Der Stern - 12.09.2019

(Sean Pound) #1
Ein Denkanstoß
Ihr Beitrag spricht mir aus der See-
le. Ich bin seit 11 Jahren Oberärztin
in der Geburtshilfe an einer Ber-
liner Klinik und habe mich nun
für die Niederlassung entschieden.
Um frei entscheiden zu können,
wie viel Zeit ich mir für meine
Patientinnen nehme und wie ich
sie therapiere, ohne aus ökonomi-
schen Gründen Verrat an mir und
meinem ärztlichen Ethos betrei-
ben zu müssen. Ich unterstütze
den Ärzte-Appell in der Hoffnung,
dass er die gesamte deutsche Ge-
sellschaft zum Nachdenken anregt
und vielleicht auch etwas anstößt.
Dr. Suzana Spethmann, Gynäkologin,
Berlin

Angst vor Repression
Ich bin Assistenzärztin in einem
Hamburger Klinikkonzern. Arbeits-
belastung, Schichtdienst und Öko-
nomisierungszwänge der Abteilung

so nicht weitergehen soll, da gibt es
erschreckend wenig Konsens.
Dr. Jörg Schmitt, Neurologe
und Epileptologe, Dortmund

Reformen müssen her
Der starke Appell der Ärztinnen
und Ärzte zeigt, dass eine Reform
der Krankenhausfinanzierung
überfällig ist. Die Gesundheitsver-
sorgung muss sich nach dem Bedarf
der Patientinnen und Patienten
und nicht nach betriebswirtschaft-
lichen Anreizen richten.
Maria Klein-Schmeink, MdB,
gesundheitspolitische Sprecherin
Bündnis 90/Die Grünen

Transparentes System
Kaum ein Gesundheitswesen der
Welt schafft so viel Transparenz
über die Qualität. (...) Die Bundes-
regierung hat 2014 umfangreich
prüfen lassen, ob es ökonomisch
begründete Behandlungen in größe-
rem Umfang in deutschen Kranken-
häusern gibt. Dies konnten die
Gutachter nicht feststellen.
Deutsche Krankenhausgesellschaft

Nicht der normale Alltag
Das überaus düstere Bild, das heute
im Magazin stern von unseren Kran-
kenhäusern in Deutschland gezeich-
net wird, können wir als Verband der
Krankenhausdirektoren Deutsch-
lands (...) nicht nachvollziehen.
Das werden so auch die meisten
Patienten nicht bestätigen, wenn
nach Befragungen regelmäßig deut-
lich über 80 Prozent der Patienten
ihr Krankenhaus weiterempfehlen
würden. Berichte dieser Art stellen
aus unserer Sicht nicht den norma-
len Alltag in den Kliniken dar.
Dr. Josef Düllings, Präsident des Ver-
bandes der Krankenhausdirektoren
Deutschlands (VKD)

haben mir jegliche Freude am Beruf
genommen. Die Medizin und der
kranke Mensch sind kein Thema. Es
geht nur um das Erreichen vieler
Fälle (...). Ich kann mir nicht vorstel-
len, mein restliches berufliches
Leben zu dieser Ausbeutung von
Patienten und Personal beizutragen.
Ich unterstütze den Appell. Ich bitte
um Anonymität aus Angst vor Re-
pression seitens der Vorgesetzten.
Name ist der Red. bekannt

Unkonkrete Formulierungen
Auf mich wirken die angeführten
Fälle sehr moderat, fleischlos und
hochgradig gefiltert unter dem
Aspekt, was man der Öffentlichkeit
zumuten und, ohne eine juristi-
sche Verfolgung fürchten zu müs-
sen, mitteilen kann. (...) Das
Schlusswort, so dürfe es nicht wei-
tergehen, ist eine Banalität, in
weitgefasster Bedeutung auf jedes
Problem anwendbar. Was konkret

Mehr als 1000 Ärzte und Ärztinnen haben


sich dem Appell angeschlossen. Doch es gibt auch Kritik.


Reaktionen aus dem Gesundheitswesen


stern Nr. 37/2019 Ärzte-Appell für
eine menschlichere Medizin

UNSERE FORDERUNGEN:


1
Das Fallpauschalensystem muss ersetzt
oder zumindest grundlegend reformiert werden.

2
Die ökonomisch gesteuerte gefährliche Über therapie
sowie Unterversorgung von Patienten müssen
gestoppt werden. Dabei bekennen wir uns zur
Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns.

3
Der Staat muss Krankenhäuser dort planen und gut
ausstatten, wo sie wirklich nötig sind. Das erfordert einen
Masterplan und den Mut, mancherorts zwei oder
drei Kliniken zu größeren, leistungsfähigeren und personell
besser ausgestatteten Zentren zusammenzuführen.

ÄRZTE-APPELL


EINEN NERV GETROFFEN


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