den kommen-
den Jahren eine konkurrenzfähige Mann-
schaft aufstellen, und dabei möchte ich
mithelfen.“
Der 33-Jährige ist in Deutschland kein
Unbekannter, bereits von 2007 bis 2018
spielte er in der besten Tischtennisliga Eu-
ropas. Im Vorjahr zog es ihn dann nach
fünf Jahren in Saarbrücken überraschend
nach Japan: „Ich wollte einfach mal etwas
Neues ausprobieren, und der Wechsel
nach Japan erschien mir eine gute Idee,
weil Tischtennis dort sehr populär ist und
ich durch meinen Hauptsponsor einen ge-
wissen Bekanntheitsgrad dort habe.“

Den Wechsel hat er bis heute nicht be-
reut, allerdings waren die Reisestrapazen
der ausschlaggebende Grund, weshalb
Apoloria sich nach einer Saison schon wie-
der in Richtung Deutschland verabschiede-
te. „In den Monaten, in denen ich dort in
der Liga spielen musste, fand in Europa die
Pro Tour statt, die ausschlaggebend für die
Weltrangliste ist“, erklärt der Portugiese.
„Die ständige Reiserei hat mich zu viel
Energie gekostet, das hatte ich so nicht er-
wartet.“ Als die Neu-Ulmer dann relativ
spät anklopften, musste er nicht lange
überlegen: „Ich war sehr glücklich, Teil die-
ses neuen Projekts zu werden. Für mich als
Europäer ist es sehr viel einfacher, in
Deutschland zu spielen als in Japan.“
Dorthin will er spätestens im Sommer
2020 zurückkehren – das Nationalteam
hat nach den überzeugenden Auftritten
bei der Europameisterschaft durchaus
Chancen, bei Olympia weit zu kommen.
„Darüber möchte ich jetzt noch nicht nach-
denken“, sagt Apolonia. „Ich versuche ein-
fach, mich so professionell wie möglich
darauf vorzubereiten, um meine persönli-
chen Ziele zu erreichen und gleichzeitig
meinem Verein und meinem Nationalteam
zu helfen.“ Dass er dazu in der Lage ist, hat
er in diesem Sommer schon bewiesen.

Ein Versprechen


Max Jaegerhat sich selbst gefunden – in Coburg spielt sich der frühere Gummersbacher vor dem Treffen mit seinem ehemaligen Klub in den Vordergrund


„Er hat das Zeug, ein Erstliga-Spieler zu werden.“ – Max Jaeger, hier beim 27:19
gegen N-Lübbecke, beeindruckt derzeit seinen Trainer Jan Gorr. FOTO: PMK / IMAGO

Das Abenteuer in der japanischen
Liga beendete Apolonia schnell –
wegen der Reisestrapazen

Der Allgäuer Maximilian Günther fährt
in der kommenden Saison in der voll-
elektrischen Rennserie Formel E für
das Werksteam von BMW. Der 22-Jähri-
ge aus Oberstdorf wird bei dem Renn-
stall den Portugiesen Antonio Felix da
Costa ersetzen. In der abgelaufenen
Saison war Günther in der Formel E für
das Dragon-Team aktiv und als damals
mit 21 Jahren jüngster Stammfahrer
der Elektroserie zwei Mal unter die
besten Fünf gekommen. „Für mich geht
damit ein Traum in Erfüllung“, sagt
Günther. „Unser Ziel ist es, gemeinsam
Top-Ergebnisse einzufahren und Ren-
nen zu gewinnen. Ich kann den Saison-
start kaum erwarten.“ Erfahrungen bei
BMW hatte er zuvor im Nachwuchspro-
gramm gesammelt. Die nächste For-
mel-E-Meisterschaft startet Ende No-
vember in Saudi-Arabien. In BMW,
Mercedes, Audi und Porsche gibt es
dabei erstmals vier deutsche Konstruk-
teure. Auch im sechsten Jahr findet
Ende Mai 2020 wieder ein Rennen in
Berlin statt. dpa, sz


