Süddeutsche Zeitung - 10.09.2019

(Darren Dugan) #1
von ellen draxel

Schwabing– EineRiesenschüssel hat Bar-
bara Cranach neben sich stehen. Wenige
entkernte Zwetschgen liegen schon drin,
knappe drei Kilo des Obstes muss sie aber
noch vom Stein lösen und halbieren. Gün-
ter Hörlein knetet währenddessen einen
Vollkorn-Hefeteig. An diesem Mittwoch
gibt es zum Nachtisch Zwetschgendatschi.
„Günter ist ein Beispiel für Emanzipation“,
sagt Cranach und lacht. „Dass ein Mann
derart professionell die Herstellung eines
Hefeteigs beherrscht, ist ungewöhnlich.“
Augenzwinkernd fügt die 73-Jährige hin-
zu: „Man lernt sich sehr gut kennen beim
Kochen.“ Susanne Stöckinger bekommt
von der Witzelei in dem Moment kaum et-
was mit. Sie steht in der Küche und schnip-
pelt Berge von Auberginen, Paprika, Toma-
ten und Zwiebeln – für den Hauptgang des
Tages, Gnocchi mit Sommergemüse.
Es ist kurz nach neun, drei Stunden hat
das Team Zeit, das Essen zuzubereiten und
den Tisch zu decken, bevor die Gäste kom-
men. Nicht immer klappt das einwandfrei,
hin und wieder passiert es auch, dass die
Köche noch nicht fertig sind und es bereits
zehn vor zwölf ist. „Das kann dann durch-
aus mal in Stress ausarten“, erzählt Hör-
lein. Gemanagt aber haben er und seine
rund 20 meist weiblichen Kollegen in wech-
selnden Dreier-Teams solche Situationen
noch immer. Dank vierjähriger Routine.


So lange gibt es das Wohncafé an der Pe-
tra-Kelly-Straße 26 inzwischen. Jeden
Mittwoch dürfen sich rund 15 Nachbarn
auf ein leckeres Mittagessen samt Nach-
tisch freuen, gekocht von Ehrenamtlichen.
Das Wohncafé im Gemeinschaftsraum der
Baugenossenschaft Schwabing Hoch ist
Teil des Konzepts „Wohnen bleiben im Vier-
tel“, das die Projektgruppe „Älter werden
am Ackermannbogen“ (Älwa) des ortsan-
sässigen Quartiersvereins angestoßen und
gemeinsam mit der städtischen Woh-
nungsbaugesellschaft Gewofag und dem
Evangelischen Pflegedienst realisiert hat.
Die Idee: hilfs- und pflegebedürftigen Men-
schen möglichst lange das Leben in der ei-
genen Wohnung zu ermöglichen. Ohne Ver-
sorgungsengpass, ohne zu vereinsamen.
Im Komplex der Gewofag an der Georg-
Birk-Straße leben in zehn barrierefrei aus-
gebauten Wohnungen Menschen mit ei-
nem Pflegebedarf, die ambulante Versor-
gung managt der Pflegedienst. Die Älwa-
Mitglieder haben bei diesem Konzept den
Part der nachbarschaftlichen Betreuung in-
ne – sie machen Besorgungen, geben hand-
werkliche Hilfe oder leisten einfach nur Ge-
sellschaft. „Wenn man krank oder verletzt
ist, braucht man jemanden, der sich um ei-
nen kümmert“, sagt Älwa-Sprecher Hör-
lein. Insbesondere dann, wenn keine eige-
nen Kinder oder Verwandte in der Nähe
sind, die helfen können.
Das Angebot des Wohncafés gehört zu
dieser nachbarschaftlichen Betreuung da-
zu. „Für viele unserer Gäste ist der Wohnca-
fé-Besuch das soziale Highlight des Ta-
ges“, weiß der ehemalige Schulleiter einer
Berufsschule. Montags bietet das Wohnca-
fé abwechselnd Pizza und Pasta an, gelie-
fert von einem benachbarten Italiener. Da-
zu gibt es einen Salat, zubereitet von einem
Älwa-Kochteam-Mitglied. Mittwochs ko-


