Der Stern - 12.09.2019

(Sean Pound) #1
Der Neue ist da: Seit dieser
Saison dirigiert Alan Gilbert
das Hausorchester der
Elbphilharmonie, und regel-
mäßige Besucher der NDR-
Konzerte wissen: Das wird
kein leichter Job werden.
Denn noch kann der Klang-
körper nicht mit der
Architektur des Gebäudes
konkurrieren. Oft schepperte
es unter dem alten Chefdiri-

genten. Doch Gilbert weiß
wohl, wie wichtig es ist, ganz
fein spielen zu lassen, eher
pianissimo als piano, und
so passt seine Wahl für seine
erste Elphi-CD: Die Siebte
Sinfonie von Anton Bruck-
ner gerät zu einer gelunge-
nen Übung im Herantasten
an die anspruchsvolle Akus-
tik. Der Neue scheint’s zu

können. (^22222)
KLASSIK
Wer Kinder hat, weiß, was
ein „Lauch“ ist. Gemeint
sind schmächtige Jungs, die
nicht pausenlos ins Fitness-
studio gehen und nicht
nur über Autos und Mäd-
chen reden. Sondern die
eher still im Hintergrund
sitzen und tagträumen.
Für solche Menschen – und
für andere Melancholiker –
wurde die Band Belle and
Sebastian erfunden.
Seit 23 Jahren verfeinern
die Schotten ihren Folkpop
mit akustischen Gitarren,
Geigen und Trompeten. Fast
egal, dass „Days of the
Bagnold Summer“ kein
eigen stän diges Album ist,
sondern der Soundtrack zu
einem Film, in dem ein
15-jähriger Metal-Fan den
Sommer mit der Mutter ver-
bringen muss, einer Biblio-
thekarin. Passt. 22222
POP
Pop, findet er, sei etwas für
Teenager. Und wenn die sich
nicht mehr um einen scher-
ten, sollte dies den Popmusi-
ker nachdenklich stimmen.
Also überprüft Joseph
Mount, auch schon 37, immer
wieder kritisch, was er mit
seinem mittlerweile 20 Jahre
alten Projekt Metronomy
veranstaltet. In seinem
Studio in Kent komponierte
er ein sechstes Album, hörte
noch einmal, was ihm einge-
fallen war, verwarf die Hälfte
wieder und schrieb neues
Material, das er jetzt unter
dem Titel „Metronomy For-
ever“ veröffentlicht: fast
eine Stunde von Keyboards
geprägter Pop. Manche
Nummern überzeugen durch
schlichte Schönheit, andere
treiben auf die Tanzfläche.
Das gefällt auch älteren
Jugendlichen. (^22222)
POP
„Supersize“ bietet aufwendig
gemachten Pop. Vielleicht
etwas zu oft nach Erfolgsrezept
gekocht (ab 20. 9.) 22222
Ja, Shirin David rappt über Konsum. Aber
sie lässt sich Kleid und Schmuck nicht vom
Mann schenken, sie gönnt es sich selbst. Ja,
sie hat mal gesagt, sie habe 75 000 Euro in
ihren Körper investiert, in Brüste, Haare,
Nägel. Sie hat ihrer Nasen-OP ein ganzes
Youtube-Video gewidmet. Aber sie hat dort
auch gesagt: Wenn ihr das macht, dann für
niemand anderen, sondern für euch.
Ja, Shirin David sieht aus wie eine Puppe.
Aber, und das ist die Message, sie hat kei-
nen Bock, sich deshalb wie eine behandeln
zu lassen. David dreht die Symbole einer
normierten Weiblichkeit um. Sie werden
bei ihr zu Machtgesten. Sie liebt es, wenn
Frauen selbstbewusst sind.
David scheint sich im Klaren zu sein,
dass sie daran arbeiten muss, mit ihrer Mu-
sik ernst genommen zu werden. Weil sie
Youtuberin ist und eben: Frau. Sie arbeite
am zweiten Album, flüstert David am Ende
des Gesprächs. „Aber davor kommt noch
was anderes“, räuspert sich ihr Manager,
der danebensitzt. „Stimmt“, sagt David
und zieht ein schwarzes Fläschchen aus
der Handtasche. Ihr nächstes Parfüm. Das
hatte sie jetzt fast vergessen.

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