Das Gesicht des Projekts


Bei der Team-EM im Tischtennis hat der Portugiese Tiago Apolonia den Schweden Mattias Falck besiegt, an diesem Dienstag


Der FC Ingolstadt muss für den Rest der stehen sie sich schon wieder gegenüber – in der Bundesliga-Partie des TTC Neu-Ulm gegen Werder Bremen
Hinrunde in der dritten Liga auf seinen
Stürmer Agyemang Diawusie verzich-
ten. Der 21 Jahre alte Fußballprofi muss
an der Schulter operieren werden, nach-
dem er sich im Spiel gegen Viktoria
Köln (0:3) verletzt hatte. Das gaben die
Oberbayern am Montag bekannt. Dia-
wusie kam in der laufenden Saison in
vier von sieben Ligaspielen zum Ein-
satz. Er war im Sommer von einer Leihe
aus Wiesbaden zurückgekehrt.dpa


Augsburgs Zugang Stephan Licht-
steiner fühlt sich von Anspielungen auf
sein Alter eher motiviert. Obwohl er bei
seinem früheren Verein Juventus Turin
viele Titel gewonnen hatte, setze er sich
auch mit 35 Jahren beim Abstiegskandi-
daten FC Augsburg in der Bundesliga
unter Druck. „Ich will mir und jedem
anderen zeigen, dass ich noch Top-Fuß-
ball spielen kann“, sagte der Schweizer
demKicker. Lichtsteiner war im Som-
mer vom FC Arsenal zum FCA gekom-
men und soll dort auf der rechten Ab-
wehrseite für defensive Stabilität und
gleichzeitig offensiven Schwung sor-
gen. Zu seinem Ruf, manchmal dreckig
zu spielen, sagte er, wichtig sei, das
Spiel beschleunigen oder verlangsamen
zu können: „Manche sagen dazu dre-
ckig, ich sage intelligent. Jeder kann es
nennen, wie er will.“ Als langjähriger
Kapitän der Nationalmannschaft war er
zuletzt nicht mehr für die Auswahl no-
miniert worden. Seine internationale
Laufbahn will Lichtsteiner nicht offizi-
ell beenden, sondern hofft auf eine
Teilnahme an der EM 2020. „Ich arbeite
an den Sachen, die ich beeinflussen
kann, dann sehe ich meine Chance,
wieder dabei zu sein.“ dpa


Einen Sieg und eine Niederlage hat
Basketball-Bundesligist Medi Bayreuth
am Wochenende bei einem Vorberei-
tungsturnier verzeichnet. Im Halbfinale
gegen den gastgebenden Zweitligisten
Römerstrom Gladiators Trier gelang
den Bayreuthern ein 90:68, wobei sie
bereits im ersten Viertel mit 32:9 Punk-
ten für klare Verhältnisse sorgten. Die
größere Herausforderung stand im
Finale an. Dieses verloren die Oberfran-
ken gegen den belgischen Erstligisten
Belfius Mons-Hainaut 77:83 (42:40).
Dabei waren in Rückkehrer James Ro-
binson (15), James Woodard (13) und
Bryce Alford (12) drei Zugänge die bes-
ten Werfer. Überraschend stand auch
Lucky Jones auf dem Feld: Der neue
Flügelspieler hatte noch kein einziges
Mal mit Bayreuth trainiert. Er kam in
den beiden Partien insgesamt auf eine
Einsatzzeit von 34 Minuten. sz


Die Niederlage in Aue will Trainer
Gorr nicht als Ausrutscher werten

Die ersten zwei Bundesligaspiele
des neu gegründeten TTC
gingen knapp verloren

28 HBG (^) SPORT IN BAYERN Dienstag,10. September 2019, Nr. 209 DEFGH
Günther wechselt zu BMW
Silbermedaillengewinner: Tiago Apolonia und das portugiesische Nationalteam zeigten bei der EM in Nantes, dass sie
durchaus Chancen haben, bei Olympia weit zu kommen. FOTO: MARIO KNEISL / GEPA PICTURES / IMAGO
Ingolstadt ohne Diawusie
Lichtsteinerwill zur EM
Bayreuth schon mit Jones
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