Spektrum der Wissenschaft - 05.2019

(Sean Pound) #1

EUROPEAN ENVIRONMENT AGENCY, EU COUNTRIES GRASSLAND BUTTERFLIES POPULATION INDEX (WWW.EEA.EUROPA.EU/DATA-AND-MAPS/DAVIZ/EUROPEAN-GRASSLAND-BUTTERFLY-INDICATOR-2#TAB-CHART_4) UND VAN SWAAY, C.A.M. ET AL.: THE EUROPEAN BUTTERFLY INDICATOR FOR GRASSLAND SPECIES: 1990-2015. REPORT VS2016.019. DE VLINDERSTICHTING, 2016


EU countries — Grassland butterflies - population index

Grassland butterflies (17 species) Trend line

1990199119921993199419951996199719981999200020012002200320042005200620072008 2009201020112012201320142015

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Population index (1990=100)

2019 veröffentlichten wir hierzu zusammen mit Stanislav
Rada, der inzwischen an der tschechischen Universität
Olmütz forscht, eine eigene Studie. Dabei stellten wir – er-
wartungsgemäß – fest: Tagfalter weisen in deutschen
Schutzgebieten des Natura-2000-Netzwerks einen höheren
Artenreichtum auf als außerhalb. Ebenfalls erwartungsge-
mäß nimmt dieser Reichtum mit dem Abstand von solchen
Gebieten ab. Allerdings zeigten die mit den Daten des
Tagfalter-Monitorings kombinierten Auswertungen auch,
dass die Artenvielfalt binnen elf Jahren um zehn Prozent
zurückging – und zwar jenseits der Naturschutzgebiete
genauso wie innerhalb. Demnach waren die Areale nicht in
der Lage, den generellen Trend aufzuhalten. Oder anders
formuliert: Die Rückgänge in den Naturschutzgebieten
spiegelten die Gesamtentwicklung wider. Der Unterschied
bestand nur darin, dass die Schutzgebiete einen höheren
Artenreichtum aufwiesen als außerhalb.
Es erscheint also plausibel, dass die in der Krefelder
Studie festgestellte Abnahme durchaus repräsentativ
für großräumige Landschaften sein könnte. Es handelt
sich dabei jedoch um Biomassen, während unsere Studie
die Artenzahlen betrachtet. Wenn aber Insekten in
Schutzgebieten schon auf einem niedrigen Niveau von
Biomasse oder Artenvielfalt angelangt sind, dürfte die
Situation in der ungeschützten Umgebung noch schlech-
ter aussehen!
Warum verschwinden unsere Insekten? Grundsätzlich
lassen sich Phänomene eines globalen Wandels schwer
nach ihren Ursachen aufschlüsseln. Die Krefelder Entomo-

logen haben einige mögliche Gründe untersucht, beispiels-
weise Veränderungen in Niederschlag, Temperatur oder
Pflanzenbedeckung. Dabei handelt es sich um Korrelatio-
nen, die jedoch nicht unbedingt kausale Zusammenhänge
beschreiben. Zudem lassen sich nur Faktoren analysieren,
für die entsprechende Daten vorliegen. Da solche etwa zu
Details der Landnutzung wie Pestizid- oder Düngemittelein-
satz fehlen, sind kaum gesicherte Aussagen möglich,
wenngleich derartige Einflüsse sehr wahrscheinlich sein
dürften.
Auch wenn es somit schwierig sein mag, den beobach-
teten Insektenschwund auf eindeutige Ursachen zurückzu-
führen, gibt es durchaus wissenschaftliche Erkenntnisse
zum Thema. So wertete der Weltbiodiversitätsrat (Inter-
governmental Science-Policy Platform on Biodiversity and
Ecosystem Services, IPBES) tausende dem wissenschaftli-
chen Peer-Review unterzogene Studien zur Lage bestäu-
bender Insekten aus, um wesentliche Gefährdungsfaktoren

Schmetterlinge in Europa


Der europäische Indikator für Tagfalter des Grünlands verzeichnet seit 1990
in 22 Ländern einen Rückgang der Populationsgrößen von 17 Schmetter-
lingsarten. Der graue Bereich symbolisiert die statistische Ungenauigkeit
der berechneten Daten, die dunkelblaue Linie zeigt den Trend.

Mehr Wissen auf
Spektrum.de
Was Sie selbst gegen den Insekten-
schwund tun können, erfahren Sie
unter spektrum.de/artikel/

Populationsgröße (1990 = 100)

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