Süddeutsche Zeitung - 06.09.2019

(Michael S) #1
Berlin–Smartphones,Tablets,Fernseher,
dieInternetinhalte anzeigen–keinWun-
der eigentlich, dass die PC-Verkäufewelt-
weit seitJahren sinken.Werüberwiegend
surft, ein bisschen schreibt und ab und zu
mal einen Film guckt, der kann das auch
mit einem mobilen Gerät erledigen. So-
baldesAnspruchsvolleres zu tun gibt,
kommt man um einen PC zwar immer
noch nicht herum.Trotzdem: DieNutzer
kaufen sich im Durchschnitt nur noch alle
sechsJahre einen neuen PC.
„Aberwenn“, sagt Emmanuel Fromont,
„dannwollen sie den richtigen.“Fromont
ist beim taiwanischenHerstellerAcer für
dasGeschäftinEuropa,Nahost und Afrika
verantwortlich.Natürlich gibt es den einen
richtigen PC nicht, daher setztAcer auf eini-
ge Nischen.Nursokönne man in einem
schrumpfenden Marktüberleben, so Fro-
mont. Diebekannteste solcherNischen ist
dieder Spiele-PCs und Laptops. In
Deutschland istAcer in diesem Segment
Marktführer,insgesamt dieNummer drei.
Weltweitliegt dasUnternehmen nach Zah-
lenvon Gartner aufPlatz sechs, knapp hin-
ter Apple und Asus.
Am besten entwickelt sich derzeit aber
der Bereich der superflachen Laptops.
„Hierwachsen wir um 60 Prozent“,sagt
Fromont. Dieser Trendwerdesichfortset-
zen, ist er sicher,aber auch dieAnbindung
an mobileNetzwerkewerde immer wichti-

ger.Die Nutzer erledigten schließlich mehr
und mehrüberdie Cloud.
Unddann ist da natürlich noch der
KnackpunktNummer eins: Die Batterie-
laufzeit.„Von einem Smartphone erwartet
man, dass es den ganzenTagdurchhält,
wenn man es morgensvomLadegerät ab-
stöpselt“,sagt Fromont. „Eine ähnliche
Entwicklung sehen wir auch bei Laptops.“
ErsteModelle, die20Stunden durchhal-
ten, gebe es bereits.Wasden Kunden eben-
falls wichtig ist: der Bildschirm.Das kön-
nen–eineweitereNische, diesichAcer mit
einer eigens dafür entwickelten Reihe er-
schließen will–besonderefarbtreue Anzei-
gen mit matter Oberfläche sein, wie sieFo-
tografenund Designer brauchen. Die meis-
tenKunden jedoch erwarten farbprächti-
ge, superscharfeDisplays,die möglichst
keinen dicken Rand mehr haben sollen.
Kein Zufall: Laptops oder,wie man sie
heute meist nennt,Notebooks, „greifen
mittlerweile Tablets an“, sagt Fromont,
„von untenkommen die Smartphones,von
oben dieNotebooks“.Dafür mussman heu-
te ja auchkein Vermögenmehr anlegen. So-
genannte Chromebooks gibt es bereits für
wenigeHundert Euro. Sie laufen mit dem
Betriebssystem ChromevonGoogle. Alle
Programmearbeiten mit der Cloud, in ei-
nem Rechenzentrumvon Google. Eine In-
ternetanbindung ist also Pflicht. In den
USAsind dieGeräte in Schulen bereitsweit

