Süddeutsche Zeitung - 06.09.2019

(Michael S) #1
von jens bisky

T


iere zeichnen, lautete eine Aufgabe
im Vorkurs des Bauhausmeisters Jo-
hannes Itten. Die Zeit war begrenzt,
ein Lichtbild erschien, die Zöglinge legten
los, ein neues Lichtbild folgte. Heinrich
Koch, der später als Fotograf berühmt wer-
den würde, notierte im Januar 1923 auf ei-
nem Blatt: „Itten. 20.I.23 Tierzeichnen
nach Lichtbildern – Hebe hervor einen Teil
der dich fesselt und das Tier charakterisie-
ren, seine Bewegung, seinen Charakter.“
Andere Aufgaben im Vorkurs lauteten:
Atem- und Gefühlsstenogramm, Gegen-
satzpaare nennen, nachmachen, Krieg
zeichnen, Akte rhythmisch zeichnen, Mate-
rial durch Abtasten bestimmen, Gleichge-
wichtsstudie, freihändig Linie und Kreis
zeichnen, Name in Spiegelschrift schrei-
ben, Papier falten, Schreibmaschinenstu-
die, macht aus Weißem Farbiges.
Walter Gropius hat 1938 in der Ausstel-
lung des New Yorker Museum of Modern
Art, die den Bauhaus-Mythos begründete,
vergrößerte Reproduktionen und Modelle
von Vorkursarbeiten ausgestellt. Er präsen-
tierte sie wie Kunst.


In der Berlinischen Galerie sind ab Frei-
tag viele Arbeiten aus den Vorkursen zu se-
hen. Ob es um Farbübungen bei Paul Klee
geht, Zeichnen nach Lichtbildern bei Jo-
hannes Itten, Papier falten bei Josef Al-
bers, Gleichgewichtsstudien bei László Mo-
holy-Nagy oder Farbkreise aus dem Unter-
richt bei Wassily Kandinsky – sie werden
als Schülerarbeiten präsentiert oder als
spätere Rekonstruktionen. Im Zentrum
der Berliner Bauhaus-Jubiläumsausstel-
lungstehtderUnterricht,stehenUnterwei-
sung und Anleitung, auch das Unfertige,
Vorläufige hat seine Auftritte. Das ist einer
der Gründe, warum die Ausstellung „origi-
nal bauhaus“ so überraschend gut gelun-
gen ist. Hier wird die legendäre Einrich-
tung als das gezeigt, was sie in erster Linie
war, als eine Kunstschule.
Die Kuratorin Nina Wiedemeyer vermei-
det die ausgetretenen Pfade, erspart den
Besuchern eine illustrierte Ideengeschich-
te ebenso wie die kunstfromme Überhö-
hung. Sie fragt nach den Praktiken, die das
Bauhaus in den vierzehn Jahren seiner
Existenz und den folgenden Jahrzehnten
der Rezeption ausmachten. Das Ergebnis
ist großartig, und noch bevor am Wochen-
ende in Dessau das Bauhaus-Museum er-
öffnet, kann man sagen, dass das Jubiläum
halb verschläft, wer sich diese Berliner Aus-
stellung entgehen lässt.
Nina Wiedemeyer konnte auf die größte
Sammlung zum Thema zurückgreifen, die
des Berliner Bauhaus-Archivs. Da es noch
bis 2022 umgebaut und erweitert wird, hat
man mit der quicklebendigen Berlinischen
Galerie zusammengearbeitet. Anhand von
vierzehn Schlüsselobjekten erprobt die
Ausstellung verschiedene Perspektiven, er-
zählt Geschichten. Etwa die des Tee-Ex-
traktkännchens, das Marianne Brandt ab
1924 nicht nur entwarf, sondern in der Me-
tallwerkstatt fertigte. Das Kännchen mit
den klaren geometrischen Formen. Sieben
Exemplare sind in der Ausstellung zu se-
hen, ein achtes findet man in Dessau. Die
Kännchen haben einen hübschen Kreisseg-
ment-Griff aus Ebenholz, es gibt sie in
Bronze, in Silber, in versilbertem Messing.
Marianne Brandt hatte es anfangs schwer
in der Metallwerkstatt. Weil sie eine Frau
war, wurden ihr langweilig-mühsame Auf-
gaben übertragen. Ihr Kännchen sieht aus,
als wäre es für die industrielle Herstellung
ersonnen, als eine Art Prototyp. Aber es
blieb in den Zwanzigerjahren bei Einzelstü-
cken, kam nie in die Massenproduktion.


