Süddeutsche Zeitung - 06.09.2019

(Michael S) #1
von gerhard fischer

R


ainer Koch ist noch nicht da. Aber
seine Referentin öffnet die Tür zu
Kochs Büro. Man könne sich schon
mal umschauen, sagt sie. Hinter einem auf-
geräumten, schwarzen Schreibtisch, der
auf einem grauen Teppichboden steht,
hängt ein großes Bild mit vielen Fahnen:
ein Foto von der Eröffnungsfeier der Fuß-
ball-WM 2006 in München. Das ist ein Hö-
hepunkt im Leben eines Präsidenten des
Bayerischen Fußballverbandes (BFV);
selbst wenn Koch stets betont, dass ihm
die Amateure näher stünden.
Das Büro befindet sich im dritten Stock
des BFV-Hauses in der Brienner Straße. Im
Schrank stehen Fußballjahrbücher, dazu
Werke mit den Titeln „Voodoo im Straf-
raum“ und „Handbuch des Sportrechts“;
Koch ist ja auch Jurist.

Dann kommt Rainer Koch, 60, zur Tür
herein. Er habe wenig Zeit, sagt er. Gerade
sei er aus Hamburg gekommen. Später flie-
ge er nach Berlin. Er schaut auf den
Schreibtisch. „So ordentlich ist es hier sel-
ten“, sagt er und lächelt. „Ich bin eigentlich
nicht der ordnungsliebende Typ – wo gear-
beitet wird, darf es ruhig auch danach aus-
sehen.“ Seine Mitarbeiter hatten den
Schreibtisch vor dem Pressetermin aufge-
räumt. Fürs Foto werden nun doch wieder
Akten gebracht. „Die liegen da normaler-
weise auch“, sagt Koch.
Als er gefragt wird, was ihm in seinem
Büro wichtig sei, holt er die Skulptur eines
Fußballs aus dem Schrank; der Ball hat
Kopfhörer auf. „Das ist ein Pokal der ers-
ten Fußballiade 2015“, sagt Koch. Die Fuß-
balliade, die alle vier Jahre stattfindet, ist
nach BFV-Angaben das „größte Jugend-
und Amateurfußball-Event Bayerns“. 2015
und 2019 war sie in Landshut. Tausende
nahmen teil. „Es wurde natürlich Fußball

gespielt“, sagt Koch, „aber wir haben auch
zeitgemäße Angebote für die Jugend ge-
macht, zum Beispiel mit E-Football.“
Er guckt in sein Handy, auf der Suche
nach Fotos der Fußballiade. „Und beson-
ders stolz bin ich auf die Inklusionsangebo-
te, die dürfen natürlich nicht vergessen
werden“, sagt er, ohne aufzusehen. „In die-
sem Jahr hatten wir zum Beispiel ein Tur-
nier mit Amputiertenfußballern.“

Und der Kopfhörer auf der Fußball-
skulptur? „Bei der Fußballiade finden
auch Konzerte statt, 2015 hatten wir unter
anderem Claudia Koreck auf der Bühne.“
Gibt es eigentlich einen Glücksbringer
im Büro; einen, der seit Jahrzehnten über-
all da ist, wo Koch arbeitet? „Nein“, sagt er
kurz. Ist nicht so sein Ding.
Koch geht wortlos aus dem Raum und
kommt mit einer eigenartigen Kugel zu-

rück. „Das ist ein Fußball, der aus Müll ge-
fertigt wurde“, sagt er, „den haben mir
Jungs aus Mosambik geschenkt.“ Koch
wirft ihn auf den Boden und tritt dagegen.
Funktioniert. Die BFV-Sozialstiftung küm-
mert sich seit 2005 darum, dass Buben
und Mädchen, die in einem armen Vorort
von Maputo leben, auch mit richtigen Fuß-
bällen spielen können, auf einem richtigen
Fußballplatz. Außerdem gibt es eine Ko-