verbreitet, in Deutschland dagegen noch
nicht, dort startetGoogle erst jetzt, Chro-
mebooks offensivzuvermarkten.
Besondersviel Leistung müssen diese
Laptops nicht mitbringen,doch bei sol-
chen, dieflach und leicht sein und dennoch
vielPowermitbringen sollen, stehen die In-
genieureimmer wiedervorHerausforde-
rungen. Immerhin hilft ihnen dabei die
WeiterentwicklungderProzessor-Chips.
Diesekommen mit immerfeineren Struk-
turen daherund brauchen deshalbweni-
ger Energie, obwohl sie zudem auch noch
schnellerrechnen.„Wichtig ist dabei,wo
man die Bausteineplatziert, damit dieHit-
ze ohne laute Lüfter entweichen kann“,
sagt Fromont.
Bei den Chipherstellern istAcer nicht
festgelegt. DasUnternehmen bietet so-
wohl Geräte mit Intel-Rechnerherzen an
als auch welche mit Chips desKonkurren-
ten AMD,der Intel in jüngerer Zeit mit eini-
genNeuentwicklungen ziemlich Druck ge-
macht hat.
Acer hat neben PCs auch eine ganze Rei-
heZubehörprodukte im Programm,das
macht sie nicht ganz so abhängigvon den
PCs. Da gibt es etwaeine Art Thron für
Computerspieler oder einenMonitor für
Spielemit einer Bilddiagonalewie eingro-
ßerFernseher–ganz gemäß Fromonts
Motto: Ein Angebot für jedeNische, die Er-
folg verspricht. helmut martin-jung

vonhelmutmartin-jung

S


oalso soll das dann funktionieren:
Für den Business-Trip von Berlin
nach Parisnimmt man künftig nicht
mehr das Flugzeug. DasAuto ist doch viel
komfortabler.Kein normales Auto natür-
lich. EinAuto, wie es sich Maurice Contivor-
stellt. Conti ist Designer und arbeitet bei
Alpha, der Innovationseinheit desTelekom-
munikationskonzerns Telefónica.Contis
Auto fährt natürlichvonselbst, und es ist
ein Büro,wenn dieGeschäftsreisende in
dasFahrzeug einsteigt, „mit derselbenUm-
gebung, die Sie auchimBüro haben“.
Ist der Arbeitstagvorbei,verwandelt
sich dasrollende Büroauf Wunschinein Ki-
no, natürlich mit Imax-Qualität und super-
duper Rundumsound. Nach dem Kino-
abend legen sich die Sitzevonselber flach,
und die Reisende kann sich zur Ruhe bege-
ben.AmnächstenMorgenstehtsiedann
ausgeschlafenvorihremHotel inParis,wo
sieduschen kann. Denn davonsagte Conti
nichts.
Aber auch so finden sich genügendGe-
genargumente gegen Contis Vision, die er
bei einemZukunftsgespräch mit dem Chef
des Elektronikkonzerns LG,IPPark, zum
Besten gab. Das vielleicht wichtigstefor-
mulierte ein andererPodiumsteilnehmer,
Ralph WiegmannvominternationalenFo-
rum Design.WerDienste wie ein solches
Auto nutze, übergebe derTechnik vielVer-
antwortung, „dazu muss man vielVertrau-
en aufbauen“. Wiegmann sieht aber dieGe-
fahr,dass dieMenschen bei dieser Reise
auf der Streckebleiben. Da mögen die Fir-
men fantasierenvoneinem „Zuhause auf
Rädern“, wie LG-ChefPark das nannte,
„dasZuhause ist nur einGefühl, es kann
überall sein“, glaubt er.
Damit nämlich alles mit allem zusam-
menarbeitet, damit–wieder eineIdee von
Conti–der Kühlschrank dem neuen Robo-
terstaubsauger sagen kann, wie dieWoh-
nung beschaffen ist, muss der das erst ein-
mal wissen. Wieso das aber einenKühl-
schrank überhaupt etwas angeht, diese
Frage wurde nicht beantwortet. Einwenig
wirkt alles so, also suchten dieUnterneh-
menverzweifelt nach Anwendungsfällen
fürTechniken, die sie entwickelt haben.
So richtig smart sind die SmartHomes
vonheute noch ohnehin nicht, sagt Andre-
as BösvonConrad Connect, einemSpin-off
des Elektronikhändlers Conrad:„Oft wer-
den falscheHoffnungen geweckt.“Was es
heute gebe, sei in aller Regel nurvernetzt,
aber nicht schlau. Denn „dazu muss man
erst einmal die Datenverstehen“.


