Die Zeit - 22.08.2019

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  1. August 2019 DIE ZEIT No 35 WIRTSCHAFT 21


DIE ZEIT: Wir erleben eine neue ökologische
Bewegung in Deutschland: sie will den CO₂-
Ausstoß radikal und sofort senken. Ist das mit
der Ökonomie vereinbar?
Isabel Schnabel: Natürlich geht das nicht sofort.
Aber die Ökonomik ist die Wissenschaft, die sich
damit beschäftigt, wie man mit begrenzten Res-
sourcen wirtschaften kann. sie ist also bestens
dafür geeignet, das Klimaproblem zu lösen. Die
Ressource umwelt hat nicht den richtigen Preis.
Deshalb wird mit ihr nicht vernünftig umge-
gangen. Das gilt etwa beim CO₂-Ausstoß, der
zu wenig kostet, aber unser Klima schädigt. Des-
halb finden viele Ökonomen es richtig, dem
CO₂-Ausstoß einen Preis zu geben.
ZEIT: Dann wird das Leben teurer.
Schnabel: Klar. Wenn man sehr schnell um-
steigen will, aber keine technologien hat, die
den umstieg erleichtern, sind die Kosten be-
sonders hoch.
ZEIT: Kann es sein, dass Klimaschutz in unse-
rem system gar nicht geht? Dass wir den Kapi-
talismus aufgeben müssen oder das Wachstum?
Schnabel: Nein, das ist falsch. gerade die
Marktwirtschaft kann Mechanismen entwi-
ckeln, um mit solchen Knappheiten umzuge-
hen. sie schafft über Preise Anreize, damit
neue technologien entstehen, die das Klima
schonen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
ein antikapitalistisches, planwirtschaftliches
system das besser hinbekommt. Man muss
nur zurückschauen auf die kommunistischen
Länder der Vergangenheit. Die wirtschafteten
besonders umweltschädlich.
ZEIT: geht Wachstum denn klimaschonend?
Schnabel: Natürlich ist es möglich, den CO₂-
Ausstoß pro Prozentpunkt Wirtschaftswachs-
tum zu reduzieren oder sogar klimaneutral zu
werden. Das geht aber nicht von heute auf
morgen, weil die technologien noch nicht zur
Verfügung stehen. Die wirtschaftliche Aktivi-
tät einzustellen ist jedenfalls keine Lösung.
ZEIT: Wieso gibt es diese technologie noch
nicht, wenn unser Wirtschaftssystem so gut
dafür geeignet ist, sie zu erzeugen?
Schnabel: Die Preise stimmen nicht. treib-
hausgase auszustoßen ist viel zu billig, da-
durch fehlt der Druck, neue technologien zu
entwickeln, um Emissionen zu reduzieren.
Deshalb ist es Konsens, dass ein einheitlicher
CO₂-Preis notwendig ist.
ZEIT: Wenn wir das so radikal und schnell
einführen, wie Klimaschützer es fordern, was
bedeutet das für die deutsche Wirtschaft?
Schnabel: Entscheidend ist, dass man es rich-
tig macht, damit die Kosten möglichst niedrig
sind. Wenn man beispielsweise im sektor Ver-
kehr von heute auf morgen den CO₂-Aus-
stoß drastisch senkt, dann schränkt dies das
Wachstum ein. Denn wir haben weder die
dafür erforderlichen Autos, noch haben wir
genug öffentlichen Nahverkehr.
ZEIT: Ab welchem CO₂-Preis besteht die
gefahr, dass wir die Wirtschaft schädigen?
Schnabel: Die größte Herausforderung
besteht darin, möglichst viele Länder dazu
zu bewegen, CO₂ zu bepreisen, dann müs-
sen die Preise nicht so stark steigen.
ZEIT: seit Ewigkeiten wird gesagt, man
brauche nur mehr Zeit und mehr Länder,
die mitmachen, dann werde man weniger
Kohlendioxid ausstoßen – passiert ist
wenig. Ist die Angst, die Wirtschaft zu
schädigen, zu groß?
Schnabel: Das mag ein grund sein. Aber
langfristig sind die Kosten dafür, nichts zu
tun, viel höher. Es geht also tatsächlich viel
zu langsam. In Deutschland hat man das
Klimaproblem zwar schon sehr lange auf
dem schirm, aber man hat Lösungen
gewählt, die unheimlich teuer waren und
dem Klima wenig gebracht haben.
ZEIT: Zum Beispiel?
Schnabel: Das Erneuerbare-Energien-
gesetz, aber auch die Ökosteuer.
ZEIT: Die Ökosteuer ist eine Abgabe auf
Benzin und Diesel, die eine Art CO₂-steu-
er ist. Was ist daran falsch?

