Handelsblatt - 10.09.2019

(Amelia) #1
Pierre Heumann Tel Aviv

I


srael gehört nicht eben zu jenen Ländern,
die man als mustergültig in Sachen Klima-
politik bezeichnen würde. Im Gegenteil:
Das kleine Land, in dem 300 Tage im Jahr
die Sonne glüht, deckt seinen Energiebe-
darf überwiegend mit fossilen Energieträgern.
Mehr noch: Das zuständige Ministerium setzt
sich sogar für die Förderung der Öl- und Gasin-
dustrie ein.
Doch so unsensibel die Israelis gegenüber öko-
logischen Themen sind, auf einem Feld leisten
sie doch einen wichtigen klimaschonenden Bei-
trag: Die Israelis sind Weltmeister im sparsamen
Umgang mit der überlebenswichtigen und äu-
ßerst klimarelevanten Ressource Wasser. „Da
Wasser bei uns von Anfang an knapp war“, sagt
die Umweltexpertin Ofira Ayalon von der Univer-
sität Haifa, „waren wir gezwungen, Lösungen zu
finden.“ Von diesem Know-how, meint sie, könn-
ten jetzt nicht nur Länder wie Deutschland pro-
fitieren, wo derzeit „Wasserstress“ als ein neuer
Konfliktherd wahrgenommen wird. Denn im Jahr
2030, schätzt die UN, werde die Hälfte der Welt
keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, falls
keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Vor zehn Jahren drohte dem Land noch eine
Dürrekatastrophe. Jetzt zeigt die Wasserbilanz ei-

ISRAEL


Kampf um den


Quell des Lebens


Mit neuen Technologien, Big Data und Algorithmen spielen


israelische Firmen beim Wassersparen eine Vorreiterrolle – und leisten


damit einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.


Energiemix
Israels Stromproduktion
nach Energieträgern

Wasserverbrauch
Wasserverbrauch
in Millionen Kubikmetern
und
Bruttoinlandsprodukt
(BIP, nominal) in Mrd. US-Dollar

32,6 %
Kohle

1,7 %
Sonstige

63,2 %
Erdgas

2,5 %
Erneuerbare
Energien
davon
2,2 %
Solarenergie

2017

HANDELSBLATT • Quellen:
CBS, Central Bureau of Statistics, OECD, IWF

Israel

BIP

36 9,8 Mrd. US$

1 192 Mio. m

Wasserverbrauch

2000 ’18’

2 000

1 500

1 000

500

0

400



200

100

0

Hitze und Trocken-
heit: Nach effektiver
Bewässerung wächst
auch in der steinigen
Wüste wieder Grün.

Corinna Kern/laif

nen Überschuss: Wasser wird sogar ins Ausland
exportiert. Dass das Land am Rand der Wüste
trotz einer rasant steigenden Bevölkerung, eines
stolzen Wirtschaftswachstums sowie eines im
Vergleich zu früher deutlich höheren Lebens-
standards keine Wassernot mehr kennt, ist das
Resultat einer Kombination aus vier Maßnah-
men: Fortschritte bei der Meerwasserentsalzung,
eine rekordverdächtige Quote beim Recycling
von Abwasser, ein erfolgreicher Kampf gegen
Lecks in den Leitungen und überzeugende Auf-
rufe zum effizienten Umgang mit dem kostbaren
Gut. „In Israel ist Wassersparen Teil unserer
DNA“, sagt Ayalon.

Das Projekt
Ein Besuch bei Uri Shani, der in den Jahren der
großen Dürre bis 2012 die staatliche Wasser- und
Abwasserbehörde leitete, hilft zu verstehen, um
welche Dimensionen es hier geht. Der 70-Jährige
ist ein Pionier beim sparsamen Umgang mit dem
Quell des Lebens. Sein Augenmerk galt schon
früh der Landwirtschaft, die mehr als 70 Prozent
des Wasserkonsums beansprucht – eine „irrsinni-
ge Verschwendung“. Mehr als 50 Prozent des
Wassers seien wegen vollkommen veralteter

Serie: Klimapioniere

Der Kampf gegen die globale
Erderwärmung ist eine der
wichtigsten politischen Heraus-
forderungen geworden.
Dieser Kampf ist allerdings nur
zu gewinnen, wenn wir bereit
sind, neue Wege zu gehen, und
vor allem: wenn wir internatio-
nal voneinander lernen. Das ist
das Ziel dieser Serie, in der die
Klimapioniere vorgestellt
werden.

Im siebten Teil der Serie
„Klimapioniere“ schauen wir
nach Israel, das zwar kein Vor-
bild ist, was die erneuerbaren
Energien angeht. Aber die Israe-
lis sind technologischer Welt-
meister im sparsamen Umgang
mit der überlebenswichtigen
und äußerst klimarelevanten
Ressource Wasser.

70


PROZENT
des israelischen Trink-
wasserbedarfs decken
die fünf Entsalzungs-
anlagen an der Küste
des Landes ab.

Wirtschaft & Politik
DIENSTAG, 10. SEPTEMBER 2019, NR. 174
10


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