Das kann dannsoaussehen:Ein vernetz-
tes Haus registriert, wie sich seine Bewoh-
nerverhalten.Wann stehen sie auf,wann
sind sie in derKüche,wann imWohnzim-
mer,wann geht derFernseher an,wann
das Licht im Bad? Sind dieHausbesitzer
dann imUrlaub,simuliertdas Hausdie An-
wesenheit der Bewohner besser alsbloß ei-
ne Stehlampe imWohnzimmer mit Zeit-
schaltuhr.
Solche Systeme, dievon ihrenNutzern
lernen,könnten eines der größten Proble-
me rund um die schlauen Häuser lösen: ih-
re Steuerung zurvereinfachen.Wasnützt
es,wenn nur dieIngenieurinimHaus


weiß, wie das System funktioniert, allean-
deren aber dastehen mit ihren Smart-
phones in der Hand und nichtweiterwis-
sen.Wenn es nur das Licht ist, das sie nicht
ankriegen, ist esweniger schlimm,kommt
man aber nicht mehr zur Tür herein, wird’s
allmählich ernst.
Durchdie AnhäufungvonDaten wird
ein zweites Problem zwar nicht geschaf-
fen, aber dochverstärkt: DieDaten betref-
fendas private Umfeld, und da will man ei-
gentlich so wenige wie möglich davonanir-
gendwelche Firmen geben,vondenen man
letztlich nicht genau weiß,wasdiese damit
anstellen. Es mussnur einTechniker im Re-
chenzentrum den falschenSchalter umle-
gen und schon sind dieDaten online für al-
le abrufbar,immer wiederkommt es zu sol-
chenPannen. DieNutzer müssen zudem
daraufvertrauen,dass dieGeräte auch ge-
gen das Eindringenvonaußen abgesichert
sind.Auch solcheFälle hat es in jüngerer
Zeit genug gegeben. Überwachungskame-
ras–ausgerechnet!–als Einfallstor für Ha-
cker,das gab es tatsächlich, Millionen der
Geräte wurden gekapert und fürAttacken
auf Internetdienste missbraucht.

Dass dasvernetzteHeim trotz des mitt-
lerweile schon jahrelangen Trommelns
der Industrienoch immerkein richtiger
Hit ist, liegt an genau diesen beidenFakto-
ren. Kein normalerNutzer möchte sich –
erstens–mehrKomplexität ins Haus ho-
len, sondern er will es bequemer,womög-
lich auch sicherer und vielleicht auch ener-
giesparender,etwawenn dieHeizung mit-
denkt und das System herunterregelt,
wenn keiner im Haus ist.
Zweitens: Wieviel Risikosind dieNut-
zer bereit einzugehen, dafür,dass ihnen
ihr Haus etwamitteilt,„willst du nicht das
Fenster auf derWestseite schließen, es soll
doch heuteGewitter geben“? Es sind eben
schon sehr private Daten, dieniemanden
etwas angehen.Zwar versprechen die An-
bieter,die Daten sicher aufzubewahren,
aber schiefgehen kann immer etwas und
ist es auch schon oft genug.
Auch dassKonzerne, die hinter den
sprachgesteuerten Assistenten Siri, Alexa
GoogleAssistant undCo. vonMenschenha-
ben überprüfen lassen,wasdie Nutzer ih-
rerDienstevonden Maschinen eigentlich
wollen, ist vielen übel aufgestoßen. Sie
glaubten, siewürden nur mit Maschinen
kommunizieren. Doch um die Dienste zu
verbessern, müssennatürlichMenschen
ran. Immerhinjeder dritte Deutsche soll ei-
nen solchen Assistentenbereits genutzt ha-
ben, wie vieleineinem wirklich smarten
Haus leben, ist schwierig zu definieren,
denn eine Alexamacht nochkein Haus
schlau. Am häufigstenwerden Systeme ge-
nutzt, bei denen man das Licht per Sprache
einschalten kann. DieDaten, dieman preis-
gibt, sind überschaubar, der Effekt im
Wortsinn sichtbar.
Gefragt sind auchvernetzteAudio-Sys-
teme, „man bekommt fastkeineAudioanla-
gen mit Kabeln mehr“,sagt Michael Mau-
ser,Leiter desweltweiten Tagesgeschäfts
beim Soundspezialisten Harman. Mittler-
weileböte dieTechnik genug Kapazität,
um auch drahtlosAudioinhöchster Quali-
tät zu übertragen.Undauchhier gilt: „Das
Smartphone ist dieFernbedienung“.