Heute wird die Bauhaus-Teekanne in Sil-
ber für knapp 9000 Euro angeboten, ein ty-
pisches Beispiel für das Schicksal einiger
Bauhausobjekte, die zu Fetischen für den
gehobenen Distinktionsbedarf geworden
sind. Die Ausstellung konfrontiert das
Brandt’sche Kännchen mit elektrischen
Wasserkesseln, die Peter Behrens 1909 für
die AEG entwarf. Sie haben mal eine run-
de, mal eine ovale oder eine achteckige
Grundform, Randornamente und nachge-
machte Hammerschläge verschleiern die
maschinelle Herstellung. Welches Design,
welches Objekt ist moderner, avancierter?
Das massenhaft hergestellte, elektrisch be-
triebene von Behrens oder die in Handar-
beit gefertigten Unikate der Marianne
Brandt, die so „industriell“, prototypartig
anmuten?
Einige Kapitel behandeln die Frage, wie
das Bauhaus berühmt wurde. Zu sehen
sind Glasdias, die der Gründungsdirektor
Gropius als wahrer „Wanderprediger der
Moderne“ (Winfried Nerdinger) in seinen
Vorträgen nutzte. Das Bauhaus-Archiv hat
1237 dieser Lichtbilder in seinem Besitz
und daneben eine Kartei mit 704 Karten,
auf denen unter anderen Ise Gropius die
Diapositive katalogisiert hat. Es ist vermu-

tet worden, dass sie die Frau sein könnte,
die sich 1926 von Erich Consemüller foto-
grafieren ließ: Leger auf einem Stahlrohr-
sessel Marcel Breuers sitzend, ein kurzes
Kleid aus einem Stoff von Lis Beyer tra-
gend, eine Maske von Oskar Schlemmer
über dem Gesicht. Vielleicht war es auch
Lis Beyer oder doch eine andere? Wie auch
immer, die Frau, die sich zum Scherz die
Maske aufsetzte, verkörpert ein neues
Selbstbewusstsein, eine Modernität von

großem Schau- und Reklamewert. Breuers
Möbelstück, der Klubsessel B3, wurde üb-
rigens von diesem selbständig, jenseits des
Bauhauses auf den Markt gebracht.
Ob es um das Triadische Ballett oder das
Gemälde „Bauhaustreppe“ von Oskar
Schlemmer geht, um Mies van der Rohes
Pavillon für die Weltausstellung des Jahres
1929 in Barcelona oder den Teppich der
Bauhäuslerin Gertrud Arndt, der im Wei-
marer Direktorenzimmer von Gropius lag,
oder das Landhaus Ilse in der Gemeinde
Burbach, das in Anlehnung an das Weima-
rer Musterhaus am Horn errichtet wurde –
immer bietet die Ausstellung Neues, Inter-
essantes. Und vor allem einen Anlass, über
Original und Kopie, Reproduktionen und
Rekonstruktionen nachzudenken.
Bestaunen kann man das Adressbuch,
das Hannah Höch von 1917 bis 1978 nutzte,
indem auch die Adressen von Mies van der
Rohe, László Moholy-Nagy und dessen
Frau Lucia Moholy verzeichnet sind. 1932
bereitete die Dada-Künstlerin eine Ausstel-
lung mit Fotomontagen und Aquarell-
zeichnungen am Bauhaus Dessau vor. Es
wäre die erste Einzelausstellung Hannah
Höchs gewesen, sie wurde auf Druck der in
Anhalt starken NSDAP abgesagt.

Das Bauhaus zog 1932 bekanntlich nach
Berlin. Ein Foto zeigt das Anfertigen einer
Karikatur für das letzte Bauhaus-Fest, Ber-
lin Steglitz, Februar 1933. Von der Kunst-
schule, die sich immer wieder wandelte, an
der – wie anders? – Konflikte zum Alltag
gehörten, führen Linien zu einer radika-
len, gern auch esoterisch aufgeladenen
Kunstautonomie, aber auch zu Industrie-
design und industriellem Bauen.
Werke zeitgenössischer Künstler, etwa
von Thomas Ruff, Veronika Kellndorfer,
Thomas Demand ergänzen die Fallge-
schichten. Eine Rauminstallation des Stu-
dios Syntop ermöglicht es, einzelne Vor-
kursübungen zu absolvieren. Etwa die zur
Lockerung: „Hinterlasse eine Lichtspur.
Stelle dich vor die Station und warte, bis
dein Körper erkannt wird. Bewege deine
Hände und zeichne eine Spur auf die digita-
le Leinwand. Umkreise die vier schwarzen
Punkte. Verbinde sie in unterschiedlicher
Reihenfolge.“ So gegenwartsnah wie in die-
ser Ausstellung hat das Bauhaus lange
nicht mehr gewirkt.