chen die Älwa-Teams dann alles selbst – va-
riantenreiche Menüs, zunehmend fleisch-
los. Den Rest der Woche müssen sich die
Menschen selbst versorgen. Das geht,
doch die Kommunikation fehlt.
„Im Wohncafé treffe ich Leute, habe Un-
terhaltung und bin nicht so alleine“, sagt
beispielsweiseweise Renate Klewitz. Die
Schwabingerin leidet an Multipler Sklero-
se und kämpft seit einem Unfall mit dem
Gleichgewicht. Sie bewohnt eines der zehn
Apartments der Gewofag und wird mon-
tags und mittwochs zum Essen abgeholt.
Bis vor ein paar Wochen übernahm diesen
Job häufig der Pflegedienst, weil sich die
meist weiblichen, selbst schon älteren Äl-

wa-Mitglieder diese Aufgabe nicht zutrau-
ten. Mittlerweile aber kümmert sich Kari-
ma Assendaal um Klewitz. Die 34-jährige
gebürtige Marokkanerin spricht gut
Deutsch und hat in ihrer Heimat als Kran-
kenschwester und Altenpflegerin gearbei-
tet. Ihr Engagement wird mit einer Übungs-
leiterpauschale finanziert, die Kosten trägt
der Westschwabinger Bezirksausschuss.
Der Ackermannbogen-Verein kann diese
Mittel nicht aufbringen, er bezuschusst
den Wohncafé-Betrieb bereits mit 600 Eu-
ro jährlich für die Raum-Nebenkosten.
Wie aber funktioniert es, dass die Pflege
klappt und die Älwa-Mitglieder wissen,
wann Unterstützung gefordert ist? „So-

phia Zech koordiniert das alles“, sagt Hör-
lein. Sie sei „der eigentliche Schmelz die-
ses Hilfemix-Projektes“. Koordinatorin
Zech ist dem Pflegedienst unterstellt – und
damit sowohl Anlaufstelle für Beratungs-
suchende aus dem Viertel als auch Zentra-
le für Pflegekräfte, zu Betreuende und Hel-
fer. Ihr Stützpunkt ist am Stadtplatz im Ge-
bäude der Genossenschaft Wagnis an der
Petra-Kelly-Straße 29. Karima Assendaal
kennt Sophia Zech schon lange, die Koordi-
natorin begleitet den neuen Job der jungen
Frau, ist jederzeit ansprechbar. „Damit sie
einen guten Start hat“.
Als Assendaal mit Klewitz an diesem
Mittwoch im Wohncafé eintrifft, ist der

Raum schon gut gefüllt. Blumen stehen
auf dem Tisch, es duftet nach gedünste-
tem Gemüse und Kuchen. Vor ein paar Wo-
chen ist der Aufzug in einem der Projekt-
wohnungshäuser ausgefallen, damals
musste das Kochteam vielen der angemel-
deten Gäste das Essen bringen. Diesmal
gibt es keine Komplikationen, auch Teil-
nehmer, die mit Demenz kämpfen, haben
alleine den Weg gefunden. Sie stecken fünf
Euro Unkostenbeitrag in ein Glas und las-
sen sich von Susanne Stöckinger erzählen,
wo sie die besten Gnocchi der Stadt ge-
kauft hat. „Das Essen“, loben die Frauen
später, „ist immer gut hier. Wie im Vier-
Sterne-Hotel – mit viel Liebe gekocht.“

Moosach– Inmehreren Bauphasen sa-
niert das Baureferat von Donnerstag,


  1. September, an die Dachauer Straße zwi-
    schen der Franz-Fihl-Straße und der Hugo-
    Troendle-Straße. Erneuert wird auch die
    Fahrbahn in der Franz-Fihl-Straße zwi-
    schen der Quedlinburger Straße und der
    Dachauer Straße. Bis voraussichtlich 6. De-
    zember ist die Dachauer Straße in beiden
    Richtungen neben der jeweiligen Baustelle
    nur einspurig befahrbar. Während der Ar-
    beiten in den Einmündungsbereichen ist
    die Verbindung von der Hugo-Troendle-
    Straße und der Franz-Fihl-Straße zur Da-
    chauer Straße gesperrt. anna