Schnabel: Die Ökosteuer orientierte sich nicht
konsequent am CO₂-Ausstoß. Zudem hat man
sie an die senkung der Rentenbeiträge gekop-
pelt. Dadurch gab es von Anfang an einen Ziel-
konflikt: Will man Einnahmen erzielen für die
Rentenkasse, dann ist es schlecht, wenn die
Leute wegen der steuer weniger Auto fahren.
Denn dann fehlt das geld für die Rentenkasse.
Außerdem gab es viele Ausnahmen bei der
Ökosteuer. Ein echter Fortschritt war die Ein-
führung des europäischen Emissionshandels,
aber auch der ist nicht umfassend.
ZEIT: Immerhin ein Ansatz, der nicht nur
national ist.
Schnabel: genau. Der Emissionshandel
funktioniert inzwischen ziemlich gut. Jetzt
muss es darum gehen, die sektoren einzube-
ziehen, die dort nicht enthalten sind: vor
allem Verkehr und gebäude, also Heizung.
Das ist schwierig, weil sich hier alle Europäer
einigen müssen.
ZEIT: Den Emissionshandel auszuweiten ist
kompliziert, der technische Fortschritt ist
langsam. Bleibt nur die CO₂-steuer?
Schnabel: Nein. Man kann auch einen
nationalen Emissionshandel einrichten. Dies
muss natürlich mit bestehenden Maßnah-
men abgestimmt werden, vor allem mit den
Energiesteuern. Die sind leider unsystema-
tisch und nicht am CO₂-Ausstoß orientiert.
ZEIT: Ist das schlimm?
Schnabel: Zum teil haben wir dadurch
extrem hohe implizite CO₂-Preise, bei-
spielsweise auf Benzin. Beim Emissions-
handel zahlt man derzeit etwa 26 Euro
pro tonne Kohlendioxid, bei Benzin sind
wir etwa beim Zehnfachen. gleichzeitig
sieht man im Verkehr aber kaum eine
Lenkungswirkung.
ZEIT: Die Leute fahren so gern Auto, dass
es ihnen den hohen Preis wert ist?
Schnabel: so ist es. Wenn man einen ein-
heitlichen CO₂-Preis hätte, wäre der Preis
für Emissionen im Verkehr vermutlich
niedriger als heute. Die Leute würden also
weiter Auto fahren. Manche sagen: Wir
brauchen deshalb im Verkehr einen be-
sonders hohen Preis. Die ökonomische
sichtweise wäre: Egal, dann senken wir
den Ausstoß anderswo.
ZEIT: Das ist aber nicht der trend.
Schnabel: Richtig. Dann muss man sich
aber fragen, warum die Autofahrer auf
die hohen Preise nicht reagieren.
ZEIT: und warum?
Schnabel: Weil es zu wenig Ausweich-
möglichkeiten gibt. Man kann nicht
einfach auf ein Elektroauto umsteigen


  • das ist teuer, und die Infrastruktur
    fehlt. In vielen städten kann man auch
    nicht ohne Weiteres auf den öffentli-
    chen Nahverkehr umsteigen, in ländli-
    chen Regionen schon gar nicht. Es ist
    schwierig, mit Preisen Verhalten zu
    verändern, wenn die Alternativen
    schlecht entwickelt sind. Da ist der
    staat gefragt, um die Alternativen
    attraktiver zu machen, den Nahver-
    kehr auszubauen und klimaschonen-
    de technik zu fördern. Auf eine spe-
    zielle technologie zu setzen ist dabei
    problematisch. Eine Förderung sollte
    möglichst technologieneutral sein.
    ZEIT: Nehmen wir an, die CO₂-steu-
    er kommt: Was machen wir mit den
    Einnahmen?
    Schnabel: Den größten teil sollte
    man an die Bürger zurückgeben. Wir
    brauchen vor allem einen Ausgleich
    für soziale Härten. Denn ärmere
    Haushalte werden relativ zu ihrem
    Einkommen von der CO₂-Beprei-
    sung besonders stark betroffen.
    Außerdem sollte mit dem geld
    Forschung gefördert und der um-
    stieg auf emissionsfreundliche tech-
    nologien unterstützt werden. Infra-
    struktur kommt dazu.