Der Erfolg liegt in der Nische


Wie der taiwanische PC-HerstellerAcerder sinkenden Nachfrage begegnen will


José Manuel Campa,55, Bankenaufse-
her,musste am Donnerstag unangeneh-
me Fragenbeantworten. Der Spanier ist
seit Mai Chef der Europäischen Banken-
aufsichtsbehörde EBA, die seit diesem
Jahr nicht mehr in London,sondern
Paris ihren Sitz hat. Campa(FOTO: DPA)war
nun aber in Brüssel und wurdevonden
Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses
des Europaparlaments gegrillt. DieEBA
ist dieAufsicht derAufseher: Die EU-
Behördekontrolliert, ob nationaleAuf-
sichtsbehörden Banken ausreichend
aufdieFingerschauenundEU-Recht
einheitlich und richtig anwenden. Skan-
dale dervergangenenJahrelegen aller-
dings nahe, dass nicht überall sorgfältig
genugkontrolliert wird. So wurde über
eine estländische Filialeder Danske
Bank Geld gewa-
schen. Ökonom Cam-
pa ist noch nicht
lange genug an
Bord, um dafürver-
antwortlich zu sein,
doch als neuer Chef
muss er jetzt die
Kritik an der EBA
einstecken. bfi

Stephan Engels,57, langjährigerFinanz-
chef der Commerzbank, zieht es in den
Norden. Wiedas Institut am Donnerstag
bekannt gab,wechselt Engels nach acht
Jahren bei der Commerzbank als Finanz-
vorstand zur DanskeBank nachKopen-
hagen. Erwerde seinenVertrag, der im
April 2020 ausläuft, aber erfüllen. Der
Schritt fällt mitten in die Suche der Com-
merzbank nach einer neuen Strategie.
Auch Jochen Sutor,Bereichsvorstand
Finanzen,verlässt dieCommerzbank
undwechselt zum Leasingunternehmen
Leaseplan. Der Zeitpunkt der Ankündi-
gung sei daher „leider nichtideal“,außer-
dem sei ihm dieEntscheidung nicht
leicht gefallen,verkündete Engels(FO-
TO: DPA)im Intranet der Bank. Er stehevoll
hinter dem Strategieprozess und werde
ihn unterstützen. Es handele sich aber
um„einespannende
internationaleHer-
ausforderung“.In
derTatwarten bei
der Danskegrößere
Aufräumarbeiten
auf Engels. Das Insti-
tut ist in einenGeld-
wäscheskandalver-
wickelt. mesc

Hiroto Saikawa,65, und andereFüh-
rungskräfte haben einem Insider zufol-
ge unangemessen hohe Zahlungenvon
ihremKonzern erhalten. Eine interne
Untersuchung habe dies ergeben, sagte
eine mit der Angelegenheitvertraute
Person der AgenturReuters.Einem japa-
nischenAgenturbericht zufolge räumte
Saikawa(FOTO:AFP)die Zahlungen ein und
versprach, nicht ordnungsgemäß erhal-
teneGelder zurückzuzahlen. Er habe
fälschlicherweise eineZuwendung aus
einem Aktienvergütungsprogramm
erhalten, dasnochaus der Zeit des inzwi-
schenwegenVeruntreuungvonFirmen-
geldern angeklagten Ex-Nissan-Chefs
CarlosGhosn stamme, sagte Saikawa
nach AngabenvonJijiPress.„Es tut mir
sehrleid, dassichBesorgnisverursacht
habe“, zitierte ihn dieAgentur.Die Zah-
lungen seien am
Mittwoch bei einer
Sitzung desNissan-
Prüfungsausschus-
ses bekannt gewor-
den, sagte der In-
sider.Dabei gehe es
insgesamt um meh-
rere zehn Millionen
Yen. reuters