original bauhaus.Berlinische Galerie, bis 27. Januar


  1. Der Katalog (Prestel Verlag) kostet 29 Euro.


Jeder weiß, dass Donald Trump wenig Ah-
nung von nichts hat. Als er also am Wochen-
ende überDoriansagte, er habe noch nie
von einem Hurrikan der Stärke 5 gehört,
obwohl es allein in seiner Amtszeit bereits
drei solche Wirbelstürme gab, wunderte
sich niemand. Man weiß auch, dass
Trumps Gerede kaum je die Realität abbil-
det, die meisten seiner Sätze sind Gebilde,
die wie Wolken dahintreiben, haltlos, weit
von der Wirklichkeit hier unten entfernt,
grotesk verzerrte Schatten auf die Welt
werfend. Kurzum: Man ist das Dauertief
aus Lügen und Nonsens ja längst gewöhnt.
Aber dann gibt es doch immer wieder Über-
raschungen und neue Variationen.
Am Mittwoch hielt er eine offizielle
Karte des NOAA (National Oceanic and At-
mospheric Administration Service) in die
Kameras, die den voraussichtlichen Ver-
lauf des HurrikansDorianzeigt. Nur dass
diese Karte gefälscht worden war. Und das
nicht gekonnt, sondern mit einem Filzer.
Der weiß schraffierte Möglichkeitskorri-
dor ist in schwarzer Farbe erweitert wor-
den, sodass eine zittrige Beule bis in den
Bundesstaat Alabama hineinragt. Trump
hatte zuvor getwittert, dass Alabama auf
DoriansWeg liege. Die nationale Wetterbe-
hörde hatte das per Tweet umgehend korri-
giert, Alabama werde keinerlei Auswirkun-
gen zu spüren bekommen. Hier kam nun al-
so der Beweis, dass Trump wie immer
recht hat.
Auf den nördlichen Bahamas gibt es vie-
le Tote, alles scheint dort zerstört, an der
Ostküste der USA sind viele Menschen zu
Recht in Angst. Umso wichtiger, in solch ei-
nem Moment richtige Voraussagen zu tref-
fen. Was aber macht der Präsident? Er malt
sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Nicht mal
raffiniert, sondern wie ein Dreijähriger mit
einem schwarzen Stift. Ob er diesen Krakel
nun selbst gemalt hat, wieBloomberg.com
behauptet, oder ihn von einem seiner Un-
tergebenen hat hineinzeichnen lassen
(CNN), ist ziemlich irrelevant.

Es gibt ein amerikanisches Gesetz, das
besagt: „Wer gefälschte Wettervorher-
sagen publiziert oder sich bei falschen
Wettervorhersagen auf die nationale
Wetterbehörde beruft, wird zu einer Geld-
strafe und/oder einer Haftstrafe von bis zu
90 Tagen verurteilt.“ Es gibt dieses Gesetz
wirklich (18 U.S. Code §2074). Aber es wird
natürlich nichts geschehen, der Trump-
sche Dauerhurrikan ist ja auch längst
weitergezogen. Jetzt geht es wieder um
angebliche Anrufe chinesischer Delegier-
ter, die mit ihm dringend über neue Han-
delsbedingungen reden wollen, aber in
Wahrheit nie angerufen haben. WasDori-
anund seine Alabama-Lügen angeht, so
schrieb Trump auf Twitter, er nehme die
Entschuldigungen der Fake News gerne
an. alex rühle

Abschied von den Fetischen


Wer im Jubiläumsjahr nur eine Ausstellung sehen kann, sollte sich diese anschauen:


„original bauhaus“ in der Berlinischen Galerie


Ausweitung der Sturmzone: Trump als
Meteorologe. FOTO: JONATHAN ERNST / REUTERS

Die Frau, die sich zum Scherz


eine Maske aufsetzte, verkörpert


ein neues Selbstbewusstsein


DEFGH Nr. 206, Freitag, 6. September 2019 FEUILLETON 13


GEHÖRT, GESEHEN,
ZITIERT

Im Lügen-Tief


Donald Trump fälscht
den Wetterbericht

Das Teekännchen aus der Metallwerk-
statt von Marianne Brandt, 1924.
FOTO: GUNTER LEPKOWSKI / VG BILD-KUNST, BONN 2019

Entspannte Moderne: Erich Consemüller fotografierte 1926 die Frau im Klubsessel B3 von Marcel Breuer. Sie trägt eine Maske von Oskar Schlemmer und ein modisch
kurzes Bauhausskleid, Kleiderstoff von Lis Beyer. FOTO: ERICH CONSEMÜLLER, BAUHAUS-ARCHIV BERLIN /STEPHAN CONSEMÜLLER

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