operation mit drei Grundschulen. „Wir ha-
ben die Klassenzimmer mit Stühlen und
Bänken ausgestattet“, sagt Koch. „Und zu-
letzt wurde eine Bibliothek eröffnet.“
Im Büroschrank liegt ein weiß-blauer
Ball. Es steht „Einmal Löwe, immer Löwe“
drauf. Sind Sie Fan von ...? Koch lacht.
„Nein, ich konnte mich nicht entscheiden,
für welchen Verein ich sein soll, deshalb
bin ich zum Verband gegangen“, sagt er.
Ein Witz. Also? „Als Präsident ist man gut
beraten, wenn man für alle da ist.“ Okay.
Koch zeigt auf eine Urkunde, die an der
Wand hängt, und auf eine zweite, die am
Boden steht. „Das ist mir noch wichtig“,
sagt er. Der BFV hat für sein Engagement
für Organspenden zwei Preise bekommen.
„Im April 2017 haben wir ein Aktionswo-
chenende gemacht, an dem fast 600 Verei-
ne von der C-Klasse bis zur Regionalliga
teilgenommen haben“, sagt Koch. „Dabei
wurden überall Organspende-Ausweise
verteilt.“ Es seien am Ende 100 000 Auswei-
se gewesen, ergänzt seine Referentin. „Da
sieht man die Möglichkeiten, die der Fuß-
ball bietet“, sagt Koch.
Ach ja, private Dinge fehlen im Büro,
oder? Es steht bloß ein Foto von seiner
Frau auf dem Schreibtisch. „Mein Büro ist
Fußballbereich“, sagt Rainer Koch. „Ich
bin zum Arbeiten hier.“

MÜNCHNER
CHEFZIMMER

Voodoo im Strafraum und andere Andenken


An der Wand ein Foto von der WM 2006, im Schrank Fachbücher: Im Büro von Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußballverbandes,
fehlen bis auf ein Foto von seiner Frau private Dinge. Das Zimmer, sagt er, „ist Fußballbereich“

Ein Besuch bei
Rainer Koch, Präsident des
Bayerischen Fußballverbandes
SZ-Serie · Folge 8

von lillian ikulumet

O


h, Sommer: kühles Eis, Freunde,
Ferien – und natürlich: Sonnen-
schein. Schutzcreme war in die-
sem Sommer mein steter Begleiter. Du be-
kommst auch einen Sonnenbrand? Diese
Frage höre ich immer wieder. Viele den-
ken, dass afrikanische Haut niemals un-
ter Sonnenbrand leiden sollte, weil wir ja
an Sonne gewöhnt sind. Falsch gedacht.
Irgendwann ist der Punkt erreicht, da tut
die Hitze weh. Ich hätte selbst nie ge-
glaubt, dass es einmal so weit kommt.


