Die Zeit - 22.08.2019

(Nora) #1

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Ich trinke sehr gerne Leitungswasser. Als Münchner bin ich ver-
wöhnt, es schmeckt hier einfach gut und nicht so chlorig wie an-
derswo, in Berlin zum Beispiel oder, noch schlimmer, in den USA.
Ich bin kein Wasserphobiker, habe also keine außerordentliche
Angst vor schädlichen Bakterien im Leitungswasser, aber den chlo-
rigen Geschmack packe ich einfach nicht.
Seit einigen Tagen kommt es mir vor, als schmecke mein ohnehin
gutes Münchner Leitungswasser noch klarer und reiner als sonst.
Das liegt an einer Trinkflasche für unterwegs namens LARQ, die
ihren Inhalt selbst reinigt (derzeit bekommt man sie nur im eng-
lischen Online-Shop). Der Trick ist eine UV-Leuchte, die innen am
Deckel angebracht ist: Das UV-Licht zersetzt zwar nicht den Chlor-
geschmack, aber die Bakterien im Wasser, so heißt es zumindest. Das
bedeutet, wenn man die Flasche zudreht, reinigt das Licht das Wasser
auf Knopfdruck und wiederholt dies automatisch in gewissen Ab-
ständen. Und zwar sechsmal am Tag. Wenn man aber doch mal das
Gefühl hat, eine besonders schmutzige Flüssigkeit in der Flasche zu
haben, kann man erneut auf den Knopf oben auf dem Deckel drü-
cken, und es beginnt ein zusätzlicher Waschgang: einmal drücken für
Wasser aus der Leitung, zweimal für Wasser aus einem Bergbach und
dreimal für Härtefälle. Ich vermute, das ist für Outdoor-Menschen
gedacht, die auf ihren Touren aus zweifelhaften Quellen trinken.
Aber auch sonst ist die Flasche sinnvoll, weil die Trinkflaschen, die
man zum Sport mitnimmt, irgendwann muffig riechen, wenn man sie
nicht ständig reinigt. Durch die Isolierung bleibt der Inhalt stunden-
lang kühl. Das Design ist cool, die Farben sind schlicht. Doch klar:
Dass das Münchner Leitungswasser jetzt anders schmeckt, mag auch
Einbildung sein. Der Kopf macht ja die komischsten Sachen.

Mirko Borsche schmeckt das


Leitungswasser so gut wie noch nie


Foto

LARQ

Technische Daten
Größe: Höhe 25 cm, Durchmesser 7 cm, Volumen: 50 0 ml,
Preis: 95 £, erhältlich unter http://www.livelarq.co.uk

Stil Unter Strom

Von Tillmann Prüfer


Foto Peter Langer


Mirko Borsche, Creative Director des ZEITmagazins,
schreibt jede Woche die Kolumne »Unter Strom«

Nur wenige Kleidungsstücke werden so sehr mit einer bestimmten


Dekade in Verbindung gebracht wie der Afghanenmantel mit den
Siebzigerjahren: Man fühlt sich mit diesem Kleidungsstück sofort


in die Zeit der Hippie-Kommunen versetzt. Der Afghanenmantel
ist ein traditioneller Mantel des Paschtunen-Volks. Er besteht aus


Schafs- oder Ziegenleder und ist mit Schafsfell gefüttert, das an
Kragen und Ärmeln umgeschlagen wird. Das Wildleder wird oft


gefärbt und an der Außenseite mit Seidengarn bestickt.
In den Siebzigern zogen die Hippies auf der Suche nach Erfüllung


und Erleuchtung in Richtung des indischen Subkontinents. Auch
wenn sie den Sinn des Lebens dort nicht fanden – jede Menge


günstige Lammfellmäntel fanden sie auf jeden Fall. So kam der
Afghanenmantel nach Europa und in die USA, wo ihm etwa


Georgie Fame und Jimi Hendrix große Auftritte verschafften. Eric
Burdon und David Bowie fanden den Afghanenmantel sogar so


festlich, dass beide ihn bei ihren Hochzeiten trugen. Spätestes als
die Beatles auf dem Cover ihres Albums Magical Mystery Tour in


(umgestülpten) Afghanenmänteln posierten, war ein Massentrend
geboren. Bald zählte der Lammfellmantel zu den frühen Produkten


der Fake-Fashion, denn billige Imitate aus dem Iran und der Türkei
kamen auf den Markt. Diese Mäntel hatten meist eine schlech-


tere Qualität und mitunter einen unangenehmen Geruch. Später
wurden die Hippies bürgerlich, und der Afghanenmantel wurde


Bestandteil der allgemeinen Garderobe. Er war gewissermaßen der
Pelz der kleinen Leute. Denn im Vergleich zu einem klassischen


Pelzmantel waren die mit Lammfell gefütterten Mäntel stets sehr
viel günstiger zu haben. So ein Kleidungsstück stand immer auch


für einen alternativen Lebensstil.
Nun aber ist der Afghanenmantel in der Luxusmode angekommen:


Bei Céline gibt es einen mit Lammfell gefütterten Wildledermantel
mit kurzen Ärmeln, bei Burberry und Gucci Mäntel mit Ärmelauf-


schlägen aus Fell. Dass der Lammfellmantel nun wieder so populär
ist, liegt wohl auch daran, dass der Pelz der armen Leute der ein-


zige Pelz ist, der heute noch moralisch akzeptabel erscheint. Nerze,
Füchse und Kojoten sind als Pelztiere nicht mehr tragbar. Die Lu-


xusmode möchte nicht mehr nach Luxus aussehen, sondern auch
gerne alternativ sein. So als ginge es gar nicht ums Geld, sondern


um Höheres (selbstverständlich zu gleich hohen Preisen). Da passt
der Afghanenmantel gut, denn mit ihm assoziiert man immer noch


eher den bodenständigen Paschtunen als Tierquälerei. Obgleich ein
Lamm vermutlich überhaupt nicht weniger leidet als ein Fuchs,


wenn ihm für die Mode das Fell abgezogen wird.


Im Schafspelz

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