Deutsch Perfekt - 11.2019

(Amelia) #1
Foto: Alfred-Wegener-Institut/Mario Hoppmann

16 EXPEDITION INS EIS Deutsch perfekt 11 / 2019

A


uf dieser Seite wird un-
ser wichtigstes Eiscamp
stehen, das müssen wir
die ganze Zeit im Blick
haben“, sagt Markus Rex
und zeigt auf die rechte Seite des Schiffes.
Der Expeditionsleiter steht auf der Kom-
mandobrücke des Forschungseisbrechers
Polarstern. Durch die großen Fenster ist an
diesem Sommertag nur das braune Was-
ser der Nordsee in Bremerhaven (Bre-
men) zu sehen. Es bewegt sich im Wind.
Aber Markus Rex sieht jetzt schon ein an-
deres Szenario, das in wenigen Wochen
Realität sein wird: ein Forschungscamp
auf einer gigantischen Eisscholle, an der
die Polarstern festgefroren ist. Es ist die
ungewöhnlichste Expedition in der Ge-
schichte des Alfred-Wegener-Instituts
für Polar- und Meeresfor-
schung (Awi): Mosaic.
Mosaic ist die Kurzform
für Multidisciplinary drif-
ting Observatory for the
Study of Arctic Climate
und ist in der Welt einma-
lig. Arktisexpeditionen hat
es zwar schon viele gege-
ben. Aber nur im Sommer,
wenn schwere Eisbrecher
auch durch das Eis kommen können. Die
Polarstern soll nun ein ganzes Jahr bleiben
und eingefroren im Eis durch die Zen-
tralarktis über den Nordpol wandern. In
dieser Zeit wollen die Wissenschaftler
wichtige Daten für die Klimaforschung
sammeln. Rund 120 Millionen Euro – das
ist das Budget der Forschungsreise. Ihre
wissenschaftliche Bedeutung ist groß:
„Das wird ein Durchbruch, denn jede
Messung, die wir machen, wird die erste
ihrer Art im Winterhalbjahr sein“, erklärt
Rex. „Die Arktis ist der Hotspot des Kli-
mawandels und gleichzeitig die Region
der Welt, von der wir kein gutes Verständ-
nis haben. Das wollen wir ändern.“
Die Expedition kommt genau zur
richtigen Zeit: Nicht nur in Deutschland
wird der Klimawandel viel diskutiert. Das
Thema ist überall – auch deshalb, weil seit
Monaten Schüler auf der ganzen Welt
jeden Freitag auf die Straße gehen. Am
Alfred-Wegener-Institut haben sie die

Erderwärmung aber schon lange im Blick.
Seit Jahrzehnten wird hier zur Arktis und
Antarktis geforscht, seit fünf Jahren Mo-
saic konkret geplant. 60 Institutionen aus
17 Ländern sind inzwischen dabei. Sie
wollen die Prozesse in der Arktis verste-
hen und Klimaprognosen besser machen.
Denn die sind zu ungenau, sagt Rex: Man-
che Klimamodelle prognostizierten, dass
die globale Temperatur bis zum Ende des
Jahrhunderts um fünf Grad Celsius stei-
gen wird, andere rechnen mit 15 Grad.
„Das ist keine verlässliche Basis für poli-
tische Planungsprozesse,“ sagt er.
Auf dem Schiff ist an diesem Tag viel
los. Es ist gerade aus der Antarktis zurück
und wird jetzt für die beiden nächsten
Expeditionen vorbereitet. Auch Verena
Mohaupt ist heute an Bord. Die Logis-
tik-Expertin ist seit fast
anderthalb Jahren mit der
Expedition beschäftigt.
Mit ihren Kollegen küm-
mert sie sich um die Aus-
rüstung. „Man versucht,
alle Eventualitäten einzu-
planen“, sagt Mohaupt. Im
Winter war sie mit einer
Kollegin in Spitzbergen,
um Arbeitsanzüge zu tes-
ten. Sie müssen in der Arktis bei -20 bis
-45 Grad funktionieren. Auch Nässe darf
kein Problem für sie sein. In den nächsten
Wochen werden sich die Forscher darauf
konzentrieren, alles zum Forschen und
Leben in Containern zu lagern: von wis-
senschaftlichen Geräten über Schneemo-
bile bis zu den Getränken für den Geträn-
keautomaten. Allein zehn Container sind
voll eingerichtete Labore, die auf dem
Vordeck für die Forscher immer erreich-
bar und trotzdem sicher sein müssen.
Mosaic ist eine komplizierte logisti-
sche Aufgabe. Während des Jahres wer-
den zwei russische, ein schwedischer und
ein chinesischer Eisbrecher und Flugzeu-
ge unterwegs sein, um dem Schiff weiter
Treibstoff und Essen zu bringen. Aber die
Basisausrüstung muss fertig sein, wenn
die Polarstern im September aus dem
norwegischen Hafen Tromsø abfährt.
„Dort kommt das Equipment von den
Wissenschaftlern aus der ganzen Welt


Die Expedition


kommt zur


richtigen Zeit:


Das Klima ist


überall ein


großes Thema.


“m Bl“ck haben
, hier: achten auf

der F¶rschungseisbre-
cher, -
, Schiff, das sich einen
Weg durch dickes Eis bricht

(br¡chen
, hier: kaputt machen)

die Eisscholle, -n
, großes Stück Eis

f¡stfrieren
, hier: so im Eismeer zum
Halten kommen, dass es
nicht mehr bewegt werden
kann

¢ngewöhnlichste (-r/-s)
, hier: speziell

die Meeresforschung
, Arbeit für mehr Wissen
über das Meer

einmalig
, von: einmal

s¶ll ... bleiben
, man plant, dass ... bleibt
der W“ssenschaftler, -
, Person, die ein Thema
systematisch untersucht

der D¢rchbruch, ¿e
, hier: wichtiges Ereignis,
das viel Neues möglich
macht

die M¡ssung, -en
, von: messen = Größe
oder Menge von etwas
feststellen

der Klimawandel
, Änderung des Klimas

das Verstændnis
, von: verstehen

die Erderwärmung
, Steigen der Durch-
schnittstemperatur der
Atmosphäre

prognostizieren
, als Prognose sagen

das Jahrh¢ndert, -e
, ≈ Zeit von 100 Jahren

r¡chnen m“t ...
, hier: meinen, dass es ...
sein werden

verlæsslich
, hier: stabil; genau

die Ausrüstung
, hier: alle Dinge, die man
für die Expedition braucht

die Eventualität, -en
, Möglichkeit

einplanen
, hier: beim Planen
denken an
das Schneemobil, -e
, Transportmittel für den
Schnee, das mit Skiern
unter Ketten fuktioniert

allein
, ≈ auch nur

das Vordeck, -s
, ≈ vorne auf dem oberen
Stock eines Schiffes

der Treibstoff, -e
, z. B. Benzin, Diesel ...

zus„mmenkommen
, hier: gesammelt werden

Foto: Alfred-Wegener-Institut/Mario Hoppmann
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