Als ich Afrika verlassen habe, begegne-
te ich den heißen Sommertagen in Mün-
chen äußerst abgebrüht – mit klimati-
scher Routine, wie sie ein eingeborener
Münchner kaum haben kann. Das Som-
merwetter hier erinnerte mich gar an
ugandische Verhältnisse. Dort ist im Prin-
zip das ganze Jahr über Sommer, 25 Grad
im Süden, 30 Grad im Norden. Ich war
Sonne gewöhnt, es gehörte zu meinem Le-
ben wie in Bayern der berühmte (aber we-
nig beliebte) Schnürlregen. Mittlerweile
habe ich viele Jahreszeitenwechsel hier
erlebt. Und mein Körper hat das offenbar
mitbekommen.
Aus irgendeinem Grund trauen mir
meine deutschen Freunde alles zu, außer
dass ich mich über Hitze beschwere. „Du
kennst das doch nicht anders.“ Fünf Jah-
re in München machen aber etwas mit ei-
nem Menschen. Anfangs wäre ich hier in
Sommern wie diesem mit langen Klei-
dern durch den Englischen Garten spa-
ziert. Nun ertappe ich mich dabei, dass
ich mich an heißen Tagen am liebsten in
einen verhangenen Raum begeben wür-
de – betend, dass die Sonne sich verzie-
hen möge.
Das Problem an solchen Methoden:
Dauerhaft würde man damit arg in Ver-
zug geraten, in diesem Land, wo gnaden-
los weiter gearbeitet und gesportelt wird.
Da kann die Sonne glühen, wie sie will.
Statt mich zu verkriechen, gehe ich an
sonnigen Tage zum Radeln – eine raffi-
nierte Form, die Hitze auszutricksen,
weil einem der Fahrtwind den Schweiß
von der Stirn weht. Die letzten Augustta-
ge waren jedoch so unerträglich heiß,
dass nicht mal mehr Schweiß aus den Po-
ren trat. So, als seien sämtliche Flüssigkei-
ten des Körpers verdampft.
Es ist erstaunlich, wenn einen die eige-
ne Überheblichkeit überführt: Als ich
hier ankam, habe ich mich über die
schwitzenden Einheimischen und ihre ro-
ten Gesichter amüsiert. Mittlerweile
schwitze ich selbst mit, als hätte ich nie et-
was anderes gemacht. Ich habe sogar ei-
ne Sprühflasche gereinigt, die ich in die-
sen Tagen als Wasserspritzer benutze.
Und ich trage Shorts und Trägertops.
Noch vor ein paar Jahren hätte ich das für
undenkbar gehalten. Ganz nach dem Cre-
do, dass Sonnenstrahlen von der Haut
fern gehalten werden sollten.
In Uganda wird von einer Frau erwar-
tet, dass sie sich stets verdeckt anzieht. In
München beginnt nun jene Zeit, in der
sich die Menschen ganz freiwillig be-
deckt halten werden. Mit der Länge des
Jahres werden auch die Hosen länger –
und die Pullis dicker. Irgendwann be-
schweren sich die Leute dann nicht mehr
über die Hitze, sondern über die Kälte.
Wie auch immer man es halten mag – ei-
nes hat das bayerische Wetter mit mir ge-
macht: Nach einem langen Winter gibt es
nichts schöneres, als das Gefühl von Son-
nenstrahlen auf der Haut. Rainer Koch ist derzeit nicht nur Präsident
des Bayerischen Fußballverbandes, sondern
auch einer der Chefs des Deutschen Fußball-
bundes (DFB). Er führt den DFB mit Reinhard
Rauball kommissarisch, seit Reinhard Grindel
im April wegen einer Uhrenaffäre zurückge-
treten ist. Ende September soll der Freibur-
ger Fritz Keller zum neuen DFB-Präsidenten
gewählt werden. Keller gab kürzlich bekannt,


dass Koch den DFB künftig in den Gremien
des Weltverbandes Fifa und der Europäi-
schen Fußball-Union (Uefa) vertreten soll.
Rainer Koch wurde am 18. Dezember 1958
in Kiel geboren, wuchs aber im Südosten Mün-
chens auf. Er studierte Jura und arbeitet als
Richter; 2007 hat er seine Arbeitszeit beim
Oberlandesgericht München auf 50 Prozent
reduziert. Koch spielte beim Kirchheimer SC

und beim TSV Poing Fußball, wurde Jugend-
trainer, Jugendleiter, Schiedsrichter und Funk-
tionär.
Seit November 2004 ist er Präsident des
Bayerischen Fußballverbandes, er führt zu-
dem den Süddeutschen Fußballverband.
Beim DFB ist er als Vizepräsident (und derzeit
als kommissarischer Chef) unter anderem für
die Amateure zuständig. G F I

Anfangs belächelte Lillian
Ikulumet die hitzegeplagten
Münchner, nun schwitzt
sie selbst mit

Wimpel, Pokale,
Medaillen. Im Büro von
Rainer Koch im
dritten Stock des
BFV-Hauses in der
Brienner Straße
erinnert alles an
Fußball-Ereignisse.
Im Schrank stehen
Fußballjahrbücher, dazu
Werke mit Titeln wie
„Handbuch des
Sportrechts“; er ist ja
auch Jurist.

Vita


Für den Pressetermin räumten Mitarbeiter den Schreibtisch von Rainer Koch auf. „So ordentlich ist es hier selten“, sagt er
und lächelt. „Ich bin eigentlich nicht der ordnungsliebende Typ.“ FOTOS: ROBERT HAAS

S O M M E R H I T Z E

Schweiß schweißt


zusammen


TYPISCH DEUTSCH


Ihre Flucht hat drei Journalisten
nach München geführt.
In einer wöchentlichen Kolumne
schreiben sie, welche Eigenarten
der neuen Heimat sie mittlerweile
übernommen haben

R6 – LEUTE Freitag, 6. September 2019, Nr. 206 DEFGH


„CollinadiCingoli“–dasKleinodItaliens.


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