S


eit die AfDbei den Landtagswahlen
in Sachsen undBrandenburg fastzur
stärkstenPartei wurde, ist vielvon
„abgehängten Regionen“die Rede, in de-
nen angeblichder Populismus gedeiht. Da-
nachwäre es ein probates Mittel gegen die
RechtsdriftimLand,jene„Gleichwertig-
keit der Lebensverhältnisse“imBundesge-
biet zu erreichen, die das Grundgesetz in
Artikel 72 ohnehin fordert. Über denZu-
sammenhanglässtsich streiten, aber zwei-
fellos gibt es dasPhänomen abgehängter
Regionen, nichtnur,aber auch und ganz
besondersimOsten.Gegenden, aus denen
dieMenschenwegziehen,woArbeitsplät-
ze fehlen, Lehrer,Ärzte, Kitas, Busse und
Bahnen. Hier müsste der Staat eingreifen,
auchwenn es die AfDgar nicht gäbe.
Die Frage ist nur: wie?Sehr vieleMen-
schen sind davonüberzeugt, dass das ei-
gentliche Problem in den Ostrenten und
vorallem in der Lohnscherezwischen
West und Ost liegt, also darin, dass man in
Sachsen und Brandenburg heute immer
nochwenigerverdient als in Bayern oder
Baden-Württemberg. Diesen Glauben näh-
renbis heute etlichePolitiker,zum Bei-
spiel die sächsische Bundestagsabgeordne-
te Sabine Zimmermann.Die arbeitsmarkt-
politische Sprecherin der Linkenveröffent-
lichtevorkurzem eine Pressemitteilung,
in der sieerklärt, es sei „beschämend, dass
Ostdeutschland flächendeckendvonnied-
rigen Löhnen gekennzeichnet ist.“Zur Ab-
hilfefordert dieAbgeordnete einen höhe-
renMindestlohn, die Abschaffung der Leih-
arbeit und mehr Tarifverträge, die für all-
gemeinverbindlich erklärtwerden–kurz:


eine deutliche Erhöhung der Arbeitskos-
ten für die Wirtschaft. Aberkönnen höhere
Kosten einer abgehängten Region wirklich
helfen?
Damit ist man direkt bei den Traumata
derNachwendezeit, beiWutund Enttäu-
schung vielerMenschen in Ostdeutsch-
land darüber,dass die DDR-Wirtschaft
„plattgemacht“ wurde.
Das Problem lässt sich an einem einfa-
chen Beispielverdeutlichen. Kurzvor dem
Zusammenbruch des Sozialismus 1990
standen die Industrieinder DDRund in
der Tschechoslowakei ungefähr auf dem
gleichenNiveau.Heute, nach 30Jahren Ka-
pitalismus, liegt das Bruttoinlandspro-
dukt proKopf in Sachsen und Branden-
burgumein Drittel über demTschechiens,
dieLöhne jedoch sind ungefähr doppelt so
hoch.Nach den Zahlen des Instituts der
deutschen Wirtschaft (IW)kostete 2018 ei-
ne Arbeitsstunde in derSlowakei 12,10 Eu-
ro,inTschechien 12,50Euro, in Ost-
deutschland aber 27,80 Euro. Das ist im-
mer noch deutlichweniger als inWest-
deutschland(42,90 Euro), aber mehr als in
Industrieländern wie Großbritannien,Ja-
pan oder Südkorea. Allerdingsvergleicht
heutekein Arbeitnehmer in Ostdeutsch-
land mehr seinen Lohn mit jenen derSlo-
waken, sondern mit jenen, die inMün-
chen, Frankfurt oder Düsseldorf gezahlt
werden. Das ist auch gerechtfertigt,
schließlichist es ja ein Land.
Man muss nur wissen,wasman tut und
vorwelchem Hintergrund. Dafür dass die
Löhne in der ehemaligenDDRviel schnel-
lersteigenkonnten als in den anderen post-

kommunistischen Ländern, bedurfte es
Milliardensubventionen aus demWesten.
Vorallem aber musste die Produktivität
der Arbeit schneller steigen als etwa in
Tschechien und der Strukturbruch ent-
sprechend brutaler ausfallen.
Es bedeutete ganzkonkret, dass das
Sachkapital in den ehemals„volkseige-
nen“Betriebensichnoch schneller entwer-
tete als ohnehin nicht zuvermeiden.Und
dass die Treuhandanstalt dieDDR-Wirt-
schaft noch schneller abwickeln musste,
mit allen Demütigungen, diediesfür Ost-
deutsche mit sich brachte. (Was nicht be-
deutet, dass dieTreuhand alles richtig ge-
macht hat.)Wahrscheinlich gab es damals
garkeine Alternativen zu diesem Kurs.

