Der Stern - 12.09.2019

(Sean Pound) #1
Ein kleines Mädchen hebt das
ereignislose Leben eines Schlappis
aus den Angeln. Déjà-vu? So noch
nicht. Mikhaël Hers macht in seinem
Drama „Mein Leben mit Amanda“
vieles anders – und alles richtig. Zärtlich,
leicht und unspektakulär schildert er
die Annäherung von David und seiner
siebenjährigen Nichte, nachdem ihnen
ein Anschlag in Paris die Schwester
beziehungsweise Mutter entrissen
hat. Eine rührende Familiengeschichte,
stellvertretend für all die Schick sale

hinter dem Terror. (^22222)
Am Anfang steht eine verirrte E-Mail,
am Ende die erste Begegnung.
Dazwischen liegen das Kennenlernen,
Anfreunden und das Verlieben von Leo
(Alexander Fehling), frisch getrennt,
und Emma (Nora Tschirner), verheira-
tet, zwei Kinder. Alles über Computer
und Handy. Man merkt „Gut gegen
Nordwind“ an, wie schwierig es ist,
die direkte Rede eines Briefromans
(des Bestsellers von Daniel Glattauer)
in Kinobilder zu übersetzen. Eine
Romanze, bei der der Funke nicht
richtig überspringt. (^22222)
Die Hauptdarstellerin wirkt wie ein
Instagram-Traum: blond, volllippig
und zeigefreudig. Und wer sich noch
erinnert, dass Model und Schauspiele-
rin Zahia Dehar vor zehn Jahren in
einen Prostitutionsskandal um Franck
Ribéry verwickelt war, könnte „Ein
leichtes Mädchen“ für einen Soft-
porno halten. Dabei erzählt das fran zö-
sische Drama die Yacht-Abenteuer
zweier junger Frauen in Cannes so
leichtfüßig und zugleich ernst und
erwachsen, dass sämtliche Vorurteile
bald verschwimmen. (^22222)
KINO
FOTO: JOJO WHILDEN/SHOWTIME
Crowe hat vermutlich für diese Verwand­
lung mehr Zeit in der Maske verbracht als
vor der Kamera. Aber sein Mut zur Häss­
lichkeit zahlt sich aus. Mit einer Mischung
aus Abscheu und Faszination folgt man
seinem Spiel.
Ailes’ Aufstieg beginnt, als Rupert Mur­
doch (in der Serie gespielt von Simon
McBurney) ihn 1996 beauftragt, einen
neuen Sender aufzubauen. Ailes wittert,
was das sich abgehängt fühlende weiße
Amerika braucht. Ein giftiges Gemisch aus
Halbwahrheiten, die so oft wiederholt
werden, bis sie für wahr gehalten werden.
Einmal sagt Ailes: „Die Leute wollen nicht
informiert werden. Die Leute wollen sich
informiert fühlen.“ 2016 feuert Fox News
seinen Schöpfer. Mehrere Mitarbeite­
rinnen beschuldigen ihn der sexuellen
Belästigung. Aber seine ideologische
Spaltungs­Maschine läuft bis heute weiter.
Auch ohne ihn. Donald Trump ist dort
gern zu Gast. Hannes Roß
„The Loudest Voice“, ab 16. 9. auf Sky (^22222)
E
r wisse schon, was die Nachwelt über
ihn sagen werde: „rechts, paranoid
und fett“. Es kümmert ihn nicht.
So sei er eben gewesen. Ein stolzer
Amerikaner, der obendrein an die
Macht des Fernsehens glaube.
Die grandiose Serie „The Loudest Voice“
erzählt in sieben Folgen vom Aufstieg und
Fall von Roger Ailes, dem langjährigen
Chef des amerikanischen TV­Senders Fox
News. Sie beginnt mit dem Ende: seinem
Tod 2017. Da liegt der 77­Jährige leblos wie
ein gestrandeter Wal auf dem Boden sei­
nes Wohnzimmers. Sein Einfluss wirkt bis
heute: Mit Fox News kippte er Angst,
Lügen und Rassismus über die USA aus.
Er erfand damit auch den Werkzeugkasten
eines modernen Populisten.
Der Oscar­prämierte Schauspieler Rus­
sell Crowe („Gladiator“) ist in die Rolle
des Roger Ailes geschlüpft. Man erkennt
Crowe kaum wieder: weiches Gesicht mit
Kassenbrille. Oben Glatze mit dürrem
Haarkranz und unten ein gewaltiger Bauch
wie ein Rammbock.
Hätten Sie ihn
erkannt? Das ist
Russell Crowe
als Fox-News-
Chef Roger Ailes
Die Serie „The Loudest Voice“ erzählt die Geschichte
des TV-Manipulators Roger Ailes
Der Erfinder von Fake News
106 1 2.9. 20 19
KULTUR
FILM

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