Beobachter - 13.09.2019

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umane Papillomaviren (HPV)
infizieren die Haut oder die
Schleimhäute. Die meisten Vi­
rentypen sind harmlos, sie können
gutartige Erkrankungen wie Genital­
warzen auslösen. Bei einigen aber
besteht die Gefahr, dass sie Krebs­
erkrankungen verursachen. Papilloma­
viren im Genitalbereich werden durch
va ginalen, oralen oder analen Ge­
schlechtsverkehr übertragen. Je nach
Sexualpraxis gelangen die Viren auch
in den Hals­Rachen­Bereich und kön­
nen dort ebenfalls zu Krebsvorstufen
oder Krebs führen.

Eine Impfung kann vor der Infektion
mit bestimmten Virentypen schützen.
In der Schweiz empfiehlt sie das
Bundesamt für Gesundheit seit 2007 für
Mädchen und junge Frauen, seit 2015
als ergänzende Impfung auch für Bu­
ben. Bei ihnen kann eine HPV­Infektion
ebenfalls Genitalwarzen auslösen und
selten sogar Krebs. Zudem verbreiten
sie über Sexualkontakte das Virus. Die
Impfung nützt am besten, wenn sie vor
den ersten sexuellen Erfahrungen ab­
geschlossen ist – im Alter von 11 bis 14.
Seit diesem Jahr gibt es den neuen
Impfstoff Gardasil  9, der zusätzlich zu

den bisherigen vier HPV­Typen vor fünf
weiteren krebsauslösenden HPV­Typen
schützt. Weil die Impfung aber nach wie
vor nicht alle Virentypen abwehrt, soll­
ten auch geimpfte Frauen zum Schutz
vor Gebärmutterhalskrebs regelmässig
einen PAP­Abstrich machen lassen. Mit
diesem lässt sich Gebärmutterhals­
krebs in einem frühen Stadium erken­
nen und dann fast immer wirksam
behandeln. Allerdings kann die Entfer­
nung von zellverändertem Gewebe den
Gebärmutterhals schädigen, was das
Risiko einer Fehlgeburt erhöhen kann.
TEXT: VERA BUELLER | FOTO: JACQUELINE LIPP

KONTROVERSE. Humane Papillomaviren können Krebs auslösen. Die Impfung,
die davor schützen soll, ist umstritten. Was Befürworter und Gegner sagen.

Gebärmutterhalskrebs:


Impfen oder nicht?


Pro-Argumente


Wirkung: In Verbindung mit regelmässigen Vorsorge-
untersuchungen bietet der heute verwendete Impfstoff
einen sicheren Schutz gegen Gebärmutterhalskrebs.
Zusätzlich wirkt er gegen Begleit- und Folgeerkrankun-
gen der Infektion wie Genitalwarzen und Vaginalkrebs.
Eine Impfung entlastet die Frauen zudem psychisch,
weil sie weniger Angst haben müssen, dass der Krebs-
abstrich positiv ausfällt.

Studien: Eine HPV-Impfung schützt nach jüngsten Un-
tersuchungen Mädchen vor dem ersten Sexualkontakt
zuverlässig vor einer Infektion mit den HPV-Typen, die
geimpft wurden. Bei den neuesten Impfstoffen geht
man davon aus, dass in Verbindung mit Vorsorgeunter-
suchungen weltweit bis zu 90 Prozent aller Fälle von
Gebärmutterhalskrebs sowie weitere durch HP-Viren
verursachte Krankheiten verhindert werden können.

Nebenwirkungen: Werden viele Menschen behandelt,
summieren sich auch sehr selten auftretende schwere
Nebenwirkungen. Doch weil Krankheiten und damit
verbundene Komplikationen verhindert werden können,
übertrifft der Nutzen die mit der Impfung verbundenen
Risiken um ein Vielfaches. Sowohl das Bundesamt für
Gesundheit als auch die Weltgesundheitsorganisation
stufen die HPV-Impfung als «extrem sicher» ein.

Kontra-Argumente


Wirkung: Keiner der Impfstoffe deckt alle krebs-
auslösenden HP-Viren ab – deshalb wird nach wie
vor ein regelmässiger Krebsabstrich empfohlen.
Doch viele Mädchen glauben, dass dieser nach der
Impfung nicht mehr nötig sei. Frauen, die einen
Abstrich zur Früh erkennung machen lassen, erkranken
und sterben nicht häufiger an Gebärmutterhalskrebs,
wenn sie sich nicht impfen lassen.

Studien: Seit der Einführung des Impfstoffs gibt es
unter medizinischen Experten heftige Kontroversen.
Die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs ist erst
seit wenigen Jahren zugelassen – es gibt noch keine
Studien über die Langzeitwirkung. Die vorhandenen
Erkenntnisse basieren auf Hochrechnungen und Schät-
zungen, die in Frage gestellt werden.

Nebenwirkungen: In einigen Ländern wurden Fälle
von neurologischen Erkrankungen bis hin zu schweren
Lähmungen (Multiple Sklerose) und auch Todesfälle
bekannt. Es wird vermutet, dass die HPV-Impfung die
Erkrankungen verursacht hat, Beweise gibt es keine.
Weiter vermutet man, die HPV-Impfung könne durch
Autoimmunreaktionen die seltene Kreislaufstörung
POTS oder das Schmerzsyndrom CRPS sowie das chro-
nische Müdigkeitssyndrom CFS hervorrufen.

92 Beobachter 19/2019
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