Karl-Heinz Paqué, Wirtschaftsprofessor
in Magdeburg,vertritt seit langem diese
These.Ohne die außerordentlicheAufhol-
jagd hätten die Löhne im Osten bei nur ei-
nem Drittel derWestlöhne gelegen. „Es
gibtkein Beispiel in derGeschichte für
Lohnunterschiede dieser Dimension inner-
halb eines Landes,“schrieb Paqué. Eswä-
reneinfach noch mehrMenschen aus dem
Osten in denWesten gewandert. „Man
kann nicht mitkommunistischen Löhnen
kapitalistische Preise bezahlen“, sagte der
damalige Chef derIG Metall, Franz Stein-
kühler 1992, als es darum ging, zweistelli-
ge Lohnforderungen in der zusammenbre-

chendenDDR-Wirtschaft zurechtfertigen.
Aberaucherkonntedie Frage nicht beant-
worten, wie Betriebe, diebis voreinem
Jahr nochkommunistischwaren,plötzlich
kapitalistische Löhne zahlenkönnen soll-
ten. In der Praxis dienten die dramatisch
erhöhten Tariflöhne meist als Berech-
nungsgrundlage für das Arbeitslosengeld.
DieVerwerfungen der damaligen Zeit
wirkenbis heute nach.Undsie tragen dazu
bei, dass dieMenschen in der ehemaligen
DDRdas gering schätzen,wassie seit 1989
erreicht haben. Aber muss man heute auf
diesemWegweitergehen?Muss man erst
dieLöhne erhöhen und dann darauf bau-
en, dass dieUnternehmen mit den gestie-
genenKostenfertigwerden?Natürlich
muss man das nicht. Man kann dieLohnlü-
ckeauch als Chance sehen. Im Osten sind
nicht nur dieKosten der Arbeit niedriger,
sondern auch die der Lebenshaltung. In
Görlitz liegt die Kaltmiete, laut Mietspie-
gel, bei 5,19 Euro für den Quadratmeter; in
BergamLaim, einem durchschnittlichen
StadtteilvonMünchen (hier sitzt dieSüd-
deutsche Zeitung), sind es 18,69 Euro. Ein
EuroGehalt ist also im Osten mehrwert als
in München. So etwas kann ein starkesAr-
gument sein,wenn es darum geht, neues
Gewerbe zulocken.Werdagegenversucht,
dieLöhne administrativ einzuebnen–mit
höheren Mindestlöhnen und großzügigen
Tarifverträgen –, der erschwert in Wirk-
lichkeit nur die Schaffung neuer Arbeits-
plätze. nikolaus piper

Am häufigstenwerdenSysteme
genutzt, bei denen man das Licht
per Sprache einschalten kann

Konsumelektronikmesse IfainBerlinDas intelligente Haus ist bisher kaum gefragt


18 HF2 WIRTSCHAFT Freitag, 6. September 2019,Nr. 206 DEFGH


DerMarkt der Personalcomputer schrumpft angesichts derKonkurrenz vonTablets und Laptops.Doch gibt es auf derIfa
in Berlin immer noch eine Fülle von verschiedenenTastaturen für PCs. FOTO: TOBIASSCHWARZ/AFP

WZB-Präsidentin JuttaAllmendinger undNikolaus
Piper schreiben jeden Freitag imWechsel.

Habe Technik,


sucheVerwendung


DieIndustrietrommelt seitJahren fürsSmartHome.
Doch bei denKundenwollen ihreIdeennichtrechtzünden.
Die Gerätevielfalt zu beherrschen, ist vielen
zukompliziert. Unddann ist da noch dieFrage derDaten

LaxeKontrollen


In denNorden


Besorgniserregend


Abgehängt


DreißigJahrenachdem Fall der
Berliner Mauersind die
Löhne im Ostenimmernochniedrigerals im
Westen.Aberdas istkein Skandal,
sonderneineChancefür
bisher benachteiligte Regionen

PIPERS WELT


Nichtnur die Löhne sindin
Ostdeutschland niedriger,sondern
auch dieLebenshaltungskosten

PERSONALIEN


EinvernetztesHausregistriert,


wiesich seine


Bewohnerverhalten

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