Freimann– Der Heideflächenverein veran-
staltet im Rahmen der Nacht der Umwelt ei-
ne Heideforschungsexpedition. Am Frei-
tag, 13. September, können Interessierte je-
den Alters mit Becherlupe, Kescher und Ta-
schenlampe die Wiesen und Tümpel in der
Umgebung des Heidehauses untersuchen.
Die Erkundungstour mit Gebietsbetreuer
Tobias Meier beginnt um 19 Uhr und dau-
ert etwa zwei Stunden. Die Teilnahme kos-
tet sechs, für Kinder drei Euro und ist auf
15 Personen limitiert. Eine Anmeldung ist
deshalb erforderlich beim Referat für Ge-
sundheit und Umwelt, telefonisch möglich
immer dienstags von 10 bis 16 Uhr unter
der Nummer 23 34 75 12. jlk

Schwabing– ImMünchner Norden hat
sich eine neue Stiftung etabliert, die sich
um Hilfen für sozial benachteiligte Kinder
und Jugendliche bemüht. Die Regierung
von Oberbayern hat jetzt die Organisation
Schwabinger Kinderlächeln als sogenann-
te rechtskräftige Verbrauchsstiftung staat-
lich anerkannt. Das heißt: Die Einrichtung
verschreibt sich nicht, wie die meisten
deutschen Stiftungen, ohne zeitliche Be-
fristung ihrem Stiftungszweck; vielmehr
soll sie nur so lange Bestand haben, bis das
Kapital für die Erfüllung des Ziels „ver-
braucht“, also ausgegeben ist. Den Zweck
der Stiftung beschreibt die Bezirksregie-
rung in einer Mitteilung folgendermaßen:
Unterstützung von bedürftigen Kindern
und Jugendlichen in München, die Förde-
rung der Jugendhilfe sowie die Beschaf-
fung von Mitteln zur Förderung dieser Zwe-
cke – wobei besonders Kinder und Jugend-
liche sowie soziale Einrichtungen des
Stadtbezirks Schwabing-Freimann berück-
sichtigt werden sollen. Gegründet hat die
Stiftung Dietrich Keitel, für die SPD im Be-
zirksausschuss Schwabing-Freimann, mit
seiner Ehefrau Karin. smüh

Bauarbeiten an


der Dachauer Straße


Expedition mit


Lupe und Kescher


Mit Liebe


Jeden Mittwoch kochen Ehrenamtliche der Projektgruppe „Älter werden am Ackermannbogen“ hilfsbedürftigen Nachbarn Mittagessen.
Sie sorgen aber nicht nur für das leibliche Wohl der Gäste, das Wohncafé ist auch eine wichtige Kommunikationsbörse

Schwabinger Stiftung


staatlich anerkannt


Älwa-Sprecher
Günter Hörlein (links)
und 20 meist
weibliche Kollegen
kochen am
Ackermannbogen
reihum für die
Besucher des
Wohncafés. Wer nicht
mehr gut zu Fuß ist
wie Renate Klewitz
wird von Karima
Assendaal zum Essen
abgeholt (oben).
FOTOS: ROBERT HAAS

„Das Essen ist wie


im Vier-Sterne-Hotel“,


loben die Besucher


NORDEN


R8 PGS (^) STADTVIERTEL Dienstag,10. September 2019, Nr. 209 DEFGH
Mal eben den Olymp bezwingen.
München ist aufregend, besonders wenn man die Hotspots und die wirklich interessanten Geschichten kennt. Der Pumuckl wurde
hier erfunden und die bei Jugendlichen so beliebten Schuhe der Marke Dr. Martens auch. Im Museum hängt eines der ersten
Wimmelbilder der Kunstgeschichte. Es ist fast 500 Jahre alt! In der Stadt lässt sich zudem ganz Europa an einem Tag erleben:
Franzosen-Viertel, Englischer Garten, ein Hauch von Athen, alles mit italienischem Flair und surfen kann man auch noch – mitten
in der Stadt. Und dann die bayrischen Könige! Einer hat doch tatsächlich wie Heidi Klum Topmodels gecastet.
Cooles Wissen München
Claudia Wagner
ISBN: 978-3-86497-507-3
176 Seiten I 14,90 €
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