ZEIT: Bus und Bahn?
Schnabel: Es können auch Ladestationen für
Elektroautos sein oder die Förderung von ge-
bäudedämmung.
ZEIT: Ist es für sie wichtig, ob die CO₂-steuer
kommt oder ein erweiterter Emissionshandel?
Schnabel: Ich finde das zweitrangig. Die Dis-
kussion wird unnötig scharf geführt. Es gibt
aber Vor- und Nachteile der beiden Lösungen.
Beim Emissionshandel ist der Vorteil, dass man
direkt den CO₂-Ausstoß steuert – und Men-
genziele sind nun mal das, was wir politisch
versprochen haben. Allerdings ergibt sich der
Preis dann indirekt als Folge der festgelegten
Menge, und dieser Preis kann stark schwanken.
Die steuer wäre leichter zu installieren. Aller-
dings hat sie das Problem, dass man nicht so
genau weiß, bei welchem Preis die Menschen
wirklich CO₂ reduzieren. Es kann sein, dass
wir unsere Ziele krachend verfehlen. Dann
müsste die steuer angehoben werden. Das
kann schwierig werden, denn steuern unterlie-
gen immer sehr stark dem politischen Prozess.
Daher ist langfristig ein erweiterter Emissions-
handel in Europa anzustreben. Die CO₂-steu-
er kommt als Übergangslösung infrage.
ZEIT: In Deutschland gibt es derzeit viele be-
geisterte Klimaschützer. Bleibt das noch so,
wenn die Preise für Benzin und Heizöl steigen?
Schnabel: Das weiß ich nicht. Die Leute sind
ambivalent. sie haben einerseits sympathien
für »Fridays for Future«, andererseits fahren
sie suV. Wichtig ist, dass wir bei der Rück-
verteilung der Einnahmen auch auf die poli-
tische Akzeptanz achten. In Frankreich gab es
Proteste gegen steuererhöhungen auf Kraft-
stoffe, das sollten wir vermeiden.
ZEIT: Dann geht die Rückverteilung an die-
jenigen, die besonders viel verbrauchen?
Schnabel: Ja. Wir müssen uns zum Beispiel
überlegen, wie wir Pendler entlasten – wohl
wissend, dass man damit Lenkungseffekte
zum teil konterkariert.
ZEIT: Dann bewirkt man aber nicht viel.
Schnabel: Doch. In jedem Fall verändert man
die relativen Preise. Bestimmte Verhaltenswei-
sen werden billiger, andere teurer.
ZEIT: Wir reden die ganze Zeit darüber, wie
wir unser Verhalten verändern. Könnte man
nicht auch sagen: Das Verhalten wird sich nie
ändern, deswegen müssen wir einen anderen
Ausgleich schaffen; irgendwo einen riesigen
Wald aufforsten beispielsweise?
Schnabel: grundsätzlich ist die Idee von
Kompensation interessant. Manchmal funk-
tioniert sie aber nicht so gut.
ZEIT: Zum Beispiel?
Schnabel: Im Emissionshandelssystem
kann ein unternehmen, statt ein Zertifi-
kat zu kaufen, nachweisen, dass es in
irgendeinem anderen Land CO₂-Emissio-
nen gesenkt hat. Aber das kann man kaum
kontrollieren. Es gibt Beispiele aus Län-
dern wie China und Russland, wo extra
Produktionen aufgenommen wurden, die
schädliche Emissionen hervorriefen, da-
mit man die dann herunterfahren und im
gegenzug die Kompensationszahlungen
einfordern konnte. Ein perverser Anreiz.
Dabei ist die Idee der Kompensation
eigentlich gut. Die Vermeidungskosten in
anderen Ländern sind vermutlich viel
geringer als bei uns. und für die CO₂-
Bilanz ist es ja vollkommen egal, ob wir
hier eine tonne sparen oder in China.
ZEIT: technologie, Verhaltensänderung,
Kompensation – das sind viele Ideen.
Womit anfangen?
Schnabel: Es gibt noch eine vierte: Anpas-
sung an den Klimawandel. Ich glaube tat-
sächlich, dass man eine Kombination aus
allen vieren braucht.
ZEIT: Anpassung an den Klimawandel?
Das kann man hier lockerer sagen als auf
einer südseeinsel, die zu versinken droht.
Schnabel: Wir werden den Klimawandel
nicht von heute auf morgen beenden. Wir
müssen daher Anpassungsstrategien fin-

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den. Die Hoffnung ist, dass wir nicht an einen Wen-
depunkt kommen, an dem das gesamte Klima
umschlägt und unkontrollierbares passiert. Leider
weiß niemand genau, ob und wann das eintritt.
ZEIT: Zum schluss eine Prognose, bitte: Kann
Deutschland ein Industrieland bleiben und trotz-
dem CO₂-neutral werden?
Schnabel: Ja, bestimmt. Die Frage ist nur, wie
schnell. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis
2050 klimaneutral zu sein. Ob wir das erreichen, ist
ungewiss. Aber ich bin sicher: Eine CO₂-neutrale
Wirtschaft ist möglich.
Das gespräch führte Lisa Nienhaus
Illustration: Sina Giesecke/ZEIT; Foto: Stefan Boness/Ipon/Fotofinder
Isabel schnabel, 48, ist Ökonomie-
Professorin an der universität Bonn
und Mitglied des sachverständigenrats
für Wirtschaft






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