Spektrum der Wissenschaft - 05.2019

(Sean Pound) #1


Jahr für Jahr fließen weltweit
mehr als zwei Billionen Dollar in
die Forschung und Entwicklung,
und Jahr für Jahr erscheinen mehrere
Millionen Fachartikel. Können wir uns
also beruhigt zurücklehnen und uns
am wissenschaftlichen Fortschritt
erfreuen? Die Hinweise mehren sich,
dass die Art und Weise, wie wir
Forschung betreiben, evaluieren und
in der Öffentlichkeit kommunizieren,
erschreckend wenig effektiv sind.
Eine Artikelserie beispielsweise, die
im Jahr 2014 in der Fachzeitschrift
»Lancet« erschien, kam zu dem
Ergebnis, dass rund 85 Prozent der in
die biomedizinische Forschung inves­
tierten Gelder weitgehend nutzlos
verschwendet werden. In vielen

anderen Wissenschaftsbereichen sieht
es ähnlich aus. Unser System der
finanziellen Förderung versagt gleich
in mehreren Punkten – doch es gibt
mögliche Lösungen dafür.

1


Wir fördern zu wenige
Wissenschaftler
Der Großteil der Mittel konzentriert
sich momentan auf nur wenige For­
scher. Es gibt aber viele talentierte
Wissenschaftler(innen), deren berufli­
cher Erfolg sowohl von harter Arbeit
als auch von glücklichen Fügungen
abhängt. Jene, die zurzeit in den
Genuss üppiger Fördermittel kommen,
sind nicht unbedingt die produktivsten
Genies, sondern oft nur besonders gut
vernetzt.

Mögliche Lösungen:
 Fördermittelvergabe per Los. Objek­
tiv mangelhafte Anträge könnte man
vorher mittels einer Prüfmethode
aussieben, die sich freilich auf grund­
legende Dinge konzentrieren sollte.
Ein Losverfahren würde das mühsame
und teure Prüfen der Anträge ersparen
und deutlich mehr Forschern die
Chance auf Förderung geben.
 Festsetzen einer Obergrenze für die
Beträge, die einzelnen Personen
zukommen können. Der Vorschlag
kursiert schon seit Längerem, doch
renommierte Wissenschaftsinstitutio­
nen, die stark von der Konzentration
finanzieller Mittel profitieren, sind
erfolgreich dagegen vorgegangen.
Eine Umschichtung der Fördermittel

WISSENSCHAFTSFÖRDERUNG


TEURES SYSTEMVERSAGEN


Die Art und Weise, wie wir Fördergelder vergeben, ist verschwenderisch
und behindert den Fortschritt. Die zehn größten Fehlentwicklungen und
mögliche Lösungen: Ein Meinungsbeitrag.

die eine Energiegleichung minimieren.
Im Elektromagnetismus sind solche
Objekte Lösungen der berühmten
Maxwell­Gleichungen, in allgemeinen
Eichtheorien erfüllen sie die kom­
plizierten so genannten Yang­Mills­
Gleichungen.
In diesem Zusammenhang konnte
Uhlenbeck ihren berühmten Satz der
»hebbaren Singularitäten« beweisen.
Er besagt, dass vierdimensionale
gummiartige Formen keine Blasen um
isolierte Punkte herum bilden können.
Hat man also eine endliche Lösung der
Yang ­Mills­Gleichungen in der Umge­
bung eines Punkts gefunden, dann
lässt sich die Lösung auch problemlos
auf den Punkt selbst erweitern, ohne
störende Singularität. Diese Erkennt­
nisse »untermauern die meisten späte­
ren Veröffentlichungen der mathemati­
schen Eichtheorie«, sagt Simon Do­
naldson vom Imperial College London,
der 1986 eine Fields­Medaille für seine
Ergebnisse erhielt, die auf Uhlenbecks
Arbeiten aufbauen.

Nun ging der Abelpreis erstmals in
seiner 17 ­jährigen Geschichte an eine
Frau. Die Rolle der Pionierin hat Uhlen­
beck nicht zum ersten Mal inne. 1990
war sie etwa nach Emmy Noether die
zweite Frau, die jemals einen Plenar­
vortrag auf dem Internationalen Kon­
gress der Mathematiker hielt. Damit
beendete sie eine 58 Jahre andauern­
de Durststrecke der männerdominier­
ten Veranstaltung. Mit der Zeit wurde
sie zu einer inspirierenden Figur für
eine ganze Generation von Mathemati­
kerinnen und Mathematikern.
Ab Anfang der 1990er Jahre leitete
sie mit anderen ein Mentorenpro­
gramm für Frauen in der Mathematik
am Institute for Advanced Study in
Princeton, New Jersey. »Vorbild zu
sein, ist eine Herausforderung«,
schrieb sie 1996, »denn man muss den
Studenten zeigen, wie unvollkommen
ein Mensch sein kann und dabei
dennoch erfolgreich. Ich bin vielleicht
eine gute Mathematikerin, aber ich bin
auch sehr menschlich.« 

Erica Klarreich hat in Mathematik
promoviert und ist Wissenschaftsjour­
nalistin in Berkeley (Kalifornien).

QUELLEN
Palais, R. S., Smale, S.: A generalized
Morse theory. Bulletin of the American
Mathematical Society 70, 1964
Sacks, J., Uhlenbeck, K.: Minimal
immersions of closed Riemann surfaces.
Transactions of the American Mathema­
tical Society 271, 1982
Uhlenbeck, K.: Removable singularities
in Yang­Mills fields. Communications in
Mathematical Physics 83, 1982

Von »Spektrum der Wissenschaft« übersetz­
te und redigierte Fassung des Artikels
»Karen Uhlenbeck, Uniter of Geometry and
Analysis, Wins Abel Prize« aus »Quanta
Magazine«, einem inhaltlich unabhängigen
Magazin der Simons Foundation, die sich
die Verbreitung von Forschungsergebnissen
aus Mathematik und den Naturwissenschaf­
ten zum Ziel gesetzt hat.
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