Der Stern - 12.09.2019

(Sean Pound) #1

Populismus


Donald Trump in den USA,
Boris Johnson in Großbritannien,
Reçep Erdoğan in der Türkei
oder Wladimir Putin in Russland:
Sie alle ordnen die wirtschaftli-
che Vernunft ihrem Machterhalt
unter. Besonders Trump, der
twittert, ein Handelskrieg sei
leicht zu gewinnen, gefährdet
die Konjunktur

Auto-Revolution


Deutschland ist eine Autonation:
Rund eine Million Jobs hängen
direkt vom Fahrzeugbau ab.
Digitalisierung und Energiewen-
de verändern die technischen
Grundlagen: Batterieautos,
autonomes Fahren und Car-
sharing machen alte Konzerne
anfällig. Neue Konkurrenten
bedrohen ihre Geschäfte

Klimawandel


In Brasilien brennt der Regen-
wald, Wirbelstürme verwüsten
die Karibik und andere tropische
Regionen, weltweit steigt der
Meeresspiegel: Weil jahrelang zu
wenig für den Klimaschutz getan
wurde, kommen nun ausgerech-
net in schwierigen Zeiten hohe
Kosten auf Unternehmen zu,
um die Produktion umzustellen

Brexit


Mit dem voraussichtlichen Aus-
tritt Großbritanniens schrumpft
die Europäische Union. Neue
Zollgrenzen könnten dann für
schwere Verwerfungen sorgen.
Schon heute sind Unternehmen
verunsichert, verzögern Investi-
tionen oder schließen Standorte.
Besonders schädlich ist die
Hängepartie um den Austritt

Wir leben in unruhigen Zeiten: Selten gab es so viele


Krisenherde und Konflikte, die das Potenzial haben,


eine schwere Rezession auszulösen


WELT IN AUFRUHR


1 2

3 4

4


Umwelt, China, Trump.“ Hildebrandt und


seine Kollegen stellen Motorenteile her.


Verbrennungsmotoren gelten aber nicht


mehr als Technologie mit Zukunft, in die


Unternehmen noch viel investieren.


Gleichzeitig bricht der Absatz ein, weil


Käufer in wirtschaftlich angespannten


Zeiten vorsichtiger werden. Und dann


sind da noch die drohenden Exportzölle


auf Autos. „Die Konzernführung hat


natürlich auch keine Ahnung, wohin die


Reise geht: Elektro? Wasserstoff? Was pas­


siert mit dem Diesel?“, sagt Hildebrandt


leicht resigniert.


Trotzdem handelt die Branche: Kon­


kurrent Continental hat gerade die Ge­


winnprognose korrigiert, Bosch will Stellen


abbauen, und der Gewinn von Schaeffler ist


im zweiten Quartal um die Hälfte eingebro­


chen. Die Geschäftsführung hat angekün­


digt, vier Werke zu schließen und etwa 700


Stellen in Deutschland abzubauen, die Kon­


zernführung nennt das Programm „RACE“.


Eigentlich kein Wunder, dass in Lucken­

walde die Angst vor diesem Rennen


wächst. Aber ist das schon die richtige


Krise oder bloß ein Branchenproblem?


In einem hellen Raum mit Blick auf die

Kieler Förde sitzt an einem Donnerstag


Ende August eine Gruppe Wirtschafts­


wissenschaftler und macht sich genau


darüber Gedanken. Draußen ist es noch


warm, und einige tragen kurze Hosen. Vor


dem Fenster ziehen die Fähren nach Oslo


und Göteborg vorbei, vollgeladen mit


Urlaubern, aber auch Maschinen und


Autos für den skandinavischen Markt.


Heile Welt. Übers Wasser sieht man die


Reste der einst stolzen Kieler Werftindus­


trie, ein eher trüber Anblick.


A


n diesem Vormittag kommt hier
auf den Tisch, was die globale
Ökonomie in den kommenden
Monaten beeinflussen könnte:
Die Konjunkturforscher des In­
stituts für Weltwirtschaft (IfW) in

Kiel treffen sich zum ersten Mal, um ihre


Herbstprognose zu erstellen, die Mitte


September erscheinen wird. Es ist eine der


wichtigsten Ökonomengruppen des Lan­


des, und ihre Einschätzung wird von Wirt­


schaft und Politik sehr ernst genommen.


Sie bewegt Märkte. Sie soll sagen, ob eine


Krise kommt und wie schlimm sie wird.


Zumindest denken das viele.


„Wir machen auch Prognosen, von denen

wir hoffen, dass sie so nie eintreten“, wider­


spricht Professor Stefan Kooths, der Leiter


des IfW­Prognosezentrums. „Und zwar,


30 1 2.9. 20 19

Free download pdf